Brehms Tierleben – einzigartige Sammlung von Tierbeschreibungen

Die besten Tiergeschichten des deutschen Zoologen und Schriftstellers Alfred Edmund Brehm sind endlich als Taschenbuch erschienen.

Mehr als zwanzig Jahre musste man auf eine Neuausgabe von „Brehms Tierleben“ warten, diesem einzigartigen Kompendium voller Anekdoten über die Fauna unseres Planeten. Lediglich eine Hörbuch-Version wurde 1999 in Form von 4 CDs veröffentlicht. Diese wurde zwar den Geschichten gerecht, aber nicht dem Lexikoncharakter und den wunderbaren Abbildungen dieses Werkes. Die „Kleine Ausgabe für Volk und Schule“ von 1893 bis 1900 enthält in den drei Bänden sage und schreibe 1179 Radierungen, 3 Farbdrucke, genannt „Chromotafeln“, sowie eine Karte. Die von Roger Willemsen vorgenommene Neuausgabe von 2006 komprimierte die Vielfalt von zehn Bänden der zweiten Auflage von 1882-1887 in einem Band. Auch wenn jede Leserin und jeder Leser das eine oder andere Tier vermisste–zum Beispiel den Tiger, den Löwen Asiens –, die Insekten sicherlich zu kurz kamen, konnte die Auswahl als gelungen bezeichnet werden. Eine ganz neue Perspektive erhielt das Werk zudem durch die 92 vierfarbigen, kunstvollen Illustrationen, die Klaus Ensikat unter dem Motto „Tiere schauen dich an“ angefertigt hatte.

Das Tier als Mensch – mit Charakter und Gesinnung

Während heutzutage jedes Lebewesen von der Biologie bis in seine DNA-Stränge zerlegt und klassifiziert wird, würdigt Alfred Edmund Brehm (1829-1884) das Geschöpf in seiner Gesamtheit vor dem Hintergrund seiner speziellen Lebenswelt. Überspitzt formuliert lautet Brehms Blickwinkel: „das Tier als Mensch“. Seine Beschreibungen beziehen fast immer historische Quellen, wie Aristoteles und Plinius, mit ein, wägen den Wahrheitsgehalt von überlieferten Berichten ab und ergänzen sie mit eigenen Erfahrungen, die Brehm auf seinen zahlreichen Reisen sammeln konnte: „So abscheulich der Affe sonst gegen Thiere ist, so liebenswürdig beträgt er sich gegen Thierjunge oder Kinder, am liebenswürdigsten natürlich gegen die eigenen, und daher ist die Affenliebe sprichwörtlich geworden.“

Brehm ist nicht nur ein außerordentlicher Beobachter, sondern auch ein bemerkenswerter Schriftsteller. Er erzählt wahre Geschichten aus aller Welt und charakterisiert die Tiere eingängig. Über den König der Tiere heißt es: „Eitel ist der Löwe nicht, und zu Künsten läßt er sich nicht abrichten. Er ist zu stolz und zu ernst. Er will nur, wann und wie er will.“ Diese Sätze könnte man wörtlich für ein Horoskop der in diesem Tierkreiszeichen geborenen Menschen übernehmen.

Auch Staatsformen werden von Tieren begründet

Roger Willemsen bescheinigt Brehm in seinem ausführlichen Nachwort, dass bei ihm die Zoologie „als eine große Analogie zum Humanen“ erscheint und dass es in seinem Werk auch um „die Schönheit von Geschichten und um die Liebe im Blick des Betrachters“ geht. Mit feiner Ironie hat Willemsen den Artikel über „Die Röhren- oder Staatsquallen“ ans Ende des dickleibigen Buches gesetzt: „Die Theile, aus welchen jene zusammengesetzt sind, haben insofern die Bedeutung von Theilen eines Organismus, als sie sich durch ihre Gegenseitigkeit und die Verschiedenartigkeit ihrer Leistungen bedingen. Alle zusammen bilden in physiologischem Sinne ein Ganzes, sie gehören zu einem Leben.“ So wendet sich zum Schluss die Blickrichtung auf den Menschen hin: der Staat als Tier.

Nun ist endlich eine sehr preiswerte Taschenbuchausgabe mit den schönsten Tiergeschichten von Brehm erschienen. Sie ist wärmstens zu empfehlen.

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