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    Categories: Technik

Geothermie in Neustadt-Glewe

Seit 1994 wird die Stadt Neustadt-Glewe überwiegend mit Erdwärme beheizt. Seit 2003 wird die Erdwärme zusätzlich zur Stromerzeugung genutzt. Im Süden von Mecklenburg wird mit Erdwärme geheizt und Strom erzeugt.

Unter dem Norddeutschen Tiefland befinden sich porösen Sandsteinschichten. In denen hat sich Wasser angesammelt, das sich erwärmt hat. Dieses Thermalwasser kann zur Energieerzeugung genutzt werden. In Neustadt-Glewe wurde 1984 ein Projekt gestartet, um die Erdwärme zu nutzen. Ziel war die Wärmeversorgung eines Wohngebietes und die Lieferung von Prozesswärme für ein Lederkombinat.

Das Erdwärme-Heizwerk Neustadt-Glewe

1988 wurde eine erste Bohrung bis in 2455 m Tiefe niedergebracht. Dort fand sich fast 100°C heißes salzhaltiges Thermalwasser in einer gut durchlässigen Sandsteinschicht. Ein Jahr später wurde in 1,5 Kilometer Entfernung bis auf 2335 m Tiefe gebohrt. Über die zweite Bohrung wird das salzhaltige Thermalwasser nach seiner Nutzung wieder in den Untergrund verbracht.

Nach 1989 stockte das Projekt, da der wichtige Wärmekunde, das Lederwerk, stark schrumpfte. 1992 wurde dann die „Erdwärme Neustadt-Glewe GmbH“ gegründet. Sie sollte das Projekt nun realisieren und in Zukunft betreiben. Das Bundesministerium für Forschung und Technologie, das Land Mecklenburg-Vorpommern und die Hamburger Elektrizitätswerke förderten das Unternehmen. Nach dem Ausbau der bereits vorhandenen Bohrungen und der Errichtung des Heizwerkes lieferte das Geothermie-Heizwerk Neustadt-Glewe seit Oktober 1994 Fernwärme in die Stadt.

Rund 10.000 Kilowatt geothermische Wärme kann das Heizwerk bereitstellen. Für Störungsfälle und extreme Wetterlagen steht ein Gaskessel mit ebenfalls 10.000 Kilowatt bereit. Etwa 16.000 Megawattstunden Wärme werden jährlich bereit gestellt.

Das Erdwärme-Kraftwerk Neustadt-Glewe

Es bot sich an, das geothermische Heizwerk Neustadt-Glewe durch ein kleines Erdwärmekraftwerk zu ergänzen. Denn in den Sommermonaten ist der Wärmebedarf gering. Dennoch muss auch im Sommer eine Mindestmenge Thermalwasser gefördert werden.

So wurde schon lange daran gedacht, aus der überschüssigen sommerlichen Erdwärme Strom zu gewinnen. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) bot ab 2000 die wirtschaftlichen Voraussetzungen für ein solches Vorhaben. Das EEG stellte Strom aus geothermischen Kraftwerksanlagen den übrigen regenerativen Energien gleich. Wegen der Einmaligkeit des Konzeptes stellte das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Fördermittel bereit. Die Vattenfall Europe AG ist mit knapp 95% der Haupteigentümer des Kraftwerkes.

Die Gesamtanlage in Neustadt-Glewe wird mit dem Vorrang für die Wärmeversorgung betrieben. Im Sommer läuft das Kraftwerk mit voller Leistung und speist 210 Kilowatt in das Stromnetz von Neustadt-Glewe ein. Bei niedrigen Außentemperaturen wird die Stromerzeugung eingestellt, weil dann die gesamte verfügbare Erdwärme zur Wärmeversorgung benötigt wird. Das Kraftwerk. Die Stromerzeugung entspricht dem Bedarf an elektrischer Energie von 500 Haushalten.

Das Erdwärme-Kraftwerk Neustadt-Glewe ist zwar nur eine vergleichsweise kleine Einheit. Aber sie hält nach Angeben von Vattenfall einen Weltrekord. Es ist das kälteste geothermische Kraftwerk der Welt. Denn das angelieferte Thermalwasser ist nur zwischen 71°C und 98°C kalt. Allgemein sollen geothermische Kraftwerke mit ca. 150°C heißem Dampf betrieben werden. Da ist zu 70°C schon ein gewaltiger Unterschied.

Bei diesem kalten Energieträger kann der Turbinenkreislauf nicht mit Wasserdampf betrieben werden. Das Erdwärme-Kraftwerk in Neustadt-Glewe nutzt die Technik der Organic-Rankine-Cycle.

Das Kraftwerk ist in einem Container bei der Förderbohrung untergebracht. Daneben stehen zwei Kühltürme die kompakte Transformatorstation. Die Anlage ist voll automatisiert und benötigt kein Betriebspersonal.

Die wissenschaftliche Begleitung

Das GeoForschungsZentrum Potsdam begleitet die Inbetriebnahme des ersten deutschen geothermischen Heizkraftwerkes in Neustadt-Glewe. Die Betreibergesellschaft stellt Daten zum Thermalwasser-, Kraftwerks- und Kühlkreislauf zur Verfügung. Diese werden unter verfahrenstechnischen und energiewirtschaftlichen Aspekten analysiert

Während der Planung des Kraftwerkes entwickelte das GFZ ein Messkonzept für das Kraftwerk. Damit kann eine vollständige Energiebilanz der Gesamtanlage erstellt werden. Auch die Analyse der Komponenten, vor allem der Turbine, ist möglich.

Die Bedeutung

Die Anlage in Neustadt-Glewe ist ein wichtiger Meilenstein in der geothermischen Technologieentwicklung in Deutschland. Die Pilotanlage demonstriert hierzulande erstmalig eine geothermische Stromerzeugung. Und sie macht es möglich, theoretische Berechnungen mit realen Kraftwerksdaten zu untermauern. Die wissenschaftliche Begleitung führt auf den Weg zu einer wirtschaftlichen geothermischen Stromerzeugung.

Das Erdwärme-Kraftwerk Neustadt-Glewe ist sicher kein Prototyp für die Nutzung von Geothermie für die Grundlasterzeugung in Großkraftwerken. Aber es beweist, dass auch Energiequellen mit vergleichsweise niedrigem Energiegehalt zur Stromerzeugung nutzbar zu machen sind.