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Zucker – Die biologische Funktion der Kohlenhydrate im lebenden Organismus

Zucker – nicht einfach nur süß.

Die Glykomik als eigenständiger Forschungszweig beschäftigt sich mit der Aufklärung der Funktion von Zuckermolekülen bei biologischen Prozessen in lebenden Organismen.

Zucker, im Allgemeinen auch als Kohlenhydrate oder Saccharide bezeichnet, gelten im Bereich der bioorganischen Chemie als eine hochinteressante Molekülgruppe. Sie gehören zu den vier wichtigsten Gruppen natürlicher Biomoleküle und bilden neben der DNA und den Proteinen den „dritten Pfeiler des Lebens“. Sie werden in der Natur jährlich in einer Größenordnung von 109 Tonnen durch Photosynthese produziert. Monomolekulare Zuckereinheiten, die Monosaccharide (zum Beispiel Glukose), werden zu Oligosacchariden (zum Beispiel Lactose) und hochmolekularen Polysacchariden verknüpft. Die hierbei wohl bekanntesten Vertreter Stärke, Cellulose und Chitin fungieren in der Gruppe der Kohlenhydrate als Paradebeispiele für Energiespeicherung und als biologisches Baumaterial in Flora und Fauna. Diese durchaus wichtigen Eigenschaften werden in den klassischen Lehrbüchern der Naturwissenschaften stets besonders hervorgehoben.

Die naturwissenschaftliche Forschung vergangener Jahre ging davon aus, dass die Speicherung und der Transfer biologischer Informationen in lebenden Organismen auf den Nukleinsäuren und Proteinen basiert, während den Kohlenhydraten in diesem Zusammenhang keinerlei Bedeutung beigemessen wurde. Zuckermoleküle wurden lediglich als Bausteine stabiler Zellwände und als Energielieferanten für den Metabolismus lebender Organismen beschrieben.

Die biologische Funktion der Kohlenhydrate

Neueren naturwissenschaftlichen Erkenntnissen nach zu urteilen, geht die Bedeutung der Kohlenhydrate weit über die prominenten Aufgaben als Energiespeicher und biologisches Baumaterial hinaus. So ist beispielsweise die essentielle Funktion von Oligosacchariden als Informationsträger in vielen biochemischen Prozessen lebender Organismen weniger bekannt. Doch gerade hier „verstecken“ sich für die Forschung im medizinisch chemischen Bereich hoch interessante und wertvolle Erkenntnisse. So entwickelte sich während der letzten Jahre ein separater Wissenschaftszweig – die Glykomik oder Glykobiologie -, der sich im Speziellen mit all den Vorgängen im lebenden Organismus beschäftigt, bei denen Informationen durch Saccharidstrukturen codiert und von Rezeptormolekülen abgelesen werden.

Die Glykokalyx – der „Zuckermantel“ eukaryontischer Zellen

Auf der Oberfläche eukaryontischer Zellen befindet sich eine Vielzahl komplexer Oligosaccharidstrukturen, wobei die Zuckermoleküle hierbei kovalent an Proteine und Lipide gebunden sind, die bereits fest in der Zellmembran verankert sind und so genannte Glykokonjugate bilden. Hierbei übertreffen die strukturelle Vielfalt der einzelnen Saccharidbausteine sowie ihre Funktionalität die der Proteine und Nukleinsäuren in entscheidendem Maße. Dies führt für die Codierung biologischer Informationen zu einem breiten Spektrum an Möglichkeiten. In ihrer Gesamtheit hüllen diese Kohlenhydratstrukturen die Zelle von außen ein und werden als Glykokalyx bezeichnet. Der Aufbau dieses die Zelle umgebenden „Zuckermantels“ ist abhängig vom Typ und vom Entwicklungsstadium einer Zelle und kann sich bei diversen pathologischen Vorgängen, wie zum Beispiel der Tumorbildung durch Zellentartung, verändern.

Die Bedeutung von Kohlenhydrat-Protein-Interaktionen im lebenden Organismus

Glykosylierte Strukturen wie Glykoproteine und Glykolipide finden sich in und auf den Zellmembranen aller pflanzlichen und tierischen Organismen. Mit wachsendem Einblick in viele biochemische Vorgänge dieser Lebewesen ist evident geworden, dass den Interaktionen von Kohlenhydraten und Proteinen eine essentielle Rolle bei diversen zellulären Erkennungs- und Kommunikationsprozessen zukommt, wie zum Beispiel bei Stoffwechselvorgängen, Immunreaktionen, bakteriellen Infektionen und letztendlich auch bei der Krebs-Metastase. Daraus resultierend sind die Aufklärung und die eingehende Untersuchung der Funktionen der Kohlenhydratstrukturen auf Zelloberflächen auch im Bereich der Wirkstoffforschung sowie Arzneimittelentwicklung von entscheidender Bedeutung.

Die Glykomik – ein neues naturwissenschaftliches Forschungsgebiet

Die Glykomik, auch als Glykobiologie bezeichnet, beschäftigt sich mit komplexen Zuckerverbindungen, den Glykanen, die neben Proteinen und Lipiden essentielle Bestandteile der eine Zelle umgebenden Hülle sind. Seit einigen Jahren sorgt das stetig wachsende Bestreben naturwissenschaftlicher Forscher, die Untersuchung der biologischen Funktion dieser in lebenden Organismen lokalisierten Kohlenhydrate voran zu treiben dafür, dass die Glykomik sich mittlerweile neben der Genomik und der Proteomik als eigenständiges Forschungsfeld im Bereich der biologisch-chemischen Forschung etabliert hat und in rasantem Tempo weiter wächst.