Gute Manieren – auch im Blaumann

Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance. Heutzutage herrschen zuweilen raue Umgangsformen. Aber gutes Benehmen ist nicht überholt, sondern „die verborgene Quelle des Selbstvertrauens“.

Schnelllebigkeit und Nachlässigkeit, aber auch Ellenbogengesellschaft und Egoismus führen heutzutage dazu, dass die Umgangsformen rauer werden. Die Medien zeigen durchweg Film- und Musikidole, die „coole“ Verhaltensweisen an den Tag legen. Kaum verwunderlich, dass sich eine große Verunsicherung darüber breit macht, was gutes oder schlechtes Benehmen ist.

Als keineswegs verstaubt möchte Georg Stiels gute Umgangsformen verstanden wissen. „Etikette hat etwas mit allgemeinen menschlichen Regeln zu tun“, sagt der 41-Jährige. Er hat die Unsicherheit über richtiges oder falsches Auftreten von Firmen und Privatpersonen zu seinem Beruf gemacht. „Imageconsulting“ nennt er das, was er seit 2003 erfolgreich betreibt. Zu seinen Kunden zählen Verkäufer, Sekretärinnen und Außendienstmitarbeiter namhafter Großunternehmen ebenso, wie mittlerweile auch Mittelständler, die sich die Frage nach dem Erscheinungsbild ihrer Firma stellen. „Ein Handwerker, dem egal ist, wie er aussieht, kommt nicht gut an“, sagt der Imageberater, dessen eigene Karriere so unterschiedliche Stationen wie ein Kloster und die Modeateliers namhafter Designer beinhaltet.

Die ersten Sekunden sind entscheidend

Die Beschäftigung mit Äußerlichkeiten hat für den studierten Philosophen und Theologen nichts mit Oberflächlichkeit zu tun – im Gegenteil: Die ersten sieben Sekunden beim Zusammentreffen zweier Menschen hinterlassen einen Eindruck, den man später kaum noch korrigieren kann.

Das wusste schon Adolph Friedrich Ludwig Freiherr von Knigge. Von seinen vielzähligen Veröffentlichungen ging nur sein Grundlagenwerk „Über den Umgang mit Menschen“ als „der Knigge“ in die Geschichte ein. Bis dahin war das Wort „Etikette“ als genau vorgeschriebenes Verhalten an einem Königs- oder Fürstenhof bekannt. Heute bezeichnet man damit perfekte Umgangsformen und Stil. „Etikette sollte nicht aufgesetzt wirken. Vielmehr gehört sie zum persönlichen Stil eines Menschen. Nur was von Herzen kommt, kann auch die Herzen anderer Menschen erobern“, sagt der Stiltrainer Jan Schaumann.

Immer mehr junge Leute erkennen heute die Notwendigkeit, einen guten Eindruck zu hinterlassen, sei es beim Kennen lernen der zukünftigen Schwiegereltern, beim Vorstellungsgespräch oder beim ersten Kundenkontakt. Aber haben Benimmregeln, wie sie früher von den Eltern auf die Kinder weitergegeben wurden, heute noch ihre Gültigkeit? „Gutes Benehmen ist immer das, was der Gesprächspartner als solches empfindet“, sagt die Personalberaterin Anja Thiel, die ihren Klienten zu mehr Selbstsicherheit und persönlicher Ausstrahlung bei Kundenbesuchen verhelfen will.

Tischmanieren und Dress Codes

„Darüber, was gutes Benehmen ist, herrscht Unsicherheit“, hat auch Andreas van Hasselt festgestellt. Deshalb bietet er in seiner Tanzschule in Köln Benimmkurse an, die sich wachsender Beliebtheit erfreuen. Darin geht es um gegenseitiges Vorstellen, Bewerbungsgespräche, Tischmanieren und Dress Codes. Die 14- bis 16-jährige Klientel ist oft verblüfft, wenn sie zum Beispiel erfährt, dass man seine Serviette nicht zerknüllt oder nicht in Turnschuhen zum Vorstellungsgespräch erscheinen sollte.

„Wie ziehe ich mich dem Anlass entsprechend an, ohne verkleidet zu wirken?“ wird auch Georg Stiels oft gefragt. Er hilft seinen Kunden, ihren eigenen Kleidungsstil zu finden. „In Deutschland wird Gleichmacherei als positiv angesehen“, bedauert er und rät dazu, im Alltag ruhig auch farbliche Akzente zu setzen.

In seinen Seminaren vermittelt Stiels, dass sich ein optimales Erscheinungsbild im Beruf nur mit zeitgemäßen Umgangsformen erreichen lässt. Dabei hat echte Höflichkeit nur am Rande mit Etiketteregeln zu tun. Im Gespür für einen respektvollen Umgang miteinander liegen für den Lifestyle-Experten auch „die verborgenen Quellen des Selbstvertrauens“.

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