X

Autogenes Training für Fortgeschrittene

Formelhafte Vorstellungen – die Mittelstufe des klassischen AT. Wer die Unterstufe des Autogenen Trainings beherrscht, kann nach den Grundübungen Probleme im entspannten Zustand angehen. Dabei helfen individuell formulierte Leitsätze.

Fast jeder hat schon einmal vom Autogenen Training gehört und viele Entspannungssuchende haben dieses Verfahren selbst kennen gelernt, sei es in einem VHS-Kurs oder während einer Kur beziehungsweise Reha-Maßnahme. Dabei werden einem stets die Grundübungen vermittelt zu Schwere, Wärme, Atmung, Sonnengeflecht, Herz und Kopf. Die Abfolge hat sich seit der Entwicklung durch Johannes Heinrich Schultz kaum verändert, nur die Art der Vermittlung ist moderner geworden. So werden die bekannten Leitsätze heute meist ausführlicher gestaltet und die Entspannung mit bildhaften Vorstellungen vertieft. Genauso funktioniert auch die Mittelstufe des Autogenen Trainings, die jedoch – im Gegensatz zur oben genannten Grundstufe – weit weniger praktiziert wird.

Autogenes Training für Fortgeschrittene

Vorbedingung ist natürlich die Beherrschung der Unterstufe. Dafür muss man die Grundübungen des AT schon tatsächlich im Schlaf können und regelmäßig durchgeführt haben. Am besten zieht man sich dafür an seinen ganz persönlichen Ruheplatz zurück oder sucht solch einen Ort der Ruhe in Gedanken auf. Nach einem halben oder besser einem Jahr des regelmäßigen Übens kann man sich dann an diese Methode der „konzentrativen Selbstentspannung“ wagen, wie sie Gisela Eberlein im Ratgeber „Gesund durch Autogenes Training“ (Econ Verlag) bezeichnet. Wichtig dafür ist die individuelle formelhafte Vorsatzbildung. „Ich bin, was ich den ganzen lieben langen Tag denke“, könnte man es auf den Punkt bringen oder als Viererkette formulieren:

  • Gedanken sind der erste Schritt zum Handeln

Alles was wir tun, existiert bereits als Idee in unserer Vorstellung. Wie ein Künstler sein Werk vorher in Gedanken gestaltet, so haben auch wir das Ergebnis unseres Tuns schon im Kopf.

  • Alles was wir denken – leider auch das Negative hat das Bestreben sich zu verwirklichen

Negativprogramme haben große Macht über unser Unterbewusstsein. Wer auch nur zu denken wagt: „Das schaffe ich nie“, dessen Befürchtung wird sich wohl oder übel erfüllen.

  • Glaube und Wille müssen zusammen wirken

Wenn Wille und Glaube sich feindlich gegenüberstehen, wird stets der Glaube siegen. Das heißt, ich muss schon selbst daran glauben, muss davon überzeugt sein, dass ich mein Ziel erreichen kann. Wenn ich es nur will, bleibt es reines Wunschdenken.

  • Ein Bild sagt mehr als tausend Worte

Sehr wirkungsvoll sind bildhafte Vorstellungen, wie man sie schon in der Unterstufe des Autogenen Trainings kennen gelernt hat. Beispiele zur Wärmeübung sind das Bild der wärmenden Sonne, die den verkrampften Bauch bescheint oder ein Kaminfeuer, vor dem ich mir die kalten Füße wärme.

Selbsthypnose durch persönliche Formelsätze

Ob man sich auf die körperliche Ebene konzentrieren möchte oder seelische Probleme angehen will – beides ist möglich. Man kann eine Formel finden, die sich als Einschlafhilfe eignet oder einen Leitspruch, der einem zu mehr Verständnis in der Partnerschaft verhilft. Jemand möchte vielleicht mit Hilfe des Autogenen Trainings abnehmen oder sich das Rauchen abgewöhnen. Doch hier gilt dasselbe wie für die Übungen der Grundstufe: in einem Kurs unter Gleichgesinnten lernt es sich leichter. Dennoch müssen auch da die Leitsätze persönlich formuliert werden. Das geschieht übrigens nicht in der Zukunftsform oder gar im Konjunktiv: “Ich will abnehmen“ bewirkt nichts. Stattdessen heißt es zum Beispiel: „Tag für Tag komme ich meinem Wunschgewicht ein wenig näher“. Bei der Formulierung gilt es auch folgendes zu beachten:

  • Formelsätze müssen kurz und prägnant sein

Ein oder zwei Sätze genügen, weniger ist auch hier mehr. Wichtig ist die zwei- bis dreimalige Wiederholung der Formelsätze, wie sie schon aus der Unterstufe des Autogenen Trainings bekannt ist. Im besten Fall wirken sie wie ein Mantra, das gebetsmühlenartig heruntergeleiert wird und dadurch die Entspannung noch vertieft. Wer Gedichte mag, kann seinen persönlichen Leitspruch in Versform reimen. Ein bekanntes Beispiel dafür ist der Klassiker für Verdauungsprobleme: „Magen und Darm sind entspannt, weich und warm“.

  • Die Formeln sind stets positiv zu formulieren

Das Unterbewusstsein kennt keine Negationen wie „nein“ oder nicht“. Verbote machen auf dieser Ebene schon gar keinen Sinn. Berühmt wurde die Anweisung, der Sie selbst gerne mal spaßeshalber folgen können: „Denken Sie jetzt nicht an einen rosa Elefanten! – Nein, Sie denken nicht an einen rosa Elefanten!“ Wahrscheinlich wird der pastellfarbene Dickhäuter daraufhin noch einige Zeit durch Ihre Gedanken stapfen. Der falsche Formelsatz: „Ich habe keine Angst vor der Prüfung“ wird dementsprechend umformuliert: „Ich überwinde meine Prüfungsangst“ oder „Gut vorbereitet gehe ich mutig in diese Prüfung“.

  • Die Formeln sollten zur Person passen und realistische Ziele haben

Am besten formuliert man so, wie einem der Schnabel gewachsen ist. Schließlich hört sowieso niemand zu, wenn wir unsere Formelsätze flüstern oder in Gedanken vorsprechen. Und die Formulierung muss auf die entsprechende Lebenssituation zugeschnitten sein. Wunschdenken bringt nichts. Wer sich vorstellt, im Lotto zu gewinnen, darf zwar gerne weiter seinen Tagträumen nachhängen, wird aber auf Dauer wohl enttäuscht. Wir können unser Glück nicht zwingen und sollten nur Dinge anstreben, die wir durch eigenes Dazutun umsetzen können. Dabei darf die Messlatte ruhig hoch sein, jedoch muss sie erreichbar bleiben. „Ich werde schön, reich und berühmt“ ist kein Formelsatz fürs AT, sondern Traumtänzerei so mancher Möchtegern-Stars aus „Germany’s Next-Topmodel“. Wer abnehmen möchte, darf sich natürlich in der Entspannung schlank denken. Man sollte sich dabei realistische Fortschritte vorstellen, zum Beispiel wie die enge Hose wieder passt.