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Pflichtteilsergänzung bei Schenkung vor der Geburt

Die enterbten Enkel haben als Pflichtteilsberechtigte einen Auskunftsanspruch und Pflichtteilsergänzugsanspruch betreffend Schenkungen vor ihrer Geburt

Die Enkelkinder wurden im Jahr 1976 und im Jahr 1978 geboren. Ihre Mutter verstarb im Jahr 1984. Ihre Großeltern errichteten im Jahr 2002 ein gemeinschaftliches Testament. Darin setzten sie sich gegenseitig zu Erben ein. Der Grossvater verstarb im Jahr 2006. Ohne das Testament wären die Enkelkinder nach dem Tod ihrer Mutter gesetzlich Erben des Grossvaters geworden. Durch das Testament wurden sie enterbt. Infolge der Enterbung stehen ihnen Pflichtteilsansprüche am Nachlass zu. Der gesetzliche Pflichtteilsanspruch beträgt die Hälfte dessen, das der Pflichtteilsberechtigte bekommen hätte, wenn er Erbe geworden wäre.

Zusätzlich zum Pflichtteil steht dem Pflichtteilsberechtigten ein Pflichtteilsergänzungsanspruch zu, wenn der Erblasser vor seinem Tode Vermögen verschenkt hat. 

Mit der Vorschrift will der Gesetzgeber verhindern, dass der Erblasser sich „arm“ schenkt und damit den Pflichtteilsanspruch unterläuft. Der Großvater verstarb im Jahr 2006. Die Enkel erben von ihm nichts, sie haben lediglich den Anspruch auf den Pflichtteil. Allerdings soll der Großvater vor der Geburt der Enkelkinder, also vor 1976, Vermögen an die Großmutter verschenkt haben. Wäre das der Fall, dann wäre der Pflichtteil durch die Schenkung kleiner geworden. Den Enkelkindern könnte daher ein Pflichtteilsergänzungsanspruch zustehen. Da sie aber nicht wissen, welche Vermögenswerte der Großvater der Großmutter geschenkt hat, haben sie auch einen Auskunftsanspruch.

Die enterbten Enkel wollen Pflichtteilsergänzungsansprüche gegenüber der Großmutter geltend machen.

Sie wollen zunächst von der Großmutter wissen, welche Vermögenswerte der Großvater ihr geschenkt hat. Diese Vermögenswerte können dann fiktiv dem Nachlass zugerechnet werden. Da sich damit rechnerisch der Nachlass erhöht, erhöht sich auch der Pflichtteil um den Ergänzungsanspruch. Nachdem die Enkelkinder in der ersten Stufe die Auskunft erhalten haben, können sie in der zweiten Stufe den Ergänzungsanspruch berechnen.

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch besteht auch hinsichtlich Schenkungen des Erblassers, die vor der Geburt der Pflichtteilsberechtigten erfolgt sind.

Der Bundesgerichtshof rückt mit seinem neuen Urteil von seiner bisherigen Rechtsprechung ab. Mit seiner aktuellen Rechtsprechung hat der BGH entschieden, dass der Pflichtteilsergänzungsanspruch auch dann besteht, wenn der jetzige Pflichtteilsberechtigte im Zeitpunkt der Schenkung noch nicht geboren war. Seine entgegenstehende frühere Rechtsprechung der so genannten Doppelberechtigung, dass die Pflichtteilsberechtigung nicht nur im Zeitpunkt des Erbfalles sondern auch schon im Zeitpunkt der Schenkung bestanden haben muss, gibt der BGH ausdrücklich auf. Der BGH stellt nunmehr auf Wortlaut und Entstehungsgeschichte des Pflichtteilsrechts ab, wonach der Zweck der Pflichtteilsregelungen darin besteht, eine Mindestteilhabe naher Angehöriger am Vermögen des Erblassers sicherzustellen. Zur Erreichung dieses gesetzgeberischen Zweckes ist es unerheblich, ob derjenige, der mit dem Erbfall nicht Erbe wird, sondern das der Pflichtteil erhält, in dem Zeitpunkt bereits pflichtteilsberechtigt war, in dem der Erblasser die Schenkung gemacht hat. Es kommt nicht mehr darauf an, ob die im Zeitpunkt des Todes des Erblassers Pflichtteilsberechtigten im Zeitpunkt der Schenkung noch nicht pflichtteilsberechtigt waren, weil sie zum Beispiel noch nicht geboren waren oder der vor ihnen vorrangig pflichtteilsberechtigte Elternteil noch gelebt hat. Die bisher vertretene Auffassung verstößt gegenüber der neuen Auffassung gegen den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz, weil die ungleiche Behandlung hinsichtlich des Bestehens des Pflichtteilsergänzungsanspruch von dem zufälligen Umstand abhängt, ob der Berechtigte vor oder nach der Schenkung geboren wurde.

§ 2325 BGB bestimmt, dass der Pflichtteilsberechtigte als Ergänzung des Pflichtteils, wenn der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht hatte, den Betrag verlangen kann, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird. Der Gesetzeswortlaut stellt ausschließlich darauf ab, dass jemand gegenüber dem Erblasser pflichtteilsberechtigt ist, enthält jedoch keinerlei Einschränkung, dass die Pflichtteilsberechtigung bereits zum Zeitpunkt der Schenkung bestanden haben muss.