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Tauchgang vor Ibiza – Die Insel fasziniert auch unter Wasser

Wer glaubt, sein Urlaubsziel schon in und auswendig zu kennen, sollte dort auch einmal abtauchen. Da eröffnen sich ganz neue Perspektiven. Zum Beispiel vor Ibizas Küste.

Es ist Sommer, Ibizas Strände glühen vor Hitze und Leben. Menschen aalen sich im gleißenden Licht, die Luft vibriert mit den Beats der Strandbars. Doch nur wenige Meter entfernt befindet sich eine Welt, die ganz still ist und kühl und blau. Sie beginnt dort, wo die Wellen an den Strand rollen. Ein Atemgerät gewährt Einlass.

Wer sich vor dem Strand in die Tiefe gleiten lässt, schwebt über weite Wiesen. Das Neptungras, auch Posidonia genannt, wiegt sich sanft in der Brandung. Ein wahrer Unterwassergarten, der Tausende von Arten beherbergt: Farbige Nacktschnecken, Schwämme, Steckmuscheln, Seepferdchen, Moostierchen, Seescheiden entdeckt man beim genauen Hinsehen. Kleine Kraken verstecken sich hier bis zur Dämmerung, und über den grünen Gräsern glitzern Fischschwärme in den Lichtsäulen der Sonne.

Willkommen in Octopussy’s Garden.

Bewachsene Steilwände

Die Felsküsten Ibizas, karg und trocken über Wasser, füllen sich in der Tiefe mit Leben. Ganze Steilwände sind üppig bewachsen mit Lederschwämmen, Anemonen, bunten Flechten und Algen, bilden Kunstwerke, die sich mit der Zeit verändern. In Nischen und Löchern wohnen Muränen, Seeaale, Zackenbarsche und Langusten. Meer und Gestein haben Landschaften geschaffen, man taucht durch Höhlen, Kamine, Canyons und Torbögen. Zum Beispiel bei Es Vedra, dem „magischen Felsen“, der seine schönsten Schätze in der Tiefe versteckt: Große Gorgonienfächer stehen dort auf dem Stein und leuchten knallrot im Schein der Tauchlampen. Oder an der Küste Formenteras, die riesige Öffnungen unter der Wasserlinie verbirgt: Sie führen in Grotten mit golden schimmernden Wänden, in denen aufgetaucht werden kann.

Ein außergewöhnliches Wrack

Kaum etwas vereint Vergänglichkeit und Neubeginn anschaulicher als ein Wrack: Das Versunkene wird zur neuen Heimat für Tiere und Pflanzen des Meeres. Meist handelt es sich um Schiffe, Ibiza aber bietet Tauchern etwas Besonderes. Es liegt mitten im Blau vor der Insel S’ Espardell. Kein Seezeichen weist auf den Ort hin, und die Wasseroberfläche verrät ihn nur selten: Bei ganz ruhiger See zeigen sich schemenhafte Strukturen in der Tiefe, lange dunkle Schatten.

Es ist eine Kante der „Plataforma Mariana“, einer ausgedienten Fischzuchtstation, die früher an der Oberfläche schwamm und nun auf dem Meeresgrund ruht. Ein Wrack von ungewöhnlichen Ausmaßen, das eine bizarre Atmosphäre schafft: Die riesige Betonstruktur erhebt sich schräg von 32 bis auf 12 Meter Tiefe, Säulen und Trümmerreste ragen in das Halbdunkel. Unter der Plattform zieht ein großer Barrakudaschwarm seine Kreise, am Konstrukt selbst haben sich zahlreiche Seetiere angesiedelt. Es ist ein Platz, der immer wieder neu verzaubert.

Atmen unter Wasser

Wer die stille blaue Welt besuchen möchte, beginnt mit einem Probetauchen. Eine kleine Einweisung, dann geht es hinab, mit einem Profi an der Seite. Wir brechen auf zu einer Reise durch das klare Türkis, über leuchtenden Sandgrund bis hin zum Unterwassergarten. Er liegt nur wenige Meter tief. Ganz nah sind die Strandgäste, die Hitze, die wummernden Beats. Und doch sehr weit weg, solange wir durch die Stille gleiten.

Die ersten Atemzüge unter Wasser, schweben wie ein Astronaut, so etwas vergisst man nicht. Manch einer besucht einen Kurs, um selbstständig Tauchen zu können – und auch ein wenig tiefer. Es ist wichtig zu wissen, wie man sich in dieser anderen Welt bewegt. Man erfährt von dem Druck in der Tiefe, vom Schweben, von fremden Lebewesen. Und was zu tun ist, wenn Wasser in der Maske steht, der Atemregler aus dem Mund fällt, die Luft ausgehen sollte. Hat man im Flachwasser geübt, beginnt das eigentliche Abenteuer: Es geht mit dem Boot die Felsküsten entlang, bis nach Es Vedra oder Formentera.

Wer dann auf seiner Decke sitzt und auf die See schaut, dorthin, wo die Wellen an den Strand rollen, der denkt vielleicht: Die Welt hört hier nicht auf. Sie geht noch viel, viel weiter.