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Der Arzt als Droge: DFG fördert deutsche Placebo-Effekt-Forschung

Die DFG tritt in die Fußstapfen von Benjamin Franklin: 2,6 Millionen Euro für die Erforschung der Wirkung des Placebo- und Nocebo-Effektes im FOR 1328.

„Ich werde gefallen“, bedeutet wörtlich übersetzt das lateinische Wort Placebo: Dem einen gefällt unter den Namen Placebo momentan die Musik einer Londoner Alternative Rockband, dem Verband forschender und werbender Arzneimittelhersteller misfällt manchmal das Ergebnis placbokontrollierter Doppelblindstudien; denn ein Placebo ist ein Scheinmedikament, es enthält keine pharmakologisch aktiven Wirkstoffe, es ist rein äußerlich von einem echten Medikament (Verum) nicht unterscheidbar. Obwohl es ohne pharmakologisch aktiven Wirkstoff keine pharmakologische Wirkung haben kann, treten trotzdem manchmal beim Patienten Wirkungen auf – der Placeboeffekt. Nun hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) insgesamt 2,6 Millionen Euro zur Erforschung der Placebowirkung zur Verfügung gestellt, dies gab Forschungsleiter Prof. Dr. Paul Enck vom Universitätsklinikum Tübingen am 09. November 2010 bekannt.

Placebos werden als Tabletten, Pillen oder Tropfen bei der Medikamentenprüfung eingesetzt

Placebos werden als Kontrolle bei der Medikamentenprüfung eingesetzt, bei so genannten placbokontrollierten Doppelblindstudien wird das Scheinmedikament mit dem zu prüfenden echten Verum-Arzneimittel verglichen, wobei das echte Medikament natürlich besser als das Scheinmedikament wirken sollte. Bei solchen klinischen Studien kommen manchmal erstaunliche Ergebnisse heraus: So fand man bei Patienten mit Hüft-Arthrose und Knie-Arthrose, dass die beliebten Nahrungsergänzungsmittel Glucosamin-Hydrochlorid und Chondroitin-Sulfat nur als Scheinpräparate wirken. Verblüffend ist diese Untersuchung bei Arthrosepatienten, da sowohl Glucosamin und Chondroitin als auch das Placebo-Scheinmedikament bei über der Hälfte aller Patienten den Arthroseschmerz reduzieren können. Das Placebo-Medikament zeigt also ohne pharmakologisch aktiven Wirkstoff beim Patienten eine Wirkung – der Placeboeffekt.

Der Arzt wirkt in der Arzt-Patienten-Interaktion als Droge

Verursacht werden kann die Placebowirkung beim Patienten zum Beispiel durch die so genannte Erwartungshaltung. Hat dem Patienten früher schon einmal ein Medikament gegen Schmerzen geholfen, nimmt er an, dass das neue Medikament wieder hilft. Daneben spielt die so genannte unbewusste Konditionierung eine Rolle, sogar die Applikationsform des Arzneimittels ist nicht zu unterschätzen, ob also die Pillen grün, grau oder blau gefärbt sind. Auch die Arzt-Patienten-Beziehung kann wichtig sein: Die Wirkung von Medikamenten können vom Arzt hervorgerufen oder verstärkt werden, er kann den Patienten bewusst oder unbewusst beeinflussen, die Erwartung des Patienten durch Heilsversprechen fördern sowie durch persönliche Zuwendung und Einfühlsamkeit verbessern – dies zeigt eine neue Studie über die rheumatoide Arthritis. Auch die Wirkung vieler homöopathischer Medikamente wird durch den Placeboeffekt erklärt, da die pharmakologisch aktive Wirkstoffmenge zu gering ist – so zum Beispiel bei den Schüßler-Salzen Magnesium phosphoricum oder Ferrum phosphoricum.

Die Placebo-Forscher der DFG treten in die Fußstapfen von Benjamin Franklin

Die Placeboforschung der DFG entwickelt keine Placebos als Medikamentenersatz, sondern untersucht die Frage, warum Scheinmedikamente manchmal so gut wie echte Medikamente wirken können – welche biologischen Mechanismen dahinter stecken. Dabei existiert eine ernst zu nehmende Placeboforschung erst seit knapp zehn Jahren, obwohl schon der Erfinder des Blitzableiters im Jahre 1784 den ersten dokumentierten Placeboversuch unternahm: Einer der Gründerväter der Vereinigten Staaten namens Benjamin Franklin widerlegte damals den vom deutschen Arzt Franz Anton Mesmer propagierten „Mesmerismus“. Die DFG-Forschergruppen erforscht dagegen die Placebowirksamkeit bei akutem Schmerz an gesunden Probanden und bei chronischen Schmerzpatienten, widmen sich Patienten mit Morbus Parkinson, untersuchen die Wirksamkeit bei Magen-Darm-Funktionen und ihren Störungen, bei immunologischen Funktionen und Krankheiten sowie bei Patienten vor und nach Herzoperationen. Dabei wird auch der so genannte Nocebo-Effekt untersucht, hier zeigen wirkstofffreie Scheinmedikamente krankmachende Effekte (Nocebo: „Ich werde schaden“).

Die deutsche Placeboforschung setzt sich mit Forschergruppe 1328 weltweit an die Spitze

Das dreijährige DFG-Forschungsprojekt nennt sich „Erwartungen und Konditionierung als Basisprozesse der Placebo- und Nocebo-Reaktion: Von der Neurobiologie zur klinischen Anwendung“, wobei die Forschergruppe 1328 auch mit FOR 1328 abgekürzt werden kann. Beteiligt sind Wissenschaftler an den Universitätsklinika in Essen, Düsseldorf, Hamburg, Mannheim, Marburg und Tübingen. Insgesamt sind die experimentellen und klinischen Forschungsvorhaben auf sechs Jahre angelegt, damit nimmt Deutschland weltweit einen Spitzenplatz in der Placeboforschung ein. Die Leiter der Forschergruppe sind PD Dr. Bingel aus Hamburg und Prof. Enck aus Tübingen, Sprecher sind Prof. Rief aus Marburg und Prof. Schedlowski aus Essen. Internationale Kooperationen gibt es zum Beispiel mit dem renommierten Placeboforscher Prof. Benedetti von der Universität Turin in Italien.