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Schwangerschaft mit oder ohne Gendiagnostik?

Segen und Fluch der diagnostischen Genforschung. Professor Dr. med. Gerhard Wolff, Leiter der genetischen Beratungsstelle in der Universität Freiburg, sprach über Grundlagen, Hoffnungen und Gefahren der Genforschung.

„30 bis 40 000 Gene sind bisher erforscht und mit jedem Ergebnis entstehen unweigerlich zahllose weitere Fragen. 13 113 Erbanlagen sind insgesamt bekannt, die Einzelstörungen hervorrufen können. Zum Beispiel sind fünf bis zehn Prozent der Krebskrankheiten genetisch vorprogrammiert“, klärte Professor Dr. med. Gerhard Wolff die Zuhörer im alten Fidelishaus in Sigmaringen auf.

Die Geschichte der Genforschung

„Eugenische Ideen und Utopien von einer reinen makellosen Menschheit hat es immer schon gegeben“, eröffnete er seinen Vortrag.

Im 4. Jahrhundert vor Christus war es Platon, der sich auch um die Praktiken der Familienplanung und Gesundheitsvorsorge bekümmerte. Es schloss sich die vor- und nachdarwinische Forschungsära an. In Deutschland geriet die Genforschung durch die Rassendiskriminierung im 3. Reich in Verruf, erläuterte Wolff weiter.

Nach dem Krieg wandten sich die Wissenschaftler bei der Genforschung eher der vorbeugenden Medizin und der vor- und nachgeburtlichen Gendiagnostik zu. Nur ein halbes Prozent der Neugeborenen leide unter Chromosomenstörungen. Dabei kommen polygame Störungen, die Herzfehler, Diabetes und Kreislauferkrankungen begünstigten, sehr häufig vor. Neu seien diese Defekte keineswegs, aber die Technik, Genstörungen aufzufinden, sei feiner geworden.

Von der chirurgischen zu einer umfassenden Sehweise

Ärzte seien oft rational und emotional mit den Fragen der Betroffenen überfordert. Aus diesen Gründen habe man an den Universitäten Genberatungsstellen eingerichtet. Deren Aufgabe besteht im Erkennen der Defekte, im Leisten von medizinisch und psychosozialen Hilfen und der Beratung bei einem Schwangerschaftswunsch.

Heute werde in der Genberatung Wert auf eine komplexe Interaktion zwischen dem Patienten und seiner Familie und dem Ärzteteam gelegt. Auch Selbsthilfegruppen leisteten da unersetzliche Hilfe, wo keine Heilung oder Behandlung möglich sei, lobte der Mediziner. Diese Gesamthilfe verhindere eine Stigmatisierung der Betroffenen.

Über Gendefekte informieren

Bevor sich jemand negativ über Erbgutschäden äußere, solle er bedenken, dass jeder 10. Mensch Träger von Stoffwechselstörungen sei und andere Erbgutschäden wie Augenerkrankungen sich häufen.

Anhand einer Krankheit, des erblich bedingten Veitstanzes, zeigte Dr.Wolff auf, das es von 1983 an zehn Jahre gedauert habe, um die veränderten Erbanlagen bestimmen zu können. Eine Heilung dieser zur Demenz führenden Erkrankung sei damit zwar noch nicht in Sicht, aber es könne eine präzisere Vorhersage bei gesunden Angehörigen getroffen werden. Dabei sei die Entscheidung der Betroffenen zu berücksichtigen, die von einer drohenden Krankheit nicht informiert werden wollen.

Wolff zeigte weitere Gründe für strikte Rahmenbedingungen bei einer vorbeugenden Diagnostik auf. Kinder und Jugendliche sollen an keiner Untersuchung teilnehmen. Diese Entscheidung könnten sie erst nach der Volljährigkeit treffen. Es sei zu beobachten, dass Menschen nach einer genetischen Beratung mit dem Ergebnis Genschädigung tief betroffen seien. Nachdem ihnen aber Hilfen geboten würden arrangierten sie sich auffällig rasch mit den Gegebenheiten. Eine Beratung in der Schwangerschaft setze oft da an, wo der Arzt Auffälligkeiten feststelle. Es gäbe die Möglichkeit der Ultraschall- und Fruchtwasseruntersuchungen. Der häufigste Grund von Genveränderungen sei das Alter der Mutter.

Defizit in der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen

In der Fragerunde äußerten sich viele Zuhörer besorgt über die Entwicklung in der Genforschung. Der Referent gab zu bedenken, dass die deutschen Grundlagenforscher zu wenige ihrer Forschungsergebnisse veröffentlichen. Sie haben eine gewisse Bringschuld, bekannte der Wissenschaftler. Es sei darum verständlich, dass sich viele Bürger speziell in Deutschland nicht informiert fühlen und über die Möglichkeit, höhere Lebewesen zu klonen, wild spekulieren.