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Was sind eigentlich Stereotypen?

Stereotypen werden im alltäglichen Sprachgebrauch oft mit Vorurteilen o. ä. verwechselt. Anliegender Artikel soll bei der Definition helfen.

In der Wissenschaft, vor allem in der Soziologie und der Psychologie, haben Stereotypen eine ganz andere Bedeutung als in unserem Alltag. Die Abgrenzungen sind in der Gesellschaft meist fließend zu anderen Begriffen wie Vorurteile, Prototypen und Ähnlichem. Diese Definitionen entsprechen aber nicht der wissenschaftlichen Beschreibung.

Wie definiert die Psychologie Stereotypen?

Nach Walter Lippmann sind Stereotypen ein geordnetes, mehr oder minder beständiges Weltbild, dem sich unsere Gewohnheiten, unser Geschmack, unsere Fähigkeiten, unser Trost und unsere Hoffnungen angepasst haben. Sie bieten kein vollständiges Weltbild, aber ein Bild einer möglichen Welt, auf das wir uns eingestellt haben. Jeder verhält sich so, wie wir es erwarten. Eine Störung der Stereotypen wirkt wie eine Erschütterung unserer Grundfesten. Darüber hinaus beziehen sich Stereotypen nicht nur auf die Welt an sich, sondern auch auf unser Meinungsbild. So gesehen sind Stereotypen Meinungen, die ein Individuum über die persönlichen Attribute einer Gruppe von Menschen hat. Wenn diese Meinung weitgehend von einer Großzahl anderer Individuen geteilt wird, spricht man von sozialen Stereotypen.

Wie Stereotypen entstehen

Stereotypen ergeben sich zu einem großen Teil aus den allgemeinen kognitiven Prozessen, die an der Kategorisierung beteiligt sind. Allgemein gehen Wissenschaftler davon aus, dass die ersten Stereotypen in der Primärsozialisation, ähnlich wie Einstellungen und Vorurteile, entwickelt werden. Über den genauen Zeitpunkt ist man sich allerdings nicht ganz einig. Die meisten Wissenschaftler gehen davon aus, dass Stereotypen kurz nach den ersten Einstellungen, aber noch vor den Vorurteilen entwickelt werden. Das Kind übernimmt dabei die Stereotypen seiner Bezugspersonen. Was die Entstehung von Stereotypen in der Gesellschaft angeht, gibt es drei zentrale Orientierungen:

  1. soziokulturell: Zum Beispiel im Sinne eines kulturellem Erbes nach Lippmann. Einstellungen und Stereotypen werden von einer Generation an die nächste weitergegeben.
  2. psychodynamisch: Zum Beispiel das Prinzip der autoritären Persönlichkeit nach Adorno. Autoritäre Charaktere sind besonders anfällig für Vorurteile und Stereotypen. Grundzug des autoritären Charakters ist die Autoritätsgebundenheit, das heißt bedingungslose Anerkennung dessen, was Macht ist. Man verhält sich unterwürfig zu den Idealen der eigenen Gruppe und verdammt gleichzeitig jeden, der dagegen ist. Stereotypen werden als Schwarz-Weiß-Malerei aufgefasst, um die eigene Weltanschauung zu verteidigen.
  3. kognitiv: Stereotypen sind ein Beispiel für Kategorisierungsprozesse.

Welchen Sinn und Zweck haben Stereotypen für uns?

Die hauptsächliche Funktion besteht, für die Zwecke der kognitiven und verhaltensmäßigen Adaption, in der Vereinfachung und Systematisierung großen Informationsmenge der Umwelt. Sie sollen die Welt, in welcher wir leben, für uns leichter verständlich machen. Genauer gesagt, haben soziale Stereotypen vier Funktionen:

  1. kognitiv: Stereotypen helfen bei der Zurechtfindung in der riesigen Masse an Informationen in unserer Welt.
  2. individuell: Man findet selbst eine Position in der Gesellschaft. Stereotypen werden schließlich von vielen Menschen geteilt. Sie erhalten also positive Resonanz aus der Bevölkerung.
  3. Ideologisierung/Rechtfertigung kollektiver Handlungen: Zum Beispie wurden in der Vergangenheit das Naziregime oder die Hexenverfolgung durch soziale Stereotypen gerechtfertigt.
  4. Verbindung zwischen Kollektiven und Individuum: Das Selbstwertgefühl beziehungsweise -konzept wird im Wege des sozialen Intergruppenvergleichs mit der relativen Position seiner Gruppe in der Gesamtgesellschaft in Verbindung gesetzt.

Stereotypes Denken ermöglicht es also dem Individuum, sich schneller einer Gruppe zugehörig zu fühlen und auch seinen eigenen Platz innerhalb der Gruppe zu erkennen. Dies ermöglicht auch einen schnelleren Entscheidungsprozess, wenn es um gesellschaftliche Interaktionen geht.