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Fat Pride – Dicke kämpfen um gesellschaftliche Akzeptanz

Das Leben ist zu kurz für dauernde Diäten.

Die Fat-Acceptance-Bewegung in den USA setzt sich für Gleichberechtigung übergewichtiger Menschen ein.

Der Film Precious (dt. ‚“Das Leben ist kostbar“), mit der stark übergewichtigen Gabourey Sidibe in der Hauptrolle, wurde mit sechs Oscars nominiert. Sidibe, im Film eine missbrauchte und mutlose Teenagermutter, geht im realen Leben selbstbewusst mit ihrer Körperfülle um – und ist damit die neue Leitfigur der Fat-Pride-Bewegung.

Übergewicht: Volkskrankheit und Milliardengeschäft

Es verwundert nicht, dass die Fat-Pride-Bewegung in den USA ihre Wurzeln hat. Nirgendwo liegen die Extreme näher beisammen. Wo sonst sollten die Dicken zuerst auf die Barrikaden gehen, als in einer Gesellschaft, die Size Zero zum Schönheitsideal erhoben hat?

Die Zahl der übergewichtigen Amerikaner ist im letzten Jahrzehnt noch einmal rapide gestiegen. Es gibt inzwischen mehr übergewichtige als normalgewichtige Amerikaner. Rund 67 Prozent bringen zu viel Gewicht auf die Waage. Nirgendwo gibt es mehr fettleibige Kinder. Die zunehmende Verfettung kostet den amerikanischen Staat jedes Jahr Milliarden.

Doch die Übergewichtigen haben es satt, sich an den Rand der Gesellschaft drängen zu lassen und während Obama und Gattin sich für die Bekämpfung der Fettsucht und der Essstörungen einsetzen, kämpft die „Fat-Acceptance-Community“ gegen den Schlankheitswahn und für die Akzeptanz von Dicken. Langsam gewinnen die dicken Aktivisten auch politisch an Gewicht – und sie sind ein schwerwiegender Wirtschaftsfaktor, denn fettleibige Menschen brauchen nicht nur Kleidung in Übergrößen, sondern auch stabilere Möbel und vielerlei Sonderausstattungen. Die Kaufkraft der übergewichtigen Bevölkerung ist also nicht zu unterschätzen. Nicht zu vergessen das gigantische Diät-Geschäft: Da der Großteil aller Fastenversuche scheitert, eine schier unerschöpfliche Geldquelle.

Ursprung der Fat-Pride-Bewegung

Bereits 1969 wurde die National Association to Aid Fat Acceptance (NAAFA) gegründet, um für die Rechte der Dicken zu kämpfen. Die noch immer aktive Gesellschaft fördert unter anderem die „Fat Studies“ an den Universitäten, die sich mit der gesellschaftlichen Integration stark übergewichtiger Menschen beschäftigen.

Wichtigstes Medium der Fat-Pride-Bewegung ist jedoch das Internet. Hier ist im Laufe der letzten zehn Jahre ein immer dichter werdendes Netzwerk an Communities entstanden, wo sich die Übergewichtigen austauschen. Diese Gegenkultur der Dicken, fatospheregenannt, setzt sich nicht, wie irrtümlicherweise oft angenommen, aus Fett-Fetischisten zusammen, die sich für zügellose Völlerei aussprechen. Sie fordert aber das Recht ein, dick sein und bleiben zu dürfen, ohne dafür von der Öffentlichkeit mit Verachtung oder Mitleid gestraft zu werden.

Fat-Pride-Bewegung will mit Vorurteilen aufräumen und das Selbstvertrauen der Dicken stärken

Die Diskriminierung von Dicken ist Fakt – nicht nur in den USA: Dicke finden schwerer eine Arbeit und werden seltener befördert, sie werden bei der Wohnungssuche benachteiligt und finden auch schwerer einen Partner.

Freilich kann man nicht leugnen, dass jemand, der sehr dick ist, zunächst aufgrund seiner Körperfülle wahrgenommen wird. Mit den Vorurteilen möchte die Fat-Pride-Bewegung jedoch aufräumen: Dicke seien oft Zielscheibe von Spott und Diskriminierung und den Medien dienten sie oft als Witzfigur. Dicke gelten zu Unrecht als faul und disziplinlos, als gierig und undiszipliniert. Und mit dicken Frauen gehe die Gesellschaft häufig noch schonungsloser um als mit übergewichtigen Männern, so die Stimmen der Anhänger.

„Health at Any Size“ ist das Credo des Fat-Pride-Movement: Gesundheit sei nicht abhängig vom Körpergewicht. Allein vom Äußeren könne man nicht auf die Gesundheit einer Person schließen. Vielmehr habe der Schlankheitswahn dazu beigetragen, dass es Dicken heute schlechter gehe denn je: Die Diskriminierung führe zu psychologischen Problemen. Dies habe zur Folge, dass die meisten Dicken, sich in ihrer Haut unwohl fühlten und oft jahrelang oder jahrzehntelang vergeblich gegen die Pfunde kämpften. Jeder neue Diät-Versuch ziehe den Jo-Jo-Effekt nach sich, und bringe damit wieder neue überflüssige Kilos.

Fat-Pride-Bewegung: Gefährlich oder ein Fortschritt?

Kritiker sehen in der Fat-Pride-Bewegung die Gefahr, dass die gesundheitlichen Folgen der Fettleibigkeit heruntergespielt werden und die Übergewichtigen die Kosten des Gesundheitssystems weiter in die Höhe treiben. Mit der Akzeptanz des Übergewichts, so befürchten die Kritiker, gehe dann auch noch die letzte Motivation verloren, ein gesundes Gewicht zu erreichen.

Befürworter sehen in der Botschaft der Fat-Pride-Bewegung hingegen einen wichtigen Beitrag zu einer toleranteren Gesellschaft, einer Gesellschaft, die noch immer Schlankheit mit Gesundheit und Erfolg gleichsetzt.