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Die Romantheorie von Carl Einstein

Carl Einstein definiert den Roman Anfang des 20. Jahrhunderts neu. Sein Werk „Bebuquin“ bricht radikal mit der traditionellen Literatur.

Seit der Romantik erlebt die Gattung des Romans immer wieder Modernisierungsschübe, da durch die permanenten gesellschaftlichen Veränderungen auch die Modernisierung in der Literatur nicht ausbleibt. So sehen sich Realismus, Naturalismus, Symbolismus, Futurismus, Expressionismus und die anderen Avantgardebewegungen um 1900 gegenüber der vorhergehenden Strömung jeweils als moderner.

Die Romantheorie von Carl Einstein: Die Forderung nach einem autonomen Roman

In seiner Theorie zum Roman wendet Carl Einstein seine Überlegungen zur bildenden Kunst auf die Prosa an und verfasst zweierlei Aufsätze, in welchen er sich mit seinen Vorstellungen zum Roman auseinandersetzt. 1911/12 erscheint in der Zeitschrift Pan das Essay Brief über den Roman, das 1916 unter dem Titel Didaktisches für Zurückgebliebene im Essayband Anmerkungen veröffentlicht wird. Ebenfalls 1912, fast zeitgleich mit dem Abdruck der ersten vier Kapitel des Bebuquin in der literarisch-politischen Wochenschrift Die Aktion, erscheint in derselben Zeitschrift der Aufsatz Ueber den Roman.

Carl Einstein begreift die realistische Darstellung der Wirklichkeit für ein Zeichen von künstlerischer Schwäche begreift. Sein Ziel besteht hingegen darin, durch die Literatur eine eigene Wirklichkeit zu erschaffen. Einstein lehnt sowohl die realistische Schreibweise ab, sowie die Beschreibung bestimmter realistischer Ereignisse wie beispielsweise Geburt und Tod.

Aufgrund dieses Verzichts auf Muster, durch die die Figuren charakterisiert werden, und auf die Bestimmbarkeit der Ereignisse und Verknüpfungen, entsteht unausweichlich eine neuartige Struktur des Erzählens, die Einstein “eine gesetzmäßige Willkür” nennt. Er grenzt sich somit gegen eine realistische, kausal-psychologisch motivierte Literatur ab.

Einstein geht sogar so weit, den Begriff “Roman” abzulehnen und stattdessen die Bezeichnung “Epos” vorzuziehen. Dieser Begriff spiegelt den engen Zusammenhang mit Einsteins Überlegungen zur Kunst wieder, insbesondere mit dem Kubismus, da sich der Terminus sowohl in der Malerei als auch in der Literatur an Epochen orientiert, in der die Kunst ein Ganzheitliches, eine ästhetische und religiöse Synthese darstellte. Nach Einstein soll der Romanschriftsteller, verstanden als Epiker, die Distanz zu seiner eigenen Person wahren und sich gleichzeitig voll und ganz auf das Eigenleben der Romanfiguren konzentrieren.

Die Forderung nach einem autonomen Roman beinhaltet die Vorstellung, dass die einzelnen Figuren keinem äußeren Zwang ausgesetzt sind, sondern einer inneren Logik gehorchen. Einstein kritisiert die mimetische Kunst, die sich auf die Wirklichkeit bezieht und fordert hingegen die Auflösung des Gegensatzes zwischen Leben und Literatur. Er zielt auf eine Überwindung der Subjekt-Objekt-Spaltung ab, das totale Kunstwerk soll den neuen Mythos stiften.

Die Romantheorie von Carl Einstein und der dazugehörige Roman Bebuquin

Diese Theorie steht in engem Zusammenhang mit der Praxis. 1912 wird Carl Einstein’s Bebuquin veröffentlicht. Mit diesem Prosastück begeht Einstein einen radikalen Bruch in der traditionellen Literatur. Nachdem in der Forschung die Wirkung des Romans auf andere Autoren zu Beginn des 20. Jahrhunderts, darunter Hugo Ball und Gottfried Benn, entdeckt, sowie der unzeitgemäße Charakter des Textes literaturhistorisch rekonstruiert wird, besteht heute Einigkeit über den herausragenden Stellenwert des Romans. Es ist unbestritten eines der epochenmachenden Schriftstücke, das jene „einheitliche Färbung“, jenes „einheitliche Gefühl von Goethe bis George und Hofmannsthal“ ganz und gar in Frage stellt, so Benn.