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Wer selbst den Spaziergang scheut stirbt früher

Fettleibigkeit, die weltweit zunimmt, ist tödlich. In gleichem Ausmaß wie das Rauchen. Millionen sterben daran. Dabei helfen schon 30 Minuten pro Tag

Faulheit wird bestraft. Und wie. Wobei „Faulheit“ mehrdeutig ist. Hier ist jene gemeint, die mit körperlicher Ertüchtigung, körperlicher Bewegung zu tun. Stubenhocker jeden Alters sind angeschrieben: Jene Kinder und Jugendlichen etwa, die viel Zeit sitzend vor der Spielekonsole oder dem PC verbringen, jene Älteren und Alten auch, die Bewegung jeder Art verabscheuen, die den Weg zum nächsten Briefkasten oder Zigarettenhändler mit dem Auto statt per pedes zurücklegen. Apropos Zigaretten: Weil sie rauchen, sterben jährlich weltweit 5,1 Millionen Menschen. Apropos Futtern und Sitzen: Zwei Millionen Jugendliche in Deutschland sind übergewichtig. Und jetzt der Hammer, entnommen einer Studie, die im amerikanischen Medizinmagazin „The Lancet“ veröffentlicht wurde: Weil sie körperliche Bewegung ablehnen und scheuen, sterben jährlich weltweit genauso viele Menschen wie Raucher. Es stirbt also früher, wer auch nur den Spaziergang versäumt.

Jung und Alt werden dick und dicker

Die „New York Times“ hat die „Lancet“-Studie zum Anlass genommen, sich mit dem Problem Übergewicht intensiver zu beschäftigen. So teilten Weltgesundheitsorganisation (WHO – World Health Organization) und das Londoner Institut School of Hygiene and Tropical Medicine mit, dass die Bevölkerung weltweit immer schneller und immer stärker Übergewicht ansetzt – trotz der Aber-Millionen, die unter Armut und Hunger leiden. Diesen beiden Quellen zufolge wiegen sämtliche Menschen der Erde 287 Millionen Tonnen – wovon 3,5 Millionen Tonnen auf Fettleibigkeit zurück zu führen sind. Ein Drittel davon entfallen auf die USA, obwohl dort nur sechs Prozent der Erdbevölkerung leben. Kein Zweifel – man muss sich ja nur in Deutschland, auch in den Schulen des Landes, umblicken: Jung und Alt werden dick und dicker.

Teenager schlimmer betroffen als Erwachsene

Auch Professor Pedro C. Hallal von der brasilianischen Federal University of Pelotas hat sich mit dem Problem auseinandergesetzt. Er schätzt, dass sich weltweit 31,1 Prozent der Erwachsenen – das sind 1,5 Milliarden Menschen – quasi überhaupt nicht körperlich betätigen, ihr Leben also vorwiegend sitzend verbringen. Wissenschaftlich begründet und ausgedrückt: Diese Menschen kommen der medizinischen Empfehlung nicht nach, wöchentlich 150 Minuten zumindest spazierenzugehen oder einer vergleichbaren „leichten körperlichen Aktivität“ nachzukommen – das wären gerade einmal 20 Minuten pro Tag. Teenager sind noch schlimmer als ihre erwachsenen Vorbilder: 80 Prozent der 13- bis 15-Jährigen kommen nicht täglich einer Stunde „intensiver körperliche Aktivität“ nach, die ihnen die Gesundheitsexperten empfehlen.

Fettleibigkeit bei Amerikanern und Europäern

Bei den Amerikanern überrascht es weniger als bei den Europäern – doch die Bewohner beider Kontinente führen die Fettleibigkeit auf Erden an. So weigern sich 43,3 Prozent der US-Staatsbürger und 24,8 Prozent der Europäer, auch nur die geringste körperliche Aktivität zu leisten. Diese Art Faulheit jedoch, die schwere gesundheitliche Schäden nach sich ziehen kann, greift weltweit schnell um sich. So sind 30 Prozent der Russen und 27 Prozent der Afrikaner gegen jegliche sportliche Betätigung. Am körperfaulsten sind die Malteser. 72 Prozent der 419 000 Inselbewohner lehnen „Bewegung“ ab. Die „New York Times“ zusammenfassend: Je wohlhabender eine Nation ist, um so größer der sportliche Unwillen.

Körperliche Faulheit ebenso tödlich wie Rauchen

Außer der Erkenntnis, dass Bewegungsfaulheit ebenso viele Todesfälle verursacht wie Rauchen, kommt das Magazin „The Lancet“ zu folgenden Schlussfolgerungen, basierend auf entsprechenden internationalen Studien: „Inaktivität“ ist verantwortlich für sechs Prozent aller Herzerkrankungen, sieben Prozent der Typ-2-Fälle Diabetes und zehn Prozent aller Brust- und Darmkrebse. Immer wieder muss hervorgehoben werden, was Professor Dr.L-Min Lee von der Harvard School of Public Health so formuliert: „Ohne jegliche Frage ist körperliche Inaktivität genauso tödlich wie Rauchen und Übergewicht“.

Die Statistik der Obesität (Fettleibigkeit) hat eine interessante internationale Komponente. Danach werden in den USA 10,8 Prozent aller „vorzeitigen Todesfälle“ darauf zurückgeführt, in Saudi Arabien aber sogar 18 Prozent. Die gleiche Prozentzahl wird für Serbien angegeben, für Großbritannien liegt sie bei 17 Prozent. Von Fresssucht und Übergewicht wegzukommen, urteilt Professor Lee, „ist dabei einfacher, als sich von einer Sucht wie dem Rauchen zu lösen – man muss schließlich nur 20 bis 30 Minuten täglich spazierengehen“.

Dreimal zehn Minuten täglich

Wobei diese halbe Stunde – Radfahren, sagen wir, oder einen Park zu Fuß erkunden – keineswegs hintereinander absolviert werden muss. Hier kommt eine Studie etwa Lungenkranken oder anderweitig Beeinträchtigen zu Hilfe: Kürzere Intervalle körperlicher Tätigkeiten haben den selben Effekt wie längere und größere Anstrengungen. Das hat Dr. Glenn Gaesser von der Arizona State University herausgefunden. Sein Rezept: Dreimal täglich jeweils zehn Minuten Bewegung fördern die Gesundheit, weil das auch den Blutdruck positiv beeinflussen kann.