Für Diätassistenten

Diätassistenten im geriatrischen Ernährungsmanagement- ein Erfahrungsbericht. Humor ist wenn man trotzdem lacht

Ich komme hinein in das Alten- Pflegeheim und ich finde, dass es einen echt guten Eindruck macht. Vorne am Empfang steht eine kleine Sitzgruppe. Ich gucke zur Uhr- 5.55 Uhr- in 5 Minuten soll ich von der Küchenleitung abgeholt werden. Ich möchte mir einen ersten Überblick verschaffen und dafür werde ich eine Woche lang in den einzelnen Abteilungen hospitieren. Anfangen möchte ich in der Küche. 6.00 Uhr. Niemand da. Ich werde unruhig, eine persönliche Macke, diese Pünktlichkeit. Ich warte bis 10 nach 6 Uhr. Es kommt mich niemand holen. Ich beschließe mich auf die Suche nach der Küche zu machen. Ich muss nicht weit suchen und werde schnell fündig.

Mein erster Eindruck dieser Einrichtung wird schnell revidiert. Ich sehe die Küchenleitung und deren Mitarbeiter am Brote streichen, gekochte Eier pellen, Essenskarten hin und her schieben und Kaffee mit Milch in große Kannen abfüllen. Alles nebenbei bemerkt ohne Haube und ohne Handschuhe. Ein weiterer Mitarbeiter, seines Zeichens Koch, streut Malto in kochende Milch, ohne Maßbecher.

Auf Anfragen bezüglich unserer Verabredung am Empfang bekomme ich die Antwort, dass es so klar nicht weitergeben wurde. Ich vermerke mir schon mal innerlich, dass Kommunikation wohl ein Thema zu sein scheint.

Dass ich da bin scheint nicht für Begeisterung zu sorgen, ich halte mich im Hintergrund, schaue zu und stelle Fragen zu meinem Verständnis der Abläufe.

Nach knapp zwei Stunden (!) hatte ich eine Liste in meinen Unterlagen:

– Essenskarten werden bei Einzug erstellt. Dort wird festgelegt, was der Bewohner bekommt. Ganz genau. Auch wenn er Diabetes hat. Er bekommt nichts mit Zucker. Also so halb. Im Kaffee schon, da schmeckt ja kein Süßstoff drin. Wenn der Bewohner Demenz hat wird das vermerkt, aber es folgt daraus keine Handlung.

– Es gibt püriertes Essen. Ohne Worte. Für wen? Warum? Unklar. Es sieht aus wie undefinierbare Pampe.

– Kaffee und Milch werden bereits gemischt ausgegeben- die meisten trinken ja schließlich ihren Kaffee blond.

– Für die hochkalorischen Bewohner gibt es als Zwischenmahlzeit hochkalorische Suppen, in süß und pikant. Malto wird nach Augenmerk gestreut- für alle- das hat man nach den Jahren halt raus, wie viel da rein muss…

– Der Kochprozess für das Mittagessen besteht im Wesentlichen vom Aufwärmen von Fertigprodukten. Die Älteren mögen das mit viel Frische und Gemüse. Aha…

– Es gibt im Kühlhaus überwiegend abgepackte Produkte- Obst und Gemüse fehlen. Es ist kein System zu erkennen im Warenbestand. Keine klare Linie. Man will vorbereitet sein. Ach so.

– Mit Handschuhen und Haube wird hier eigentlich gearbeitet. Warum heute nicht ist irgendwie unbegreiflich. Naja zum Brot schmieren ist es auch ohne Handschuhe sowieso einfacher.

– Brote werden fertig für den Bewohner geschmiert, da ja auf den Essenskarten drauf steht was er möchte. Die Karte wird nur bei Einzug ausgefüllt. Der eine Bewohner, der mit dem Käsebrot ohne Rinde, ist schon fast 2 Jahre da. Hat er was mit den Händen? Die Frage sorgt für Verwirrung. Ich frage da jetzt erst mal nicht mehr nach.

– Die Eier werden alle gepellt. Das ist Service des Hauses. Außerdem können die Alten das nicht mehr so.

– Es gibt ein ganzes Regal (5 Böden!) mit laktosefreien Produkten. Manche mit Sinn, die meisten eher weniger. Diese Kosten! Wow. Sind alle Bewohner hier laktoseintolerant? Nein, derzeitig einer. Gut.

– Bei der Essensausgabe (ca. 50 Essen) stehen 4 Mitarbeiter um die Ausgabe. Der Teller hat heute 2 Komponenten. Zwischendurch muss nichts abgedeckt werden, das hält so auch warm. Woher man das weiß? Stecken Sie doch mal den Finger rein! Und Temperatur messen? Das wird nicht gebraucht, wie gesagt, das merkt man auch so. Man sei schließlich schon 15 Jahre lang Koch.

– Dokumentation für Temperatur und Hygiene gibt es keine.

– Die Küche verteilt die Post.

– Die Kommunikation untereinander ist fragwürdig.

– Teamarbeit im Sinne von Zusammenarbeit der verschiedenen Berufsgruppen gibt es nicht. Wieso? Jeder hat doch seinen Bereich. Was hat der andere damit zu tun?

– Der Blick auf den Speiseplan verwirrt- warum gibt es nicht täglich Dessert? Und warum manchmal auf 1 aber nicht auf 2? Nein, das ist so ja auch nicht richtig. Es gibt schon jeden Tag Dessert. Steht halt nur nicht drauf. Und was ist denn Fleischsoße? Ich will die Antwort im Nachhinein nicht wissen.

Kein Konzept. Keine Kostformendefinition. Kein System. Kein Gar nichts. Und keine Ahnung wo ich anfangen soll.

Die Liste soll im Laufe der Woche noch länger werden. Das trägt aber nicht zur Beruhigung oder Klarheit bei.

Ob es nötig ist eine Diätassistentin einzuschalten? Dieser Heimleiter hat es erkannt. Er kommt nicht drum rum. Warum? Weil es hier an Experten bezüglich Ernährung und Verpflegung fehlt. Punkt.

Fazit:

– Bewohner sind nicht bedarfsgerecht ernährt, keine seniorengerechte Verpflegung

– Bewohnerbedürfnisse werden teilweise erfasst, aber nicht berücksichtigt

– Prozessbeschreibungen bezüglich wichtiger Themen wie Mangelernährung gibt es nicht

– Ernährungskonzept fehlt, Speiseplan nicht seniorengerecht

– Kostformen nicht klar definiert, bedarfsadaptierte Kostformen gibt es nicht

– Mitarbeiter sind unzureichend geschult, Wissen teilweise veraltet

– Multidisziplinäre Zusammenarbeit gibt es nicht

– Küchenführung mangelhaft, fehlende Struktur, keine Dokumentation

– Wichtige zeitaktuelle Themen wie Kau-und Schluckstörungen werden ausgeblendet

– Zusatznahrung wird nicht individuell berechnet sondern für alle gleich (schlecht) gegeben

Aber: ein Heimleiter, der Bedarf an Veränderung sieht. Meine erste Ressource in diesem Haus.

Als Freiberufler haben wir hier eine große Chance. Diesem Heimleiter habe ich zunächst meine Dienstleistung schriftlich angeboten, danach folgte ein klares und strukturiertes Konzept, welches natürlich auch den betriebswirtschaftlichen Nutzen dieses Hauses im Blick hat. Ziel: Implementierung des aktuellen Expertenstandard- unsere Chance- da nur wir über das absolut notwenige Fachwissen darüber verfügen. Das bei dem Konzept zusätzlich eine Verbesserung der Gesamtsituation (Schnittstellen, Teamwork, Küchenorganisation, Steigerung der Bewohnerzufriedenheit usw.) auf kompetenten Weg stattfindet weckt den Schaffensgeist im Heimleiter.

Wenn nicht wir wer dann?

Gerade in der Freiberuflichkeit haben wir als Diätassistenten eine enorme Möglichkeit uns professionell und kompetent zu positionieren. Der Expertenstandard hat uns jetzt noch offiziell dazu die Türen geöffnet.

Ob in Alten- und Pflegeheimen, Krankenhäusern oder ambulanten Pflegediensten- der Bedarf an wirklichen Experten ist enorm hoch. Hier können wir, nein wir müssen, unser Können und unser Wissen anbringen. Denn nochmal: wenn nicht wir wer dann?

Qualitätssicherung in der Altenpflege ist ein wichtiges Thema!

Im SGB XI kann man lesen, was unter Qualitätssicherung in der Altenpflege zu verstehen ist. Es gibt im Grunde drei wichtige Qualitätsanforderungen für die Prüfung durch den MDK:

Strukturqualität bezieht sich auf die materiellen und personellen Rahmenbedingungen, z.B. Anzahl, Qualifikation, Fortbildungsstand der Mitarbeiter, Stellenbeschreibungen, Organigramme, Ausstattung der Einrichtung usw.

Prozessqualität bedeutet die sichere Beherrschung der Arbeitsprozesse, z.B. Pflegeplanung, Dokumentation, Pflegestandards usw.

Ergebnisqualität bezieht sich auf den Pflegezustand, das Wohlbefinden und die Zufriedenheit der Bewohner / Patienten / Kunden.

Diese drei Punkte werden bzw. wurden durch den MDK anhand umfangreicher Checklisten sowohl in der Einrichtung, als auch beim Bewohner selbst beurteilt.

Der Einsatz einer Diätassistentin kann nun zum Tragen kommen, denn die Einrichtungen mussten sich auf die Prüfung gut vorbereiten. Unter anderem gehören dazu:

• Information und Schulung der Mitarbeiter/innen und

• Erstellung eines Qualitätsmanagement-Handbuches zur Erfüllung der formalen Anforderungen des § 80 SGB XI.

• Schulungen im Umgang mit ihren Dokumentationen und Pflegeplanungen, so dass ein praktische Nutzen für alle Beteiligten entsteht.

Hier ist natürlich eine Chance um aktiv zu werden. Folgende Möglichkeiten werden als rein praktische Beispiele aufgeführt:

– Erstellung eines Ernährungskonzeptes

– Erstellung eines Kostformenkataloges (Bedarfsgerechte Ernährung!!!)

– Sachgerechtes Vorgehen bei Mangelernährung

– Sachgerechtes Vorgehen bei Kau- und Schluckstörungen

– Einführen und Definition verschiedener Kostformen und Konsistenz (z. B. Fingerfood, usw.)

– Definition von hochkalorischer Kost

– Seniorengerechte Speiseplangestaltung

– Bedürfniserhebung, Bedürfnisorientierte Ernährung

– Bedarfsdeckung bei…

– Screening und Assessment

– Prozessbeschreibung

– Schnittstellenversorgung

– Mitarbeiterschulung

Ein/ e Diätassistent/ in kann folglich sich hier ein breites Arbeitsfeld aufbauen. Wichtig ist nur, dass wir als Berufsgruppe an dem Punkt auch aktiv werden und uns als professionelle Experten in Sachen Ernährung und Verpflegung von Senioren präsentieren. Wo ist die Zukunft einer Diätassistentin? Wir müssen klar zeigen, dass es unseren Beruf zu Recht gibt und gerade in der Geriatrie ist der Bedarf an Fachwissen enorm hoch. Doch wir müssen das auch klar zeigen und deutlich machen. Dazu gehört, dass wir wissen wo die Schwachstellen in der geriatrischen Versorgung sind und wie wir diese einerseits klar aufzeigen und andererseits helfen zu beheben. Welchen Mehrwert bekommt das Gesundheitssystem durch den Einsatz einer Diätassistentin? Um eine Verbesserung in der Verpflegung von Senioren zu erreichen bedarf es zweifelsohne den Einsatz einer Diätassistentin, um häufig auftretende Fehler in der Versorgung älterer Menschen zu vermeiden. Die Geriatrie benötigt Diätassistenten.

Als Freiberufler gehört auch das Wissen um den eigenen Wert im Sinne des Honorars genauso dazu. Auch wenn die Freiberuflichkeit als Nebentätigkeit ausführt wird, so sollte die Bezahlung auch die eines Experten sein.

Viele freiberufliche Diätassistenten scheuen sich davor ein für ihre Arbeit angemessenes Honorar zu verlangen, meist aus Angst, dass der Kunde nicht zahlen will/ kann und somit abspringt. Qualität hat ihren Preis- so muss es auch sein. Als Grundlage wurde vom VDD 1€/min veranschlagt- durchaus angemessen und völlig legitim. Eine angemessene Bezahlung gehört zu einem professionellen und ernst zu nehmenden Auftreten zweifelsfrei dazu.

Die Geriatrie ist für Freiberufler derzeitig eine gute Plattform um tätig zu werden. Sie bietet eine breite Palette von Möglichkeiten und fordert Kreativität, Einsatz und Kompetenz- alles was ein Diätassistentenherz begehrt. Packen wir es an!

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