Alphabetisierung und lebenslanges Lernen

Die Bernburger Thesen im Kontext der Alphabetisierungsdekade. Auf der Fachtagung des Bundesverbandes Alphabetisierung wurden 2013 die Bernburger Thesen bekannt gegeben und an die Tür des Kurhauses in Bernburg geheftet.

Alphabetisierung und Grundbildung sollen, so der Wunsch des Bundesverbandes, zu den Pflichtaufgaben der Schule gehören und als lebensbegleitende Weiterbildung anerkannt werden.

Die dringenden Forderungen zum 25. Jubiläum der Alphabetisierung in Deutschland

Die Mitglieder fordern, dass die politische Zuständigkeit entsprechend der Kompetenz auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene liegen und in der Prävention funktionaler Analphabeten gesichert ist, dass die Schüler die Schule nicht ohne ausreichende Kenntnisse im Lesen und Schreiben verlassen. Der Schriftspracherwerb soll ein fächerübergreifendes Thema in der Lehrerausbildung sein. Desweiteren wird in der Alphabetisierung und Grundausbildung Erwachsener ein flächendeckendes und qualitativ hochwertiges Kursangebot gefordert. Die Berufsausbildung zum Alphabetisierungs- und Grundbildungspädagogen müsse institutionalisiert und ein entsprechendes Ausbildungskonzept entwickelt werden. Die Grundbildungskompetenzen sollten in regelmäßigen Bildungsreporten erfasst und die erzielten Lernfortschritte überprüft werden.

Es sei wichtig, die Öffentlichkeit regelmäßig über das Themenfeld Analphabetisierung zu informieren, um zu einer Entstigmatisierung beizutragen und um die Betroffenen und ihre Vertrauenspersonen auf Hilfsangebote aufmerksam zu machen. Damit die Ziele der Weltalphabetisierungsdekade in Deutschland umgesetzt werden könnten, sei mit öffentlichen Mitteln eine Service-,Beratungs- und Informationsstelle einzurichten. Menschen mit Lese und Schreibproblemen sollten dazu ermutigt werden, ihre Interessen und Bedürfnisse selbstbewusst in der Öffentlichkeit und gegenüber bildungspolitisch Verantwortlichen zu vertreten.

Die Präambel zur Alphabetisierung

Angesichts von schätzungsweise vier Millionen funktionaler Analphabeten in Deutschland, der negativen Ergebnisse der PISA-Studie, die vielen Schülern nur eine schwache Lesefertigkeit bescheinigt, und angesichts der zunehmenden Bedeutung von Schriftsprachlichkeit in der modernen Gesellschaft, in der Wirtschaft und im internationalen Kontext, verabschieden der Bundesverband Alphabetisierung e.V. und rund 160 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Fachtagung „Mit Erfahrung neue Wege gehen – 25 Jahre Alphabetisierung in Deutschland“ in Bernburg (Sachsen-Anhalt) folgende Thesen:

Bernburger Thesen zur Alphabetisierung

1. Alphabetisierung und Grundbildung gehören zu den Pflichtaufgaben von Schule. Die lebensbegleitende, dynamische Alphabetisierung und Grundbildung sollen als Pflichtaufgabe der Weiterbildung anerkannt werden. Die politische Zuständigkeit muss daher entsprechend den Kompetenzen auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene liegen.

2. Im Bereich der Prävention von funktionalem Analphabetismus muss gesichert werden, dass Schülerinnen und Schüler die Schule nicht ohne ausreichende Kenntnisse im Lesen und Schreiben verlassen. Dazu bedarf es regelmäßiger Analysen der Lernstandsentwicklung im Schriftspracherwerb und gezielter Fördermaßnahmen. Im Verlauf der Schulzeit muss es die Möglichkeit zum wiederholten Einstieg in den Schriftspracherwerb geben. Bereits vor der Schulzeit ist frühe Unterstützung durch vorschulische Einrichtungen und familienorientierte Maßnahmen zu gewährleisten.

3. Schriftspracherwerb und funktionaler Analphabetismus müssen fächerübergreifend Pflichtthemen in der Lehrerausbildung sein.

4. Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener erfordern ein flächendeckendes und nachfragegerechtes Angebot an qualitativ hochwertigen Alphabetisierungs- und Grundbildungskursen in Weiterbildungseinrichtungen.

5. Die Berufsausbildung zum Alphabetisierungs- und Grundbildungspädagogen muss institutionalisiert werden. Dazu muss ein entsprechendes Ausbildungskonzept entwickelt werden. Wissenschaft und Forschung müssen sich mit dem Schriftspracherwerb bei Kindern und Erwachsenen befassen sowie didaktische und methodische Leitlinien für Ausbildung, Unterricht und Unterrichtsmaterialien entwickeln.

6. Die Grundbildungskompetenzen der Gesamtbevölkerung sind in regelmäßigen Bildungsreporten zu erfassen und die mit Alphabetisierungs- und Grundbildungsmaßnahmen erzielten Lernfortschritte sind zu evaluieren.

7. Die Öffentlichkeit muss durch die Medien kontinuierlich über das Themenfeld Analphabetismus informiert werden, um einerseits zu einer Entstigmatisierung beizutragen und andererseits die Betroffenen und ihre Vertrauenspersonen auf bestehende Hilfsangebote aufmerksam zu machen.

8. Zur Umsetzung der nationalen Ziele der Weltalphabetisierungsdekade in Deutschland muss eine zentrale, aus öffentlichen Mitteln finanzierte Service-, Beratungs- und Informationsstelle eingerichtet werden.

9. Auch Menschen mit Lese- und Schreibproblemen sollen in Deutschland dazu ermutigt werden, ihre Interessen und Bedürfnisse selbstbewusst in der Öffentlichkeit und gegenüber bildungspolitisch Verantwortlichen zu vertreten. Dazu müssen geeignete Maßnahmen entwickelt und erprobt werden.

Die Fachtagung erfolgte in Zusammenarbeit mit dem UNESCO-Institut für Pädagogik, der Deutschen UNESCO- Kommission und dem Deutschen Volkshochschul-Verband, gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung.

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