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Widerstandskraft ist entscheidend

Schwierige Lage muss nicht zum Versagen führen. Die Widerstandskraft in schwierigen Lebenssituationen ist nicht jedem gegeben. Sie ist aber keineswegs angeboren, sondern muss erlernt werden.

Manche zerbrechen an den Schicksalsschlägen und Lebensdramen. Andere leiden zwar auch über eine kurze oder längere Zeit – stehen dann aber wieder auf.

Was das Steh-auf-Männchen-Phänomen ausmacht, versuchen Resilienzforscher seit ein paar Jahrzehnten herauszufinden. Im Englischen bedeutet das Wort resilience Elastizität und Unverwüstlichkeit. Und darum geht es auch: um die Widerstandskraft, die überleben hilft; auch unter denkbar schlechtesten Umständen.

Eine notorische Lügnerin

In einem Vortrag beschreibt der Pädagoge Manfred Burghardt einen besonderen Problemfall: „Das Mädchen ist 9 Jahre alt. Die Mutter starb noch vor ihrem ersten Geburtstagsfest. Ihr Vater ist viel unterwegs und kümmert sich nur sporadisch um sie. Ein Einzelkind, eine notorische Lügnerin, die regelmäßig die Schule schwänzt, gewalttätig gegen Jungs ist, morgens schläft und abends nicht ins Bett kommt. Ihre motorische Unruhe und ihr Bewegungsdrang legen eine ADHS-Diagnose (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätssyndrom, Anm. GG) nahe. Das Mädchen kann nicht lesen und nicht schreiben. Nach einer Heimeinweisung ist sie ausgebüchst und konnte nicht dazu gebracht werden, wieder dorthin zurück zu kehren“.

Trotz dieser Anhäufung von Hindernissen und Katastrophen setzt sich das Mädchen dennoch durch. Eine wahre Lebenskünstlerin also. Dazu nicht ganz unbekannt: Sie heißt Pippi Langstrumpf.

Selbständigkeit stärkt

In einer Pionierstudie haben Forscher über eine Zeitspanne von 40 Jahren den gesamten Jahrgang 1955 – fast 700 Kinder – auf der hawaiianischen Insel Kauai begleitet. Dabei haben sie einen Teil als gefährdet eingestuft – durch Armut, elterliche Psychopathologien, geringes Bildungsniveau.

Dennoch entwickelte sich ein Drittel der Risikokinder prächtig zu selbstbewussten Erwachsenen. Diese Kinder zeichneten weder besondere Intelligenz noch außergewöhnliche Talente aus.

Was sie aber vom Rest unterschied, war ihre Selbständigkeit und Unabhängigkeit. Sie gingen Probleme selbst an. Und sie hatten sich auch getraut andere, um Hilfe zu bitten, wenn es nötig war. Ihnen wurde im Jugendalter eine höhere Sozialkompetenz attestiert. Sie zeigten Empathie und Hilfsbereitschaft gegenüber anderen Menschen.

Viele von diesen Kindern mussten früh die Verantwortung für jüngere Geschwister übernehmen und den Haushalt führen. Dies trug zur Entwicklung ihres Ausdauervermögens und ihrer Selbstsicherheit bei.

Nicht von allein

Die Studie belegt eindeutig, dass innere Widerstandskraft nie in einem Vakuum entsteht. Es müssen unterschiedliche Voraussetzungen erfüllt werden, damit sie sich entwickeln kann.

Die kleinen „Widerständler“ haben wenigsten zu einer Person in der Familie eine enge, positive Bindung aufbauen können. Die Grundlagen dieser Beziehung bildeten Wertschätzung, Respekt dem Kind gegenüber und Akzeptanz.

Darüber hinaus fanden Kinder auch außerhalb der Familie eine emotionale und soziale Unterstützung. Es waren oft die Lehrer, die sie ermutigten und ihnen aufmerksam begegneten.

Auch kommunalen Institutionen formten mitunter ein Glied in der Unterstützungskette und stellten unbürokratisch professionelle Hilfe bereit.

Andersherum

Die Resilienz-Forschung bringt einen Paradigmen-Wechsel mit sich: Es werden nicht mehr Defizite fokussiert, sondern die Stärken ausfindig gemacht.

In der pädagogischen Umsetzung wird man sich dementsprechend um die Steigerung der kindlichen Kompetenzen bemühen. Der richtige Umgang mit Stresssituationen und erfolgreiche Bewältigungsmuster sollten trainiert und die Eigenverantwortung und das Selbstbewusstsein gestärkt werden. „Resilienzpädagogik“ scheint vielversprechend, weil Widerstandskraft nicht angeboren ist, sondern erlernt werden muss.

Migration als eine besondere Herausforderung

Ein Migrationshintergrund scheint zusätzlich zu den gemeinen Risiken noch viele spezifische Belastungen mit sich zu bringen, wie Sprachprobleme, traumatische Erlebnisse in der Heimat, Status- und Anerkennungsdefizite, fehlende Netzwerke. Auch der Besuch einer Hauptschule, wo junge Ausländer meist landen, soll sich negativ auf die spätere Suche nach einem Ausbildungs- und Arbeitsplatz auswirken.

Mit diesem wenig erforschten Gebiet beschäftigt sich eine Studie, die 2009 abgeschlossen wird, über die Strategien der Lebensbewältigung junger Migranten und Migrantinnen mit Hauptschulabschluss.

Die Forscher haben sich für zwei Gruppen entschieden: Jugendliche mit türkischem Hintergrund und Spätaussiedler.

Auf der Basis der aus der Studie gewonnenen Erkenntnisse sollen Förderkonzepte für die pädagogische Praxis entstehen.