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Campi Flegrei: Deutsche Forscher bohren einen Vulkan an!

Die Campi Flegrei zählt zu den gefährlichsten Vulkanen Europas. Deutsche Forscher wollen den Geheimnissen des Supervulkans auf die Spur kommen.

Neapel, das ist für viele Menschen der Inbegriff Süditaliens. Man denkt an Pizza, Pasta und Wein, an Sonnenschein und enge Gassen, aber nicht an eine Bedrohung, die so groß ist, dass sie eine Gefahr für die Zivilisation darstellt. Die Gefahr lauert in der Tiefe, in Form von geschmolzenem Gestein, das Magma genannt wird. Geoforscher vermuten eine gigantische Magmablase wenige Kilometer nordwestlich von Neapel. Das Magma könnte sich in einem gigantischen Vulkanausbruch entladen, der nicht nur das Umland verwüsten würde, sondern auch globale Folgen hätte. Der Vulkan, in dem sich die Eruption manifestieren würde ist nicht der weltbekannte Vesuv, der den Golf von Neapel dominiert, sondern die Campi Flegrei.

Äußerlich eine unscheinbare Ansammlung kleiner Krater und Kegel, stehen die Campi Flegrei (auch Phlegräische Felder genannt) im Ruf ein Supervulkan zu sein. Als Supervulkan wird ein Vulkan bezeichnet, der in der Lage ist eine besonders starke Eruption zu verursachen, deren Auswirkungen global sind. Vulkanasche steigt bei einem Supervulkanausbruch bis weit in die Stratosphäre auf und verteilt sich mit den Höhenwinden über die ganze Erde. Staub und Aerosole reflektieren das Sonnenlicht und es kommt zu einem weltweiten Temperaturrückgang. Im Extremfall könnte ein vulkanischer Winter ausgelöst werden, was zu Ernteausfällen und Hungersnöten führen würde. Nicht jeder Vulkan kann so eine starke Eruption erzeugen. Bei den meisten Supervulkanen handelt es sich um Calderavulkane. Dieser Vulkantyp ist meistens nur aus dem Weltraum als solcher zu identifizieren, da es sich bei einer Caldera um eine große Hohlform handelt, die oft durch Sedimentablagerungen, oder Förderprodukten kleinerer Vulkanausbrüche aufgefüllt ist.

Die Caldera der Campi Flegrei hat einen Durchmesser von 15 x 12 Kilometern. Der letzte Supervulkanausbruch ereignete sich vor gut 39.000 Jahren. Für Menschen ist das unvorstellbar lange her, in geologischen Zeiträumen betrachtet, stellt der Zeitraum einen Wimpernschlag dar. Die Eruption förderte mehr als 100 Kubikkilometer Vulkanasche und Lava. Spuren der Vulkanasche ließen sich sogar im grönländischen Inlandeis nachweisen. Zum Vergleich: der benachbarte Vesuv förderte bei der katastrophalen Eruption im Jahre 79 n.Chr. ca. 3,3 Kubikkilometer vulkanisches Material. Bei diesem Ausbruch wurden die Städte Pompeji, Herculaneum und Stabiae zerstört. Kaum auszumalen, was im Ballungsraum Neapel passieren würde, käme es in der Campi Flegrei zu einem Ausbruch wie vor 39.000 Jahren.

Nach dem Ausbruch bildeten sich in der Hohlform über 50 weitere Kleinvulkane in Form von Schlackenkegeln und Kratern. Die jüngsten Ausbrüche dieser Vulkane ereigneten sich in den Jahren 1158 und 1538, als die Solfatara und der Monte Nuovo bei Pozzuoli ausbrachen. In der Solfatara kochen heute noch heiße Quellen und Dampf schießt unter Hochdruck aus dem Boden: Indizien, dass der Vulkanismus noch lange nicht erloschen ist. Grund zur Sorge gibt auch der Umstand, dass sich der Boden an der Küste Pozzuolis hebt und senkt. Diese Bodendeformationen spielen sich nicht im Zentimeterbereich ab, wie es in anderen Vulkanregionen typisch ist, sondern hier sind es gleich mehrere Meter, um die sich der Boden hebt und senkt. Dieses Phänomen wird Bradyseismos genannt. In der Region um Pozzuoli sind die Spuren der Bodendeformationen nicht zu übersehen: die Altstadt von Pozzuoli wurde stark beschädigt und musste aufwendig renoviert werden. Bereits zu Römerzeiten gab es Probleme mit dem Bradyseismos. Spuren von Bohrmuscheln an den Säulen des antiken Marcellum beweisen, dass sie mindesten 5 Meter tief im Wasser standen.

Unter Wissenschaftlern wird die Ursache des Bradyseismos kontrovers diskutiert. Eine mögliche Ursache wäre die Bewegung von Magma im Untergrund, die meisten Wissenschaftler sprechen heute von Fluidbewegungen. Das können hydrothermale Tiefenwässer sein, aber eben auch Magma.

Um die Geheimnisse dieses gefährlichen Vulkans auf die Spur zu kommen und um ihn besser überwachen zu können, wurde er nun angebohrt. Das Forschungsunternehmen findet in einer Kooperation zwischen deutschen Wissenschaftlern des GFZ-Potsdams und deren italienischen Kollegen vom INGV-Neapel statt. In einem 200 m tiefen Bohrloch wurden Instrumente versenkt, die dem Vulkan den Puls fühlen. Anwohner befürchteten, dass die Wissenschaftler mit ihrem Bohrgerät eine Katastrophe auslösen könnten, wenn sie die Magmakammer des Vulkans anbohren würden. Doch diese vermuten die Forscher in einer Tiefe zwischen 5 und 7 Kilometern, da gleicht die erreichte Bohrtiefe eher einem Mückenstich. Allerdings soll in einer 2. Bohrphase eine Tiefe von 2,5 km erreicht werden. Bei dieser Bohrung möchten die Forscher Bohrkerne entnehmen, um die Geschichte dieses rätselhaften Vulkans besser zu verstehen.

Im Augenblick sehen die Forscher keine direkten Anzeichen für einen bevorstehenden Supervulkanausbruch der Campi Flegrei. Allerdings ist ein normal starker Ausbruch jederzeit möglich. Wie lange die Vorwarnzeit für Evakuierungsmaßnahmen in der dicht besiedelten Region wäre, lässt sich nicht sagen. Mit etwas Glück schlagen die Vulkanologen schon Tage vor einem möglichen Ausbruch Alarm, unter Umständen bleiben den Menschen nur wenige Stunden Zeit ihre Häuser zu verlassen. Einige Gebäude stehen direkt am Rand der Solfatara und in einem Teil des Kraters befindet sich ein Campingplatz. Wer einmal den Atem des Vulkans hautnahe erleben möchte, sollte hier eine Nacht verbringen. Natürlich nur, solange kein Ausbruch droht.