Auch in der Medizin nicht gleichberechtigt?

Frauen erkranken anders! Gleichwertigkeit heisst nicht Gleichartigkeit – auch in der Medizin. Erst langsam werden Unterschiede erkannt, die zu ganz verschiedenen Behandlungsansätzen führen.

Es scheint selbstverständlich, und eigentlich fragt man sich, warum es so lange gedauert hat, bis man es wirklich merkte: Frauen sind anders als Männer – auch in der Medizin! Erst in den letzten Jahren werden systematische Studien vorgelegt, die zwischen Geschlechtern differenzieren.

Frauenherzen schlagen anders

Schon lange war aufgefallen, dass Frauen oft gänzlich andere Symptome aufweisen als Männer. So haben sie oft vor einem drohenden Herzinfarkt nicht die typische „Angina pectoris“, sondern kommen mit uncharakteristischen Beschwerden wie Müdigkeit, schnellerer Belastbarkeit, aber auch Luftnot zum Arzt. Allein dieses führte in der Vergangenheit sehr häufig dazu, dass auch der Arzt zunächst an alles Mögliche dachte, außer an die koronare Herzerkrankung, und dass Frauen nachweislich weniger häufig und oft zu spät einer gezielten Diagnostik zugeführt wurden. Ein weiteres Problem ist, dass Frauen selbst diese allgemeinen Symptome nicht ernst nehmen. Sie halten es zum Beispiel für „natürlich“, älter zu werden und dann eben nicht mehr so belastbar zu sein.

Heute wissen wir, dass die koronare Herzerkrankung, der Gefässverschluss der Herzkranzgefässe, der zum Herzinfarkt führt, keinesfalls eine Männererkrankung ist, sondern dass sie Frauen ebenso betrifft, wenn auch meist in etwas höherem Alter. Im Klimakterium schwindet langsam der „Schutzfaktor“ Östrogen, der den Frauen einen Vorteil gegenüber den Männern verschafft hatte. Die Meinung, dass nur Männer Infarkte bekommen, stammt zudem aus einer Zeit, als Frauen nicht rauchten und nicht dem gleichen Berufsstress ausgesetzt waren wie Männer.

Andere Medikamentenverarbeitung im Körper

Die uncharakteristischen Symptome sind aber nicht das Einzige, was Frauen von Männern unterscheidet. Auch in Bezug auf Therapien gibt es deutliche Unterschiede. Eine der wesentlichsten Erfahrungen war die Therapie mit antiviralen Medikamenten bei HIV infektion (AIDS). Dort zeigte sich, dass Frauen erheblich mehr Nebenwirkungen hatten. Von da an gab es gezielte Forschungen mit dem Ergebnis, dass Medikamente sich anders verteilen, schneller oder langsamer abgebaut werden . Frauen haben generell eine andere Enzymaktivität der Leber ( weshalb u.a. auch Alkohol anders abgebaut wird und Frauen im Verhältnis zu Männern weniger trinken sollen).

„Gendermedizin“ heißt das neue Gebiet, welches sich mit diesen Differenzen systematisch beschäftigt. Täglich ergeben sich erhebliche Unterschiede, wie zum Beispiel bei Knieprothesen. Der neue Zweig der Medizin beschäftigt sich endlich auch mit anderen Vorurteilen: zum Beispiel, dass die Depression eine weibliche Erkrankung sei, ebenso die Osteoporose. Tatsächlich liegen bisher ganz wenige Studien über Osteoporose, den Knochenschwund im Alter, bei Männern vor!

Von den neuen Forschungen ( zum Beispiel am Institut für Geschlechterforschung in der Medizin, Berlin) werden Ergebnisse erwartet, die zu wesentlichen Umstellungen in der bisher praktizierten Medizin führen können: verschiedene Medikamentendosierungen bei Frauen und Männern an erster Stelle. Am wichtigsten scheint aber, dass endlich der Verschiedenheit und damit auch den verschiedenen gesundheitlichen Bedürfnissen von Frauen und Männern überhaupt Rechnung getragen wird.

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