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VJ-101C – Erster Überschall-Senkrechtstarter der Welt

Mit dem Bau und den Tests des V/STOL-Waffensystems VJ-101C konnte nachgewiesen werden, dass der deutsche Nachkriegs-Flugzeugbau wieder konkurrenzfähig war.

Die Firma Entwicklungsring Süd (EWR Süd), ein Gemeinschaftsunternehmen der Ernst Heinkel Flugzeugbau, der Messerschmitt AG und der Bölkow GmbH, entwickelte im Jahr 1959 eine VTOL- Konzeption mit der Bezeichnung VJ-101 C. Es wurde als senkrecht startender Abfangjäger definiert und durch eine Forderung des Bundesverteidigungsministeriums vom Juli 1959 so gefordert.

Im Wesentlichen war das Fluggerät dadurch gekennzeichnet, dass im Schwebeflug erstmals mit der so genannten Schubmodulation gesteuert wurde. Das damals neuartige Verfahren war durch die im Grundriss des Flugzeuges dreieckförmig angeordneten Triebwerke möglich. Erfolgreiche Vorversuche mit einer Einachsen-Wippe und auf einem Schwebegestell bestätigten die Weiterführung der Versuche.

Programmstart mit zwei Versuchstypen

Nachdem der Führungsstab der Luftwaffe 1961 seine Forderungen für ein Nachfolgemuster der Lockheed F-104 G Starfighter inzwischen geändert hatte, stand das gesamte Programm fast vor dem Aus. EWR Süd entschied sich aber für die Fertigung von zwei X-Typen und für deren Muster- und Systemerprobung. Das Sammeln von praktischen Erfahrungen auf dem Gebiet der VTOL-Technik war auch ein ausschlaggebender Grund für diese Entscheidung. Die beiden X-Muster wurden bei Messerschmitt in Augsburg-Haunstetten aus einzelnen Baugruppen vormontiert und die Endmontage erfolgte in Manching in einer Messerschmitt-Halle, die entsprechend dafür hergerichtet wurde.

Im Dezember 1962 wurde die Endmontage der VJ-101 C X 1 abgeschlossen und am 19. Dezember begann die Erprobung der X 1. Hierfür wurde eine Einrichtung entwickelt, mit der das Flugzeug in gefesseltem Zustand auf die Funktion aller für einen Flug wichtigen Komponenten geprüft werden konnte. Das Trägergerüst ließ freie 10°-Schwenkbewegungen um alle drei Achsen zu und bewährte sich während der gesamten Bodenerprobungen hervorragend.

Erster Schwebeflug der X-1

Am 10. April 1963 erhob sich die VJ-101C X 1 erstmals zu einem freien Schwebeflug. Gesteuert wurde sie von George F. Bright, dem Chef-Testpiloten der EWR Süd, der auch schon das Schwebegestell getestet hatte. Ihm wurde der deutsche Nachwuchs-Testpilot Ludwig Obermeier zur Seite gestellt, der auch für die Flugerprobung der VAK 191 B von VFW-Fokker verantwortlich war. Aufgrund der vorangegangenen Tests auf dem Stativ traten während der einzelnen Erprobungsphasen mit der X 1 keinerlei Schwierigkeiten auf.

Mitte Mai 1963 wurde die Maschine in Manching erstmals offiziell vorgeführt, wobei ihre Stabilität im Schwebeflug bei der Fachwelt allgemeine Bewunderung fand. Am 31. August 1963 begann die Erprobung der X 1 im Horizontalflug. Am 20. September 1963 wurde erstmalig die Start- und die Landetransition realisiert. Der erste echte Flug mit vertikalem Start und vertikaler Landung fand am 8. Oktober 1963 statt. Weitere Flüge dieser Art und eine Demonstration vor der Presse und dem Fernsehen am 16. Oktober 1963 folgten.

Deutsche Luftfahrtindustrie durchbricht Schallmauer

Die Vorführung der VJ-101 C X 1 (D-9517) auf der Deutschen Luftfahrtschau 1964 in Hannover-Langenhagen war für die anwesende internationale Fachwelt das absolute Highlight. Anerkennung war der einheitliche Tenor, auch im Vergleich mit den Leistungen der englischen Hawker P. 1127 und der französischen AMD Balzac. Mit der VJ-101 C X 1 wurde gleichzeitig auch der Öffentlichkeit der hohe Leistungsstand der deutschen Luftfahrtindustrie demonstriert. Die X 1 absolvierte in Langenhagen sechs Transitionsflüge und einen Schwebeflug, danach wurde sie auf dem Luftweg wieder nach Manching zurückgebracht.

Die folgenden Versuche sahen einige Hochgeschwindigkeitsflüge vor, in deren Verlauf das Flugzeug am 29. Juli 1964 mit Mach 1,04 erstmals schneller als der Schall flog. Diese Leistung war ein erneuter Beweis für die hervorragende Konzeption dieses Flugzeugmusters.

Verlust der X-1

Doch der Erfolg sollte nicht von langer Dauer sein. Am 14. September 1964 ging die X 1 kurz nach einem Start durch einen Unfall verloren. Nachdem die Maschine abgehoben hatte, traten in etwa 10 m Höhe und bei einer Geschwindigkeit von 250 km/h plötzlich Steuerungsschwierigkeiten auf. Es folgte eine Rollbewegung, die derart unkontrollierbar wurde, dass sich Bright mit seinem Schleudersitz retten musste. Die X 1 sackte durch, schlug auf die Startbahn und fing sofort Feuer. Nach etwa 600 m kam die brennende Maschine zum Stillstand und konnte gelöscht werden.

Untersuchungen des Unfalls ergaben, dass ein Fehler in der Steuerungsanlage für den Horizontalflug die Ursache war. Die Triebwerke liefen bis zum Aufschlag einwandfrei und auch ein Bedienungsfehler von Bright lag nicht vor. Entscheidende Mängel in der Konstruktion konnten nach dem Absturz der X 1 auch nicht festgestellt werden. Mit diesem schweren Verlust endete auch die Flugerprobung dieses Musters, die man aber schon mit dem Erreichen der Schallgeschwindigkeit als abgeschlossen betrachtete.

Umfangreiches Versuchsprogramm mit beiden X-Typen absolviert

Im Rahmen von 132 Versuchen wurden 40 aerodynamische Flüge, 24 Schwebeflüge, 14 Volltransitionen, 5 Lande- und 2 Starttransitionen, 20 Horizontalstarts und 17 Horizontallandungen durchgeführt. Die Erprobung der VJ-101 C X 1 begann am 19. Dezember 1962 und endete am 14. September 1964. Die Gesamtflugzeit betrug 15 Stunden und 26 Minuten.

Am 27. Oktober 1964 begann die Erprobung der inzwischen fertig gestellten X 2 und bis zum 30. Juni 1965 konnten 28 Versuche mit 2 Schwebeflügen durchgeführt werden. Am 12. Juli 1965 startete George Bright mit dem Flugzeug D-9518 erstmals horizontal. Am 10. Oktober folgte der erste Senkrechtstart und zwölf Tage später gelang Bright eine vollständige Start- und Landetransition. Im Dezember 1970 flog die X 2 erstmals mit einer Geschwindigkeit, die nur wenig unter Mach 1,0 lag und am 21. April 1971 übertraf sie dann mit Mach 1,14 auch die Geschwindigkeit der X 1. Die Gesamterprobung der zweiten VJ-101 C endete am 27. Mai 1971 mit dem Versuch Nr. 325. Danach wurde die Maschine von der E-Stelle 61 in Manching übernommen. Heute befindet sich das Muster X 2 im Erdgeschoss des Deutschen Museums, in der neuen Luft- und Raumfahrthalle.

Das Konzept VJ-101 C basierte ursprünglich auf der Forderung, mit einem VTOL-Flugzeug leistungsmäßig die Nachfolge des Waffensystems Lockheed F-104 G anzutreten. Die VJ-101 C war ursprünglich als Abfangjäger für Einsätze in großen Höhen ausgelegt. Man entschied sich Anfang 1961 sogar für den Entwurf einer zweisitzigen Trainerversion mit der Bezeichnung VJ-101 C X 3. Obwohl die deutsche Luftfahrtindustrie ein hervorragendes Flugzeug entwickelt hatte, das alle Forderungen erfüllte und in der VTOL-Technik ein absoluter Durchbruch war, wurden in der Folgezeit die Erfahrungen mit diesem Gerät nur wenig weitergenutzt.