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Zwangsstörungen im Jugendalter

Sie sind belastend für die Familie und das Umfeld. Sie erzeugen Angst beim Teenager und beeinflussen massiv sein Leben. Und sie sind eine ernsthafte Erkrankung.

Ein Jugendlicher will zu einem Freund. Er schließt die Tür und nach einer halben Minute kommt er wieder zurück, geht in sein Zimmer und überprüft, ob die Zimmertür wirklich geschlossen ist. Das passiert 30 mal, bis er sich endlich entschließen kann zu gehen, und eine Stunde zu spät beim Freund zu erscheinen. Die Eltern kennen das Spiel schon und antworten nicht mehr darauf – es findet kaum Beachtung, denn der Teenager macht jeden Tag und bei jeder Gelegenheit das Gleiche.

Zwangsstörungen – keine Seltenheit

Was sich fremd und ungewohnt anhört, ist eine der häufigsten psychiatrischen Erkrankungen im Jugendalter. Neuere Studien gehen davon aus das rund ein Prozent aller Kinder und Jugendlichen an dieser Störung leiden. Mehr als die Hälfte aller zwangserkrankten Erwachsenen entwickelten die Störung bereits im Kinder- und Jugendalter hier gehäuft vor dem 14. Lebensjahr. Zu unterscheiden ist hierbei allerdings ein übergroßer Ordnungssinn eines Teenagers, der als Durchgangsphase vorkommen kann, wenn auch selten. Die Übergänge zur Erkrankung können fließend sein und fallen oftmals erst auf, wenn das Vollbild gezeigt wird.

Was sind Zwangsstörungen?

Zwangsstörungen äußern sich durch ein Verhalten, dass zwanghaft ausgeführt wird. Sehr bekannt ist hierbei der Waschzwang, bei dem sich die Jugendlichen ständig die Hände waschen und dadurch die Haut schädigen. Auch der Zwang ständig zu putzen ist noch recht bekannt. Es gibt aber auch Zwangsstörungen, die weniger bekannt sind.

Ein Beispiel sind die Zwangsgedanken. Hierbei muss ein bestimmter Gedanken immer wieder gedacht werden. Oft drehen sich die Gedanken um Themen wie Tot, Sterben oder Verletzungen, die den Jugendlichen selbst betreffen. Auch zwanghafte Ideen oder bildhafte Vorstellungen kommen oft vor und gehören in diese Kategorie.

Ein weiteres Bild sind die Zwangshandlungen. Häufig finden sich die erwähnten Wasch-, Kontroll- und Ordnungszwänge. Die Zwänge können sich steigern und zu Ritualen ausweiten. Dann werden die Zwänge in einer festen Reihenfolge gelebt. Die Rituale nehmen dabei häufig sehr komplexe Formen an und halten die Teenager die Reihenfolge nicht ein, dann müssen sie noch einmal von vorne beginnen.

Die Jugendlichen sind sich bei ihren Handlungen und Gedanken darüber bewusst, dass sie sinnlos sind. Dennoch können sie nichts an ihrem Problem ändern. Unterdrücken sie den Zwang einfach, dann fühlen sie sich im günstigen Fall einfach unwohl und werden unruhig. Im schlimmsten Fall bekommen sie Angst bis hin zu einer Panik. Mit jeder Sekunde, die sie ihren Zwang unterdrücken, verstärkt sich die Angst, bis die Teenager es schließlich kaum noch aushalten und dem Zwang nachgeben.

Die Situation der Jugendlichen

Nicht nur die Jugendlichen sondern auch die Familien sind bei dieser Störung oft enorm belastet. Zwangsstörungen stellen immer eine starke Einschränkung dar, die zu einem Leidensdruck führen kann, der nicht nur vom Jugendlichen, sondern auch von seinem familiären Umfeld verspürt wird. Gerade bei Kontrollzwängen können die Jugendlichen Termine nicht einhalten, sie kommen zu spät in die Schule und auch die Eltern bekommen regelmäßig Probleme, wenn sie einer Einladung folgen wollen. Oft genug gibt es aus diesen Gründen Streit innerhalb der Familie und vor allem der betroffene Jugendliche macht sich Vorwürfe.

Viele Teenager sind vollkommen isoliert von sozialen Kontakten. Der Freundeskreis kann nicht aufgebaut werden, da der Jugendliche ein bizarres Verhalten zeigt oder weil der Zwang dazu führt, dass andere eingeschränkt werden.

Oft genug werden die Zwänge sowohl von den Betroffenen selbst, als auch von den Eltern bagatellisiert. Dadurch werden die Jugendlichen sehr spät einem Arzt vorgestellt. Die Teenager entwickeln oftmals Depressionen und Ängste die bis zu existenziellen Ängsten reichen.

Zwang kann tyrannisieren

Viele Zwangserkrankte beziehen Eltern und Geschwister mit in ihre Zwänge ein. Werden sie an der Auslebung ihrer Zwänge gehindert, dann können die oftmals angepassten Jugendlichen sehr aggressiv und tätlich reagieren. Gleiches gilt, wenn sich Eltern oder Geschwister nicht in die Zwänge und Rituale einbinden lassen. Viele Jugendliche entwickeln Zwänge, die außerhalb der Familie nicht auftreten. Sie können dann ein relativ normales Leben führen, dass nur wenig eingeschränkt ist.

Therapie der Zwangsstörungen

Behandelt wird mit verhaltenstherapeutischen Maßnahmen. Oftmals findet eine Begleitung mit Medikamenten statt, da die Depressionen und Angstzustände sehr ausgeprägt sein können. Ärzte beachten hierbei, dass die Motivation zur Therapie eher gering ausgeprägt ist, so dass es oftmals sehr schwer ist, eine Behandlung durchzuführen. Stationäre Behandlungen sind nicht unüblich bei dieser Form der Störung, wobei hier die Möglichkeit besteht die soziale Isolation für einige Zeit abzuschalten, da noch mehr Jugendliche vor Ort sind, die mit dem Betroffenen Kontakt aufnehmen.

Das Verhalten der Eltern

Eltern müssen Diskussionen über Sinn und Zweck der Zwänge vermeiden. Vor allem dürfen sie sich nicht einbinden lassen. Sie müssen begreifen, dass es eine Erkrankung und keine Marotte ist. Das Verhalten des Teenagers darf nicht bestraft oder negativiert werden. Der Jugendliche soll angehalten werden, eine Therapie zu machen und dafür auch in die Klinik zu gehen.

Wut und Ärger sollten nicht am Jugendlichen ausgelassen werden, was oftmals sehr schwer fällt.