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Erdölfresser & Co. retten den Atem der Meere

Ohne Bakterien oder Chemikalien ersticken Ozeane am schwarzen Gift. Schwimmt Öl erstmal im Meer, brauchen Flora und Fauna rasche Hilfe. Jetzt werden alle Register gezogen: Pumpen, Sperren, Chemikalien oder Bakterien. Die Zeit läuft davon.

Noch dreißig Jahre nach dem Ölunfall des Frachters Florida finden sich Gifte davon auf dem Meeresgrund. Diese Entdeckung machte Christopher Reddy bei einer Sedimentbohrung in der Nähe von West Falmouth im US-Bundesstaat Massachusetts. Im Auftrag der Woods Hole Oceanographic Institution untersuchte er die ökologischen Langzeitschäden des havarierten Schiffes. Wie sich herausstellte, hatten sich weder die Zusammensetzung der Ölreste noch die Konzentration enthaltener Kohlenwasserstoffe in drei Jahrzehnten erheblich verändert.

Die genauen Folgen einer Ölverschmutzung bleiben oft rätselhaft

Wie sich Ölververunreinigungen auf Flora und Fauna in den Tiefen der Meere oder Ozeane und in Küstenzonen genau auswirken, bleibt bis heute weitgehend ungeklärt. Sicher aber ist, dass dort Organismen noch Jahrzehnte später Gifte davon aufnehmen, die schließlich über die Nahrungsketten weiterwandern und sich so anreichern. Besondere Schwierigkeiten bereitet dabei den Ökologen die Untersuchung belasteter Lebensräume, denn Öle setzen sich aus rund 20.000 verschiedenen Stoffen zusammen. Auch von Rettungsmannschaften fordert diese Tatsache viel Erfahrung, um die jeweils beste Methode der Ölbeseitigung rasch anzuwenden.

Eine Stoffgruppe des Ölcocktails gefährdet die Umwelt am meisten: die sogenannten polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffe, oder kurz PAK genannt. Solange sie in Wasser gelöst bleiben, bauen sie sich zwar mittelfristig ab und verlieren ihre gefährliche Wirkung auf Pflanzen, Tiere oder Menschen. Doch durch Wellengang und Strömungen geraten sie auch in tiefere Bereiche, wo sie sich in Schlamm und Sedimenten leicht ablagern. Hier fehlt ihnen der zum Abbau notwendige Sauerstoff, so dass sie diesen Lebensraum langfristig verseuchen. So nimmt auch der Mensch zum Beispiel beim Verzehr derart belasteter Fische PAK zu sich und läuft Gefahr, an Krebs zu erkranken.

Küstenwache und Wasserschutzpolizei kontrollieren rund um die Uhr

Naturgemäß kommen die schlimmsten Ölverschmutzungen auf den ausgewiesenen Tankerrouten und im Bereich von Bohrinseln vor. Während Ölverluste aus fest verlegten Pipelines am Meeresboden oft erst spät entdeckt und eingedämmt werden, erfolgt in Seehäfen die Überwachung des Schiffsverkehrs rund um die Uhr. Dabei arbeiten Küstenwache, Wasserschutzpolizei und andere Kontrollorgane aus der Luft in der Regel zusammen. In deutschen Seehäfen wie Hamburg oder Bremerhaven erfüllen Wasserschutzpolizei und See-Berufsgenossenschaft als Hafenstaatkontrollbehörde gemeinsam diese verantwortungsvolle Aufgabe. Allein im Hamburger Hafen erreichte der Umschlag von Ölen und Ölprodukten im Jahr 2007 9.328.000 Tonnen.

Täglich reichern sich Ölverschmutzungen im Hafenwasser an

In den engen Hafenzonen zwischen Einfahrten, Umschlageeinrichtungen oder Liegeplätzen kommen fortwährend neue Verunreinigungen hinzu. Neben Ölen, Treibstoffresten oder Ruß sammeln sich dort auch industrielle Abfälle an. Im Vergleich zum offenen Küstenwasser, das Seegang und Strömungen stärker aufwühlen, wird Hafenwasser nur leicht durchmischt. Somit nehmen die Wellen zu wenig Sauerstoff auf, um zum Beispiel polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe aus Ölen wirksam abzubauen. Deshalb sinken die Gifte mit anderen Verschmutzungen schließlich auf den Grund des Hafenbeckens, der dadurch langfristig verseucht bleibt. Während viele Hafenbehörden nach wie vor das aufwändige und teure Ausbaggern zur Wasserentgiftung anordnen, greifen die Verantwortlichen des Bostoner Seehafens inzwischen zu natürlichen Mitteln.

In Seehäfen entgiften Mikroorganismen das Wasser

Sie nutzen den unersättlichen Hunger unzähliger Kleinstlebewesen, die im Schlamm ihres Hafenbeckens entdeckt wurden, um die langlebigen PAK abzubauen. Wie wissenschaftliche Untersuchungen der Universität von Massachusetts ergaben, wird die Selbstreinigung des Hafens so zwar zehn bis zwanzig Jahre dauern, aber der Appetit der Mikroorganismen auf PAK lässt in dieser Zeit sicher nicht nach. Denn für die Verdauung dieser und anderer Gifte benötigen sie nur einen einzigen Stoff, den aber jeder Liter Meerwasser zur Genüge enthält: Sulfat. Liegt allerdings die Schwefelverbindung nur schwach konzentriert vor, zersetzen sie ihre Nahrung nur unzureichend. Die Forscher berechneten, dass auf diese Weise innerhalb eines knappen Jahres bis zu 25 Prozent der Ölbestandteile abgebaut werden. Inzwischen entnahmen die Wissenschaftler auch in weiteren amerikanischen Häfen Schlammproben, in denen ebenfalls geeignete Mikroorganismen leben.

Das Wetter diktiert den Einsatz von Ölsperren, Pumpen oder Chemikalien

Treibt ein Ölteppich auf dem offenen Meer, zählt jede Minute. Nur überlegtes Handeln verhindert jetzt seine Ausbreitung und einen langfristigen Umweltschaden. Doch welche Mittel dazu eingesetzt werden, diktiert das Wetter: Bei mäßigem Wind und Wellengang versuchen die Rettungsmannschaften, den Teppich abzuschöpfen oder mit mechanischen Sperren einzuschließen. Die wasserlöslichen und leicht flüchtigen Kohlenwasserstoffe des Rohöls verdunsten dadurch leichter. Manchmal pumpen auch herbeigerufene Spezialschiffe das Öl mit starken Motoren ab. Herrscht hingegen unruhige See oder die Verschmutzung bedroht eine nahe Küste, setzen Rettungskräfte häufig Chemikalien ein. Sie binden das ausgeflossene Öl, das dann auf den Meeresgrund absinkt. Diese Vorgehensweise ist jedoch sehr umstritten, da chemische Mittel die gefährdeten Lebensräume zusätzlich belasten.

Öl steht auf der Speisekarte vieler Bakterien ganz oben

Zahlreiche Bakterienarten der Weltmeere sind wahre Ölfresser. Das bestätigen Ergebnisse des EU-Forschungsprojekts Faceit (Fast Advanced Cellular and Ecosystems Information), das die biologischen Folgen von Ölverschmutzungen genau untersuchte. Danach vermehren sich zahlreiche Mikroben sprunghaft, sobald Öl ins Meerwasser gerät. Sie beginnen, es sofort zu zersetzen. Enthält das Wasser viele gelöste organische Stoffe aus abgestorbenen Pflanzen oder Tieren (Huminstoffe), steigert sich ihr Appetit sogar noch.