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Musikstudium in Deutschland: Kinderchorleitung

Ein pädagogisches Zusatzangebot für Musikstudenten. Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen im Laienchor rückt an deutschen Musikhochschulen wieder stärker in den Mittelpunkt.

„Singen tut nicht Not“, befand Adorno in seiner „Ideologie- und Singekritik“ von 1954. Mit dem deutschen Kritiker und Philosophen wandte sich in den fünfziger Jahren auch die westdeutsche Nachkriegsgesellschaft von dieser als ideologisch belastet empfundenen Tradition ab. Nach und nach setzte so eine Degeneration der deutschen Gesangskultur ein, Gesangsvereine überalterten und in vielen Schulen spielte das Singen im Unterricht kaum noch eine Rolle. Dieser Trend kehrt sich nun seit einigen Jahren wieder um. Es wird viel getan im Verbandswesen, um Menschen wieder verstärkt für das Singen einzunehmen. Das Klischee des überalterten Männergesangsvereins soll verschwinden und so bemüht man sich heute besonders in Schulen und Gemeinden um den Kinder- und Jugendbereich.

Renaissance – neue Lehraufträge an Musikhochschulen

Jugendarbeit im Chorwesen benötigt qualifizierte Fachkräfte, deshalb werden derzeit an den Hochschulen entsprechende Lehrangebote geschaffen. Das Erzbistum Köln hat beispielsweise eine zweigeteilte Professur im Chorbereich gestiftet: Zum Sommersemester 2008 hat an der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf der Lehrstuhl für Laienchorpädagogik seine Arbeit aufgenommen und an der Hochschule für Musik Köln der Lehrstuhl Kinderchorleitung – Singen mit Kindern. Ein Masterstudiengang Kinderchorleitung wird in Köln derzeit konzipiert, zunächst aber sind die Veranstaltungen noch ein Zusatzangebot für Studierende aus den Bereichen Lehramt und Kirchenmusik beider Konfessionen.

Robert Göstl hat diese neu eingerichtete Professur in Köln angetreten und ist damit nach Werner Schepp (Folkwang Hochschule Essen) der zweite deutsche Hochschulprofessor im Bereich Kinderchorleitung. Der ehemalige Leiter der Grundschule der Regensburger Domspatzen Göstl ist sehr angetan vom großen Interesse, das bei den Studenten an seinem Lehrangebot besteht. „Die Gesangspädagogik erlebt derzeit vor allem in den höheren Schulen eine richtige Renaissance. In Stellenausschreibungen für Kirchenmusiker werden diesbezügliche Qualifikationen meist explizit gefordert und auch die Schulmusikstudenten werden sehr früh auf den großen Bedarf in diesem Bereich hingewiesen. Generell kann man feststellen, dass Kirchenmusikabteilungen an Hochschulen, die sich ausschließlich auf den künstlerischen Bereich konzentrieren, im Schwinden begriffen sind.“

Die Krise im Chorwesen ist noch nicht vorbei

Noch sind die Auswirkungen der jahrelangen Geringschätzung nicht ausgestanden. Große Teile der heutigen Eltern- und Lehrergeneration sind in den 70er- und 80er-Jahren herangewachsen, ohne selbst aktiv im Musikunterricht gesungen zu haben. Sie können hier keine Impulse geben. Der Tiefpunkt aus Sicht des Chorwesens ist, so Göstl, in 10 bis 15 Jahren zu erwarten. „Man kann ohne Übertreibung behaupten, dass die Kultur des Singens in Deutschland eine deutliche Krise durchlebt hat und weiterhin durchlebt. Es gibt aktuell zwar blühende Kinderchöre, aber die bestehen in weiten Teilen aus Mädchen und man wird in absehbarer Zeit große Probleme damit haben, Männerstimmen in Chören zu besetzen.“

Zusatz oder Master?

Die Hochschulen haben sich des Themas Kinder- und Laienchorleitung mittlerweile also angenommen. An einigen Hochschulen beschränken sich die Studienmöglichkeiten zwar wie in Köln noch auf pädagogische Zusatzangebote, aber ein Ausbau der Lehrangebote ist deutschlandweit festzustellen. Seit dem Wintersemester  wird an der Hochschule für Musik und Theater Hannover ein neuer Masterstudiengang Kinder- und Jugendchorleitung angeboten und auch an anderen Hochschulen werden diesbezügliche Konzepte diskutiert.