Arbeiten bei der Zeitarbeit – eine Chance für Langzeitarbeitslose

Arbeiten bei der Zeitarbeit ist mit vielen Nachteilen für Arbeitnehmer verbunden. Vor allem für Langzeitarbeitslose gibt es allerdings auch Vorteile.

Im Bundesland Berlin waren im Oktober 2016 insgesamt 10.693 Stellen registriert. Diese stellen natürlich nur einen Teil des tatsächlichen Bedarfs am Arbeitsmarkt dar, da viele Stellen niemals öffentlich ausgeschrieben und auf anderen Wegen vergeben werden. Gegenüber September verzeichnet die angegebene Zahl einen Rückgang von 44 Angeboten, was aber saisonbedingt noch ein recht kleiner Rückgang ist. Im Oktober 2009 gab es auf dem öffentlichen Markt noch 2.331 Stellen weniger.

Die Zeitarbeit boomt

Im Oktober kamen 36,9 Prozent aller gemeldeten Stellen in Berlin von Zeitarbeitsunternehmen. Doch Vorsicht mit der Statistik. Zum einen werden die Angebote der Zeitarbeitsfirmen deshalb in der überwiegenden Zahl in der Öffentlichkeit sichtbar, weil die Branche Schwierigkeiten hat, Bewerber zu rekrutieren und so – wohl oder übel – inserieren muss. Zum anderen steckt nicht hinter jeder gemeldeten Stelle einer Zeitarbeitsfirma auch tatsächlich eine Offerte. Zeitarbeitsfirmen arbeiten für die Schublade – dies allerdings nicht aus bösem Willen, sondern aus Notwendigkeit. Hat ein Arbeitgeberkontakt einer Zeitarbeitsfirma eine Arbeitskraft angefordert, wird das Stellenprofil gespeichert, die Stelle besetzt und die Stellenanzeige immer wieder inseriert, obwohl momentan gar kein Bedarf besteht. Die Bewerber werden zum Vorstellungsgespräch geladen oder es wird ein telefonisches Interview geführt, um einen ersten Eindruck vom Bewerber zu bekommen. Danach wird die Bewerbung katalogisiert, für den nicht unwahrscheinlichen Extremfall, bei dem sich der Arbeitgeber an einem Abend meldet und für den Tag darauf einen Mitarbeiter braucht. Würde eine Zeitarbeitsfirma erst dann die Stellenanzeige schalten und Vorstellungsgespräche führen, würde sie den Anforderungen speziell in ihrer Branche nicht gerecht werden.

Nichtsdestotrotz: Die Zeitarbeitsbranche verzeichnet Zuwächse. Die Anzahl der Beschäftigten wird auf rund 750.000 geschätzt, was rund 1,8 bis zwei Prozent aller Beschäftigten ausmacht. Nachbarländer zeigen, dass mehr zu erwarten sein könnte (Frankreich 2,1 Prozent, Niederlande 2,5 Prozent, England 5 Prozent). Krisengebeutelte Arbeitgeber scheinen immer häufiger den Ausweg ins Zeitarbeitskonzept zu suchen und zu finden – in der Regel zum Frust der Arbeitnehmer. Einmal arbeitslos geworden, merken nicht nur Helfer (vor allem Produktions- und Lagerhelfer), sondern auch immer mehr Facharbeiter – allen voran aus dem gewerblich-technischen Bereich, dass man immer häufiger mit Zeitarbeitsangeboten konfrontiert wird. Schlosser, Schweißer, Mechaniker, Mechatroniker, Maschineneinrichter, Gas- und Wasserinstallateure, Tischler und etliche andere Berufsgruppen müssen auf die Zeitarbeit zurückgreifen, wenn sie schnell in Arbeit kommen wollen und nicht über passende persönliche Kontakte verfügen, um den verdeckten Stellenmarkt für sich zu nutzen.

Inzwischen ziehen auch früher eher untypische Branchen wie kaufmännische Berufe nach – allerdings gibt es in dieser Sparte zum jetzigen Zeitpunkt noch eine viel größere Wahrscheinlichkeit, aus der Zeitarbeit in eine direkte Anstellung übernommen zu werden.

Verdienstmöglichkeiten bei der Zeitarbeit

Die Tarife der drei Flächentarifverträge für die Zeitarbeitsbranche BZA, iGZ und AMP decken fast die gesamte Branche ab und variieren nach West und Ost. Der AMP-Tarif war fast immer die schlechtere Alternative für die Arbeitnehmer. Im Jahr 2011 wurden alle Tarife etwas angehoben und bei Facharbeitern sowie kaufmännischen Berufen liegen die Löhne je nach Eingruppierung entsprechend höher und gleichen zum Teil den üblichen Löhnen der jeweiligen Branchen bei Neuanstellungen.

Die Tarife der Zeitarbeit Stand 1.11.2011-BZA & iGZ

E 1: 7,01 (Ost); 7,89 (West)

E 2: 7,46 (Ost); 8,53 (West)

E 3: 8,71 (Ost); 9,97 (West)

E 4: 9,22 (Ost); 10,54 (West)

E 5: 10,42 (Ost); 11,92 (West)

E 6: 11,71 (Ost); 13,39 (West)

E 7: 13,67 (Ost); 15,64 (West)

E 8: 14,70 (Ost); 16,82 (West)

E 9: 15,52 (Ost); 17,76 (West)

Nachteile und Vorteile für Arbeitnehmer

Die Nachteile werden von der Gewerkschaft immer wieder ins Feld geführt. Mangelnde Identifikation der Leiharbeiter mit den Unternehmen, in denen sie eingesetzt werden, Unsicherheit in Bezug auf die Lebensplanung, Angst vor dem Arbeitsplatzverlust und damit Überarbeitung, Konkurrenzverhalten und Geringschätzung seitens der Festangestellten, Schwierigkeiten in wechselnden Teams soziale Kontakte aufzubauen, tendenziell eher Routine-Tätigkeiten, da die Zeit zur Einarbeitung in anspruchsvollere Bereiche fehlt. Und schließlich nicht selten geforderte räumliche und zeitliche Flexibilität, die manche Arbeitnehmer überfordert.

Die Liste der Vorteile ist kürzer, wiegt jedoch umso schwerer, wenn man arbeitslos und vor allem schon länger arbeitslos ist. Die Zeitarbeit bietet Langzeitarbeitslosen, Unqualifizierten oder auf eine andere Art gehandicapten Arbeitssuchenden große Chancen in Beschäftigung zu kommen. Sie bietet auch die Möglichkeit in kurzer Zeit verschiedene Unternehmen kennenzulernen oder in eine renommierte, größere Firma Eingang zu finden, bei der eine direkte Bewerbung scheitern würde. Letzteres ist vor allem für kaufmännische Berufe von Interesse, da hier die Übernahmechancen höher sind als im gewerblichen Bereich, wo die Übernahmeschätzungen inzwischen extrem nach unter korrigiert wurden (rund sieben Prozent). Wie gering der so genannte „Klebeeffekt“ aber auch sein mag, die Präsenz am Arbeitsmarkt steigert die Chance der Bewerber bei direkten Firmen oben auf dem Stapel zu landen. Zeitarbeitnehmer, die kontinuierlich längere Zeit bei einer Zeitarbeitsfirma beschäftigt sind, werden von anderen Arbeitgebern extrem positiv bewertet, da sie für arbeitswillig, belastbar, stressresistent, teamfähig, engagiert und flexibel gehalten werden.

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