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Neuer Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Würzburg

Interview mit Prof. Marcel Romanos, dem neuen Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie des Universitätsklinikums Würzburg

Seit Anfang April 2012 wird die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Universitätsklinikums Würzburg von Prof. Marcel Romanos geleitet. Er trat die Nachfolge von Prof. Andreas Warnke an, der in diesem Jahr in den Ruhestand ging. Im Interview spricht der 37-Jährige über seine Verbindungen zu Würzburg, die Leistungsfähigkeit des von ihm übernommenen Hauses sowie die anstehenden Herausforderungen.

Welche Verbindungen haben Sie zu Ihrem Vorgänger Prof. Warnke?

Prof. Marcel Romanos: Ich kenne Prof. Warnke schon aus meinem Medizinstudium an der Universität Würzburg. In seinen Vorlesungen hat mich seine Empathie mit den Patientinnen und Patienten sehr beeindruckt – unter seiner Leitung war die Kinder- und Jugendpsychiatrie geradezu ein Kontrapunkt gegenüber der in vielen Bereichen oft sehr technischen Medizin. In meiner Karriere war er in jeder Hinsicht Mentor und Vorbild. Seine Fähigkeit, selbst in kompliziertesten Sachverhalten durch wenige gezielte Fragen auf den Kern der Dinge zu kommen, hat mir sowohl bei klinischen wie Forschungsfragen immer wieder geholfen, den roten Faden nicht zu verlieren.

Ihr Elternhaus steht in Memmingen. Wie sind Sie auf Würzburg als ersten Studienort gekommen?

Prof. Romanos: München war mir damals zu „schickimicki“, Ulm lag mir noch zu nahe bei meinem Heimatort und nach Tübingen war die Zugverbindung zu schlecht. Auf der Autobahn A7 war dann als nächstes Würzburg zu erreichen (lacht). Nach diesem pragmatischen Beginn habe ich den Medizin- und Lebensstandort Würzburg aus vielerlei Gründen sehr lieben gelernt. So sehr, dass ich zum Beispiel von einem zwischenzeitlichen Studienortwechsel nach Hamburg schon nach einem Jahr nach Würzburg zurückgekehrt bin. Heute schätze ich unter anderem die in Würzburg gepflegte Kultur der Hilfe, zum Beispiel durch den Verein Menschenskinder, oder die genau richtige Größe des Uniklinikums – groß genug, um Spitzenmedizin zu betreiben, aber auch klein genug, um mit seinen Kollegen aus anderen Fachrichtungen in einem persönlichen Kontakt zu bleiben.

Wie war Ihr Werdegang in der Kinder- und Jugendpsychiatrie?

Prof. Romanos: Nicht zuletzt wegen der positiven Erfahrungen aus dem Studium habe ich ein Tertial meines Praktischen Jahres in der Kinder- und Jugendpsychiatrie geleistet. Die Komplexität der neuropsychiatrischen Erkrankungen und der jeweiligen familiären Verhältnisse der jungen Patientinnen und Patienten hat mich fasziniert, so dass ich die Klinik auch für meine Zeit als Arzt im Praktikum gewählt habe. Später habe ich unter anderem auf der Intensivstation und in der Ambulanz der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie gearbeitet. Nach Abschluss meiner Habilitation nahm ich den Ruf auf eine W2-Professur an der Universitätsklinik München an. Dort habe ich eineinhalb Jahre lang die Institutsambulanz und Hochschulambulanz der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie geleitet. Außerdem war ich dort Lehrkoordinator und konnte meine Forschungen weiterverfolgen.

Stichwort Forschung: Was ist Ihr persönliches Spezialgebiet und welche weiteren Schwerpunkte sehen Sie für die Würzburger Kinder- und Jugendpsychiatrie?

Prof. Romanos: Bislang konzentrierten sich meine Forschungsarbeiten hauptsächlich auf die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) im Rahmen der Klinischen Forschergruppe 125. Neben diesem Schwerpunkt widmen wir uns in Würzburg speziell dem Autismus und den Zwangserkrankungen. Aktuell wird außerdem in Kooperation mit Prof Jürgen Deckert, dem Direktor der Würzburger Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, die Kooperation innerhalb eines Sonderforschungsbereichs etabliert, der sich interdisziplinär mit Angsterkrankungen befasst.

Interdisziplinäres Arbeiten wird bei Ihnen ja groß geschrieben…

Prof. Romanos: Wir kooperieren nicht nur eng mit der Erwachsenenpsychiatrie, sondern arbeiten ebenso intensiv mit Neurologen, Nuklearmedizinern, Neurochemikern, Pharmakologen, Dermatologen, Epidemiologen und vielen weitere Experten zusammen. Dies ist nach meiner Beobachtung ein Alleinstellungsmerkmal der Klinik ? und nicht umsonst sind wir in unseren wissenschaftlichen Themen in Deutschland führend. Unsere enge interdisziplinäre Vernetzung, auch im Bezug auf die klinische Versorgung beispielsweise mit der Schule oder der Jugendhilfe, wurde von meinem Vorgänger als „Würzburger Modell“ etabliert.

Auch in Punkto Größe und klinische Leistungen nimmt Ihre Klinik eine Spitzenstellung in Deutschland ein…

Prof. Romanos: Richtig! Wenige universitäre kinder- und jugendpsychiatrische Kliniken in Deutschland haben eine vergleichbare Größe oder ähnlichen Leistungsumfang. Obwohl wir keinen Versorgungsauftrag haben, haben wir – quasi in einer Art Selbstverpflichtung ? schon immer Versorgungsaufgaben übernommen. Wir haben neben einem großen therapeutischen Angebot in der Institutsambulanz über 70 Behandlungsplätze und bieten stationäre, tagesklinische und intensiv-psychiatrische Bereiche. Vor wenigen Wochen kam noch die neu eröffnete Klinik am Greinberg zu unserem Portfolio dazu. Dort können wir nun auch Kindern mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen gezielte Hilfe anbieten. Bis auf schwere Drogenabhängigkeit gibt es keine Einschränkungen hinsichtlich der Störungsbilder, die wir aufnehmen. Organisatorisch steht für uns im Augenblick im Vordergrund, die klinische Qualität zu sichern und auszubauen. In diesem Zusammenhang begrüße ich aktuell laufende, klinikumsweite KTQ-Zertifizierung als hervorragende Chance, um unsere Abläufe zu optimieren.

Apropos Optimierung: Welche Ansätze sehen Sie hierzu in der Lehre?

Prof. Romanos: In der Kinder- und Jugendpsychiatrie besteht nach wie vor ein hoher Bedarf an Nachwuchs und Fachärzten, so dass die Lehre und die Ausbildung extrem wichtig für die Zukunft der Kinder- und Jugendpsychiatrie sind. Die Lehre unter Prof. Warnke wurde immer hervorragend bewertet und unter unseren Studenten und Doktoranden finden wir unsere späteren Mitarbeiter. Daher ist es mir ein zentrales Anliegen, die Lehre weiter zu professionalisieren und vor allem die neuen Medien stärken zu involvieren. Außerdem plane ich, die Lehre durch ein internes Qualitätsmanagement und sowie Audits noch weiter zu verbessern.

Welche anderen Herausforderungen sehen Sie in der kommenden Zeit?

Prof. Romanos: Bisher noch nicht erwähnt habe ich die vielen anstehenden oder gerade abgeschlossenen Baumaßnahmen. Ich denke dabei neben der gerade in Betrieb genommenen Klinik am Greinberg an die Erweiterung der Intensivstation sowie den Bau eines neuen Therapiehauses oberhalb der bestehenden Klinik.