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Sufismus – Spiritualität, Vielfalt und die Suche nach der Liebe

Islamische Mystik und ihr Suchen nach der Liebe Gottes abseits der Orthodoxie ist die faszinierende Verbindung zwischen hoher Transzendenz und Volksglauben.

Der Islam erscheint nach außen hin immer als die große Unbekannte. Als Religion wird sie vom westlichen Menschen meist sehr eindimensional gesehen. Seine Vielfalt und die Menge an Ausprägungen gehen in einer solchen Betrachtungsweise verständlicherweise verloren oder sind nicht vorhanden. Die Islamische Mystik, besser bekannt unter dem Begriff des Sufismus oder Tasawwuf, ist ein Teil des Pluralismus in dieser Religion, welche den Monotheismus wahrlich überzeugend vertritt. Durch die Kriege, welche gegenwärtig gegen und innerhalb dieser Religion geführt werden, gehen diese Betrachtungen verloren und werfen ein falsches Bild auf Außenstehende.

Der Sufismus als Bewegung

Der Sufismus, von den Muslimen selten als solcher auch bezeichnet, begann mit seiner Ausdehnung im zehnten Jahrhundert und entwickelte sich zu einer Massenbewegung und einem Volksglauben, der oft mit der muslimischen Orthodoxie in Konflikt geriet. Der Sufismus wird auch oft als dritte große Strömungen neben Sunniten und Schiiten angesehen. Als nicht-intellektuelle volkstümliche Bewegung innerhalb der islamischen Gedankenwelt, die sich auf der ständigen Suche nach Gott und dem Ausdruck seiner Liebe befindet. Ebenso wie die Schia, entstand der Sufismus als Gegenpol zur sunnitischen Orthodoxie, auf der Suche nach den tiefen, verborgenen Bedeutungen des Korans, der muslimischen Offenbarung. Der Lobpreisung Muhammads aus dem die Inspiration des Islam als Ganzes und des Sufismus im Besonderen gezogen wird. Gesprochen wird oft vom Licht Muhammad – Nur Muhammed. Die Versenkung und das totale Aufgehen in einer Vereinigung mit Gott, dem Geliebten, die Beziehung des einzelnen Menschen zu Gott als Liebesverhältnis, bis zum Tode, wo die endgültige Vereinigung erfolgt.

Gedenken an Allah, der Dhikr und Volksglaube

Das Gedenken an Gott wird als Dhikr bezeichnet, eines der wichtigsten Rituale im Sufismus. Dieser kann auf die verschiedenste Art und Weise vollzogen werden. Das Ritual wird laut oder auch in Ruhe durchgeführt, getanzt, wie wir es von den Mevlevi-Derwischen kennen, gesungen oder gesprochen wie die ständige Wiederholung der 99 Namen Gottes. Solange, bis sich der Bruder des jeweiligen Ordens in Versenkung befindet, um Gott näher zu sein. Die Verehrung der Gräber und Mausoleen verstorbener Sufi-Meister, der Pirs (persisch) oder Schaichs (arabisch), ist Tradition unter der Bevölkerung, die diesem Volksglauben anhängt. Auch nach dem Verbot der türkischen Sufi-Orden durch die gewaltsame Säkularisierung Atatürks, lebte diese noch weiter – versteckt oder öffentlich toleriert. Anderorts, wird sie verfolgt, wie in Saudi-Arabien, wo der Wahhabismus in seiner strikten Auslegung des Verehrungsverbotes, dem Sufismus Ketzerei vorwirft oder in der islamischen Republik Iran, wo die Orden einer strengen Überwachung durch die Revolutions-Garden und der Staatsgewalt unterliegen.

Diese Art eines Volksislam in Abstand stehend zur Orthodoxie, zur intellektuellen Abhängig von der Ulema, den islamischen Rechtsgelehrten, finden wir überall in der Welt. Jedoch in Indien und Zentralasien, hat diese Ausprägung sehr starken Einfluss auf den religiösen Alltag der Gläubigen. In der Zeit der indischen Mogul-Herrschaft (16. Bis 18. Jahrhundert) übten sufische Gelehrte starken Einfluss auf die Herrscher wie Akbar, Shah Jahan oder auch Aurangzeb aus und dienten daher auch zu deren Rechtfertigung. Anfangs noch eine Sekte auf Wanderschaft, oft extreme Askese betreibend, um so näher an Gott, näher an der Wahrheit zu sein, kamen aus dieser Geistesströmung viele der großen islamischen Denker, Poeten und Meister der Mystik hervor. Diese waren auf der Suche nach der Liebe Gottes, es ging ihnen darum die Liebe Allahs zum Menschen zu erkennen. Die Kraft und den Ausdruck der Schöpfung, in der Beziehung zwischen Allah und den Menschen.

Schöpfung und Liebe

Die Schöpfung und die Liebe als zwei sich ergänzende Begriffe. In der Betrachtung der Schöpfung kann die Liebe Allahs zum Menschen erkannt werden, und es liegt in unserer Hand damit entsprechend umzugehen. Gottes Botschaft aufzunehmen, wie ein Glas in das Wasser fließt aber nie zu Ende gefüllt ist und sich auf Wanderschaft begeben, von einer Stufe der Erkenntnis zur nächsten. Tariqua, der Weg der spirituellen Wanderschaft, den nur ganz wenige zu Ende gehen und dann als Meister das erworbene Wissen an Schüler und Orden weitergeben.

Bedeutende Mystiker

Der im heutigen Afghanistan geborene persische Mystiker und Dichter Dschalal al-Din Rumi (1207 – 1273), der Gründer des Mevlevi-Ordens, besser bekannt als die Tanzenden Derwische (Derwisch ist die persische Bezeichnung für „Armer“, die arabische dafür ist „faquir“), der mit seinen Gedichten die unendliche Liebe zum Geliebten, zu Allah und zur Schöpfung in Schrift fasst, ist einer der bekanntesten seiner Zunft. Oder Al-Ghazali (1058 – 1111), der bedeutende islamischen Mystiker, der Zeit seines Lebens damit verbrachte, den Sufismus der Orthodoxie anzunähern. Al Ghazali war nicht nur Sufi, sondern auch ein traditionalistischer Gelehrter und hat durch seine Arbeit wesentlich an der Anerkennung des Sufismus im traditionellen Islam beigetragen.

Rabia von Basra, ein ehemalige Sklavin, deren Herr ihr die Freiheit gab, als er merkte, welche Kraft in ihr und um sie war. Sie entsagte der Welt und ihre Verse zeugten von der vollständigen Liebe zu Gott. Sie zog durch die Lande, bettelarm und ohne Habseligkeiten. Der harte Boden war ihre Liegestatt, ein Stein ihr Kissen und eine Bettelschale für Almosen in der Hand. Mehr benötigte sie nicht, denn sie entsagte, um so den Weg der Erkenntnis zu finden. Muinuddin Chisti (circa 1140 bis 1230), einer der vielen Mystiker Indiens, begründete den Chistiyya-Orden, dessen Zentrum im indischen Bundesstaat Rajasthan, in Ajmer liegt. Ein Besuch dieser Moschee, dieses Konvents lohnt sich. Der Ausdruck von Vielfalt spiegelt sich hier in der Tatsache, dass nicht nur Muslime Einkehr suchen, sondern ebenso Hindus, Sikhs und Christen spirituelle Kraft suchen. Unter Gesängen und Gebeten, findet der Gläubige hier die Schönheit und faszinierende Vereinnahmung spirituellen Gedenkens.

Muhammad Iqbal (1877 bis 1938) war einer der wichtigsten islamischen Mystiker und Dichter des 20. Jahrhunderts, einer der geistigen Gründerväter Pakistans, der für die Rückbesinnung auf die muslimische Größe und für die Errichtung eines eigenen Staat eintrat. Die Gründung der ersten islamischen Republik durfte dieser große Mann allerdings nicht mehr erleben und nicht zu vergessen natürlich Ibn Arabi (gestorben 1240), ein Gelehrter aus Al Andalus, dem heutigen spanischen Andalusien, der die Schöpfung als ein zusammenhängendes von Allah geschaffenen Ganzes betrachtete.