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Therapiekonzepte bei Rezidiven und Metastasen des Mammakarzinoms

Das Wiederauftreten von Brustkrebs nach einer erfolgreichen Erstbehandlung stellt eine der größten Herausforderungen an die moderne Krebstherapie dar.

Das Mammakarzinom ist trotz medizinischer Fortschritte die häufigste krebsbedingte Todesursache bei Frauen. Eines der größten Probleme bei der Brustkrebsbehandlung stellen sogenannte Rückfälle (Rezidive) dar, also das Wiederauftreten von Tumoren nach einer scheinbar erfolgreichen Erstbehandlung. Das Risiko, einen in den meisten Fällen tödlichen Rückfall zu erleiden, ist in den ersten drei Jahren nach der Primärtherapie am höchsten. Bei rund vierzig Prozent aller von Brustkrebs betroffenen Frauen kehrt der Krebs nach einer tumorfreien Phase zurück. Eine 2010 im Deutschen Ärzteblatt veröffentlichte Übersichtsarbeit bietet einen Überblick über die aktuellen, von der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie empfohlenen Sekundärtherapien.

Rezidive: Art, Häufigkeit und Lokalisation

Rezidive können, müssen aber nicht im ursprünglich erkrankten Organ entstehen. Bei einem Lokalrezidiv des Mammakarzinoms bleibt die Neubildung von tumorösem Gewebe auf die Brust beschränkt. Von einem lokoregionären Rezidiv spricht man, wenn die angrenzenden Bereiche und die Lymphknoten der Achselhöhle betroffen sind. Rezidive in anderen Körperregionen werden als Fernmetastasen bezeichnet. Bis zu siebzig Prozent aller Rückfälle werden in der Lunge, in der Leber, in den Knochen oder in anderen Organen gefunden. Mit lediglich zehn bis zwanzig Prozent sind die lokoregionären Rezidive vertreten. Der Rest betrifft Rezidive, die an mehreren anatomischen Strukturen gleichzeitig auftreten.

Die Biologie des Tumors und seine Bedeutung für die Therapie

Die Tumorbiologie ist für die Therapieentscheidung von größter Bedeutung, da es in der molekularen Ausstattung von Krebszellen Unterschiede gibt. Zellen besitzen auf ihrer Oberfläche Strukturen (Rezeptoren), an die beispielsweise Moleküle wie Wachstumsfaktoren oder Hormone binden können. Die Zellen benötigen beide Substanzen für ihr Wachstum. Bei Tumorzellen kann die Zahl der Rezeptoren stark erhöht sein (Überexpression). Diese Zellen besitzen einen Rezeptor-positiven Status. Seine Kenntnis ist hilfreich bei der Festlegung der zur Auswahl stehenden Therapieoptionen.

Hormonrezeptor Status und HER2-Status

Wird das Tumorwachstum durch Hormone gefördert (Hormon-abhängiger Tumor), liegt ein hormonrezeptorpositiver Status vor. Patientinnen mit diesem Status besitzen in der Regel eine bessere Prognose als hormonrezeptornegative Patientinnen, da die Krebszellen auf eine antihormonelle Therapie besser ansprechen. Analog dazu besitzen die Zellen bei Wachstumsfaktor-abhängigen Tumoren einen HER2-positiven beziehungsweise einen HER2-negativen Status (als HER2 bezeichnet man den Rezeptor, an den der Wachstumsfaktor bindet). Der positive Status ist in diesem Fall meist mit einem rascheren Wachstum des Tumors verbunden.

Therapeutische Ansätze bei lokoregionären Rezidiven

Lokale Mammakarzinomrezidive können sich in der originären wie in der rekonstruierten Brust, in den örtlichen Lymphknoten oder in der Wand des Brustkorbes bilden. Auf Grund ihrer günstigeren Prognose werden sie wie der Primärtumor kurativ, das heißt auf Heilung ausgerichtet, behandelt. Je nach Art und Lokalisation des Rückfalls werden unterschiedliche Therapieansätze empfohlen. In der Regel wird bei operablen Rezidiven eine chirurgische Entfernung der vom Krebs befallenen Gewebepartien aus dem gesunden Gewebe vorgenommen (R0-Resektion). Im Einzelfall kann auch eine Brustamputation mit Strahlentherapie und nachfolgender brusterhaltender Operation erfolgen. Allerdings erhöht sich durch diesen Eingriff das Risiko erneuter lokaler Rezidive.

Antihormonelle (endokrine) Therapie und Antikörpertherapie

Bei Patientinnen mit einem hormonrezeptorpositiven Brustkrebs wird nach einer R0-Resektion des Rezidivs meist eine antihormonelle (endokrine) Therapie durchgeführt. Hierbei wird entweder die Östrogenproduktion unterbunden oder die Hormonrezeptoren auf den Krebszellen werden blockiert, um dem Tumorwachstum entgegenzuwirken. Diese Methode ist bislang nur geeignet, die tumorfreie Phase bis zum erneuten Auftreten eines Rezidivs zu verlängern. Das Gesamtüberleben verbessert sich dadurch jedoch nicht. Patientinnen mit positivem HER2-Rezeptorstatus profitieren hingegen von einer Behandlung mit Trastuzumab (Herceptin®), einem Antikörper, der die HER2-Rezeptoren auf den Tumorzellen blockiert, so dass kein Wachstumsfaktor mehr daran binden kann.

Andere therapeutische Optionen

Lokoregionäre Rezidive in den Lymphknoten oder in der Haut des Brustkorbes werden entweder einer Chemo-, einer Antikörper-, einer Strahlentherapie oder einer speziell kombinierten Therapie unterzogen. Dies gilt auch im Fall einer R1-Resektion, bei der die Geschwulst zwar entfernt, kleinere Tumoranteile jedoch zurückgeblieben sind. Erweisen sich Rezidive als inoperabel oder haben sich bereits Metastasen gebildet, müssen palliative Maßnahmen wie ärztliche, pflegerische und psychosoziale Fürsorge zur Aufrechterhaltung eines Höchstmaßes an Lebensqualität ergriffen werden.

Therapieoptionen bei metastasiertem Mammakarzinom

Eine umfassende palliative Betreuung ist auch im Falle des nicht heilbaren, metastasierenden Mammakarzinoms angezeigt. Zu diesem Zweck steht derzeit eine Reihe von zugelassenen Therapieoptionen zur Verfügung, die zudem das durchschnittliche Überleben von Patienten leicht verbessern.

Antihormonelle (endokrine) Therapie

Patientinnen mit einem hormonrezeptorpositiven, metastasierten Mammakarzinom werden endokrin therapiert, sofern keine Schmerzsymptomatik oder Metastasen im zentralen Nervensystem und in den Eingeweiden vorliegen. Insbesondere nach dem Ansprechen auf eine Chemotherapie wirkt sich die endokrine Therapie positiv auf das Gesamtüberleben aus. Die Effektivität endokriner Therapien ist bei HER2-positiven Patientinnen geringer als bei HER2-negativen Patientinnen. Bei allen Patientinnen mit HER2-positivem Status wird nach derzeitigem Kenntnisstand eine Kombination aus Antikörpertherapie und Chemotherapie als Standardbehandlung angesehen. Eine Kombination aus Antikörper- und endokriner Therapie sollte nur in Betracht gezogen werden, wenn eine Chemotherapie nicht erfolgreich war oder wenn diese mit hoher Unverträglichkeit einherging. Im Falle eines metastasierten Mammakarzinoms mit HER2-negativem Status wird eine antihormonelle Therapie zur Ausschaltung der Ovarialfunktion empfohlen.

Chemotherapie

Chemotherapien sind bei aggressivem Krankheitsverlauf, bei fehlendem Ansprechen auf eine endokrine Therapie, zur Unterstützung einer Antikörpertherapie sowie bei Hormonrezeptor-negativem Status angezeigt. Sie werden in der Regel zur Anwendung kommen, so lange der Nutzen größer ist als die Nebenwirkungen. Im Vergleich zur Therapie mit nur einem Wirkstoff sind kombinierte Chemotherapien effektiver, verursachen aber deutlich mehr Nebenwirkungen.

Bei HER2-positiven Patientinnen stehen derzeit mehrere Kombinationen aus Chemotherapie und Antikörperbehandlung zur Auswahl. Sie führen zu einer deutlichen Verlängerung des durchschnittlichen Gesamtüberlebens. Im Falle eines Fortschreitens der Erkrankung erlauben die Kombinationen individuelle Umstellungen im Therapieplan.

Da HER2-negative Patientinnen keine Rezeptorüberexpression aufweisen, besitzt eine reine Chemotherapie mit Zytostatika den höchsten Empfehlungsgrad. Zytostatika hemmen das Zellwachstum, können jedoch Herzinsuffizienz und Leberfunktionsstörungen verursachen. Je nach den Nebenwirkungen kann zwischen Kombinationschemotherapien und sequenzieller Gabe der Einzelsubstanzen gewählt werden.

Sonstige Therapieoptionen

Im Fall von Knochenmetastasen wirkt sich eine Behandlung mit Bisphosphonaten positiv auf die Knochenerhaltung aus. Darüber hinaus gibt es Anzeichen einer unmittelbaren Antitumorwirkung dieser Wirkstoffe. Insbesondere bei inoperablen Metastasen stellt die Bestrahlung eine Option dar. Gegebenenfalls kann die Strahlentherapie mit einer Chemotherapie kombiniert werden. Nach Eintritt eines Pleuraergusses (Flüssigkeitsansammlung zwischen Rippen- und Lungenfell) kann eine Verklebung mit Talkum unter nichtinvasiven Bedingungen (video assisted thoracic surgery) die Therapie der Wahl sein.

Zusammenfassung

Kurative Therapien sollen mutmaßlich im Körper vorhandene, wenige Krebszellen ausschalten. Sie verbessern die Chance einer vollständigen Heilung. Palliative Therapien werden gezielt zur Behandlung von Fernmetastasen durchgeführt. Sie dienen der Linderung der Beschwerden und der Verbesserung der Lebensqualität. Eine Heilung ist meist nicht mehr möglich.