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Wie funktioniert Kapitalismus

Eine Definition des Kapitalismus verrät, dass er sich historisch entwickelt hat und auf privatem Eigentum sowie freien Märkten basiert. In wirtschaftlichen Krisen wird meistens das gegenwärtige Wirtschaftssystem in Frage gestellt. Genauso ist es dem Kapitalismus während der Finanz- und Wirtschaftskrise am Anfang des 21. Jahrhunderts ergangen, wobei die Kritik daran mangels Alternativen nicht so heftig ist, was nicht heißen soll, dass Leute aus dem politisch linken Spektrum den Kapitalismus durch ein sozialistisches System ersetzen wollen. Manche sprechen sogar oft vom ‚Raubtierkapitalismus’. Doch Kapitalismuskritik wurde schon in den Jahrhunderten zuvor geübt. Einer der größten Kritiker des Kapitalismus und Vater des Sozialismus/Kommunismus, Karl Marx, gab ihm sogar seinen Namen. Der Begriff fordert aber eine genaue Erklärung. Aus diesem Grund sind eine historische Einordnung und eine Definition angebracht.

Die Vorläufer: Das Lehnswesen und der Merkantilismus

Der Kapitalismus ist, historisch gesehen, in erster Linie ein europäisches Phänomen. Im Europa oder, genauer gesagt, Großbritannien des 18. Jahrhunderts hatte dieses marktorientierte Wirtschaftssystem seinen Durchbruch und löste das mittelalterliche Lehnswesen sowie den neuzeitlichen Merkantilismus ab. Das Mittelalter kannte keinen modernen Flächenstaat, sondern nur ein gewohnheitsrechtliches Netz von Verträgen zwischen Personen (Lehnswesen) bzw. einen Personenverbandsstaat, der ,Schutz nach Außen’, ‚minimale Armenfürsorge’ sowie Recht und Ordnung im Inneren versprach. Wenn ein Lehnsvertrag geschlossen wurde, war ein Vasall dazu verpflichtet, einem höherrangigen Lehnsherrn Gehorsam, Frondienst (d.h. Arbeitstage auf dem Herrenhof), Spanndienste (d.h. mit Tieren auf dem Herrenhof zu verrichtende Arbeiten) und – bei Bedarf – militärische Dienste zu leisten. Entlohnt wurde der Vasall vom Lehnsherrn im Gegenzug mit der Herrschaft über einen ihm möglichst den Lebensunterhalt sichernden Grundbezirk (dem Lehen). Der Lehnsherr hatte außerdem die Pflicht, Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten zu fällen.

Allgemein spiegelte das Lehnswesen die hierarchische Struktur (Lehnspyramide: König/Kaiser -> geistiger und weltlicher Hochadel -> Niederadel -> Leibeigene) der Königreiche wider. Hinsichtlich der Güterproduktion war die mittelalterliche Ökonomie zu einem großen Teil durch die Agrarwirtschaft geprägt, wohingegen der Anteil von Handwerk, Gewerbe und Handel relativ gering war. Die Wirtschaft im Mittelalter war damit überschaubar, kleinräumlich sowie kleinbetrieblich. Nach der Herausbildung von Flächenstaaten kam im 16./17. Jahrhundert der Merkantilismus/Kameralismus auf. Zur Festigung der Macht der absolutistischen Fürsten unternahmen die Merkantilisten den Versuch, eine Wirtschaftspolitik zu entwickeln, damit die Fürsten die richtigen rechtlichen Anordnungen trafen und eine förderliche Infrastrukturpolitik betrieben, um den Wohlstand des jeweiligen Landes oder die Steuereinnahmen in seiner Schatzkammer (lat. camera) zu mehren. Ferner zielte der Merkantilismus darauf ab, im Standortwettbewerb Produktionsfaktoren anzuziehen und – im Zuge der Verteilungskämpfe mit anderen Staaten – durch Handelsgewinne dem eigenen Land internationale Liquidität (insbesondere Gold) zur Mehrung der eigenen Machtbasis zu verschaffen.

Der Merkantilismus der frühen Neuzeit ist aber nicht mit dem Kapitalismus gleichzusetzen, obwohl bei ersterem Kapital akkumuliert und investiert wurde sowie mit Anteilen an Unternehmen gehandelt wurde. Die Kaufleute waren nämlich überhaupt nicht unabhängig vom Staat bzw. seinen Interessen. Beispielsweise manipulierten die Merkantilisten zum vermeintlichen Vorteil für die jeweilige Nation die Märkte. Von einer freien Marktwirtschaft wie sie die klassische kapitalistische Theorie intendiert kann daher nicht die Rede sein. Elemente für ein kapitalistisches Wirtschaftssystem waren nichtsdestotrotz in den Gesellschaftsstrukturen der europäischen Staaten und speziell in Großbritannien seit dem Mittelalter und der frühen Neuzeit schon vorhanden. Zu diesen Elementen (besonders in Großbritannien) zählten zum Beispiel das Anwachsen von Produktion, Konsum, Märkten oder die Entstehung immer größerer Unternehmen. Sie ebneten schließlich den Weg für den Kapitalismus im 18. und 19. Jahrhundert. Dieser ist seitdem weltweit zum dominanten Wirtschaftssystem geworden.

Eine Definition des Kapitalismus

Der Kapitalismus bezeichnet generell ein System der feien Marktwirtschaft. Prinzipiell sind in diesem Wirtschaftssystem die Märkte unabhängig und die Menschen selbständige Individuen, die aus freien Stücken ihre Arbeitskraft verkaufen, Verträge aushandeln oder sich zu Unternehmen zusammenschließen. Hier wird darüber hinaus das Recht auf privates Eigentum vorausgesetzt und Privatpersonen gestattet, über ihr Vermögen frei zu verfügen, darüber zu entscheiden oder es einzusetzen. Eigentum sowie die Produktionsfaktoren besitzen demnach nicht wie im Sozialismus/Kommunismus der Staat, sondern Privatpersonen bzw. individuelle Bürger oder Gruppen von ihnen. Aufgrund der Bedeutung des privaten Eigentums nennen manche den Kapitalismus auch ‚Eigentumismus’ (eng. ‚propertyism’). Die Freiheit über sein eigenes Vermögen zu verfügen ist insgesamt ein Hauptmerkmal einer kapitalistischen Gesellschaft. Ebenso erwähnenswert ist im traditionell definierten Kapitalismus die Freiheit zwischen verschiedenen Optionen, Produkten und Dienstleistungen zu wählen oder seine eigene Arbeitssituation zu bestimmen. Für Einschränkungen und einen friedlichen Ablauf sorgen dabei die von allgemein anerkannten Institutionen verabschiedeten Regelungen.

Unter Kapitalismus versteht man auch im Allgemeinen die Investition von Kapital (d.h. Eigentum oder Geld) in der Erwartung mehr Geld im Wettbewerb mit anderen Korporationen zu verdienen oder einen Gewinn zu erzielen. Die Maximierung von Profiten ist nach klassischen ökonomischen Auffassungen hauptsächlich von den Vorgehensweisen und Entschlüssen der frei handelnden wirtschaftlichen Akteure bzw. Unternehmen abhängig. Um gegenüber anderen Firmen wettbewerbsfähig zu bleiben und die Produktion sowie Konsum der eigenen Produkte und Dienstleistungen zu steigern, sind nämlich der effiziente Einsatz von Lohnarbeitskräften und technischen Gerätschaften/Innovationen notwendig. Sowieso durchzieht oder dominiert in kapitalistischen Gesellschaften das Prinzip von Angebot und Nachfrage alle Aspekte des ökonomischen Lebens, in dem Märkte als Knotenpunkte der wirtschaftlichen Aktivitäten die Verknüpfung von Produktion und Konsum realisieren. Kapital und Arbeit sind insgesamt in einer kapitalistischen Gesellschaft potentiell mobil (einsetzbar), wobei hierbei immer natürliche Beschränkungen auftreten.

Unterschiedliche Gesichter des Kapitalismus

Trotz der oben aufgeführten Definition sind Verweise auf die verschiedenen Gesichter eines kapitalistischen Wirtschaftssystem wichtig. Man unterscheidet etwa zwischen einem industriellen Kapitalismus und einem Finanzkapitalismus. Ohnehin existierten durch die Geschichte hindurch unterschiedliche Arten des Kapitalismus und auch im 21. Jahrhundert weisen viele Staaten oder Kulturen auf der Welt sich voneinander unterscheidende kapitalistische Systeme auf. Dazu können gegeneinander konkurrierende ökonomische Schulen ausgemacht werden. So legt zum Beispiel der Keynesianismus im Hinblick auf die Produktion sowie die Beschäftigung großen Wert auf die gesamtgesellschaftliche Nachfrage und gesteht dabei dem Staat Koordinationsaufgaben zu, während die österreichische und die Chicagoer Schule beispielsweise auf eine vom Staat unabhängige bzw. freie Marktwirtschaft insistiert.