Stonehenge – Das Rätsel des mystischen Tempels

Wer waren die Erbauer von Stonehenge und wozu diente die Anlage?

Seit der Mensch existiert, schaut er nach oben: Nachts sah er die Sterne leuchten, der Mond veränderte ständig seine Form und wanderte mal als schmale Sichel, mal als Vollkreis über den Himmel. Zwischen den verlässlichen Fixsternen gab es einige mit unruhigen Bahnen, die von den Griechen Planeten genannt wurden, Umherirrende. Im Laufe der Zeit entdeckte der Mensch Muster und Regeln in den Bewegungen der Sterne und gewann daraus Theorien über seine Welt und über Ursprung und Form des Universums. Und wenn Menschen heute mit modernen Teleskopen viele Millionen Lichtjahre ins Weltall hinaus blicken, dann versuchen sie immer noch, ein Weltbild zu erstellen und einen Platz im Universum zu finden.

Eines der beeindruckendsten Beispiele für prähistorische Astronomie sind die Steine von Stonehenge in Südengland. Die monumentale Anlage 130 Kilometer westlich von London entstand in drei Phasen zwischen 2100 und 1600 v. Chr. Die bis zu 50 Tonnen schweren Steine sind nach den Positionen der Sonnenwende und Tagundnachtgleiche angeordnet. Der Kreis, der heute jedes Jahr zur Sonnenwendfeier Scharen von New-Age-Aposteln, Neo-Druiden und Retro-Fans anlockt, war ein riesiger Kalender. Die systematische Beobachtung der Sonnenaufgangsorte machte es möglich, die Dauer eines Jahres zu bestimmen: die Zeit, bis die Sonne zum zweiten Mal am nördlichsten beziehungsweise südlichsten Aufgangsort in den Himmel steigt. Von den Sachsen wurde die Gruppe „Stonehenge“ oder „Hanging Stones“ (Hängende Steine) genannt. Die Schriftsteller des Mittelalters bevorzugten den Namen „Giant Dance“ (Tanz der Giganten).

Anfangs glaubte man, Stonehenge sei die Ruine eines römischen Tempels

Die erste wissenschaftliche Arbeit über Stonehenge wurde von König James I. initiiert. Als er im Jahr 1620 zu Besuch beim Earl of Pembroke war, wurde seine Neugier von einer Gruppe vertikal aufgestellter Steine geweckt. Er beauftragte den Architekten Inigo Jones, soviel wie möglich über diese Anlage herauszufinden. Jones untersuchte Stonehenge sehr genau und nahm exakte Messungen vor. Schließlich kam er zu dem Schluss, dass es sich dabei um die Ruine eines römischen Tempels handele, der um das Jahr 79 n. Chr. errichtet worden sei.

Durch das königliche Interesse wurden viele bekannte Persönlichkeiten nach Stonehenge gelockt. Der berühmte Flottensekretär Samuel Pepys war einer der Ersten. Nach seinem Besuch im Juni des Jahres 1668 notierte er, das Stonehenge seinen kühnsten Vorstellungen voll und ganz entsprochen habe und die Reise mit Sicherheit wert gewesen sei. Gott allein wisse, wozu es gedient habe. Und tatsächlich konnte diese Frage auch lange Zeit nicht eindeutig geklärt werden. William Stukeley, ein Altertumsforscher und Freimaurer war im 18. Jahrhundert sogar davon überzeugt, dass Stonehenge ein Tempel der britischen Druiden gewesen sei.

Erst in den 1960er Jahren gab es neue Interpretationsversuche. Gerald Hawkins, Astronomieprofessor an der Universität von Boston, stellte die Behauptung auf, Stonehenge könnte als Observatorium und Rechenanlage gedient haben. Mithilfe eines modernen Computers „dechiffrierte“ er die Positionen, die Sonne, Mond und Sterne im Jahr 1500 v. Chr. innehatten und stellte spezifische Verbindungen zwischen bestimmten Steinen und wichtigen Ereignissen des Sonnen- und Mondkalenders (Sonnenaufgang bei Wintersonnenwende und nördlichster Monduntergang) her. Es gelang ihm sogar, zu zeigen, dass Stonehenge als Rechenanlage gedient haben könnte, um Sonnen- und Mondfinsternisse vorherzusagen.

Die Baumeister verfügten über ein umfangreiches Wissen

Die Landschaft rund um Stonehenge ist reich an prähistorischen Funden. Woodhenge, der Cursus, Durrington Walls und über 350 Hügelgräber zeugen von der regen Bautätigkeit jener halbnomadischen Hirtenkultur, die rund um die Salisbury-Ebene Tierzucht betrieben, Getreide angebaut und ihre Götter verehrt hat. Britische Archäologen rekonstruierten in den 1950er Jahren, dass die ursprüngliche Anlage aus einem runden Wall und Graben mit 56 Löchern bestand, die ringförmig um den Perimeter lagen und heute als Aubrey Holes bekannt sind. Der erste Menhir war der Heel Stone, der sich vor dem einzigen Eingang der Anlage befindet. Mit dem Bau des zweiten Stonehenge wurde rund 200 Jahre später begonnen. Andere Baumeister errichteten eine Straße aus parallel liegenden Wällen, die den Henge mit dem etwa 3,2 Kilometer entfernt liegenden Fluss Avon verband.

Aus den Prescelly-Bergen im südwestlichen Wales (Entfernung etwa 320 Kilometer) schafften sie 80 riesige Blausteine (Dolerit) heran. Diese wurden jedoch bald wieder abgebaut und durch jene gigantischen Steine ersetzt, die noch heute den Ort dominieren. Die für die Aufstellung Verantwortlichen müssen fähige Handwerker gewesen sein, denn die Blöcke sind gekonnt behauen, um die Kapsteine den beiden vertikalen Monolithen mit Hilfe von Kegelgelenken anzupassen. Die Trilithen (Monument aus drei Steinen) wurden in den heute noch bestehenden Kreis- und Hufeisenformen aufgestellt.

Im Inneren des Megalithringes stellte man später auch die zuvor entfernten Blausteine wieder auf. Etwa 1500 Jahre nach der ersten Anlage von Stonehenge nahm man die letzten Veränderungen vor. Die Blausteine wurden erneut entfernt und an ihren heutigen Standort versetzt. Außerdem baute man den sogenannten Altarstein vor einem Trilithon auf. Die exakte Planung und die vielen Arbeitsstunden, die auf seine Errichtung verwenden wurden, zeigen, wie wichtig Stonehenge gewesen sein muss. Offenbar war die Anlage weit mehr als ein simpler Treffpunkt. Die Grabreste, die man in den 56 Aubrey Holes fand, beweisen, dass hier Bestattungsriten durchgeführt wurden. Vielleicht symbolisierten die Löcher aber auch Stellen, an denen man Zugang zur Unterwelt bekam.

Wer immer Stonehenge gebaut hat, es war mit Sicherheit nicht jenes recht primitive Bauernvolk, das in dieser Gegend lebte. Obwohl es keine schriftlichen Belege gibt, geht man davon aus, dass es sich um Menschen von umfangreichem Wissen und ausgeprägten Fähigkeiten handelte. Vielleicht wird nie jemand die wahre Funktion von Stonehenge erraten. Vielleicht hat aber auch der britische Schriftsteller und Esoteriker John Michell recht, wenn er sagt, dass die Anlage ein kosmischer Tempel gewesen sei, der allen zwölf Göttern des Tierkreises geweiht war, und somit ein perfektes und komplettes Bild des Universums darstellte.

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