Die Konvergente Evolution

Die Evolution wiederholt sich regelmäßig. Immer wieder tauchen ähnliche Merkmale bei unterschiedlichen Tieren unabhängig voneinander auf.

Die Konvergente Evolution beschreibt die Ausbildung ähnlicher oder gleicher biologischer Merkmale – in Form oder Funktion – bei unverwandten oder nur fern verwandten Lebewesen und Pflanzen. Ein gängiges Beispiel ist die Herausbildung von Flügeln bei Vögeln, Fledermäusen oder Insekten. Sind die Flügel bei den ersten beiden sehr ähnlich aufgebaut und angetrieben, bei letzteren in leicht modifizierter Form, teilen sie sich doch denselben Zweck: Sie befähigen das Lebewesen dazu, sich in der Luft fortzubewegen. Über Jahrmillionen Jahre hinweg bringt die Evolution immer wieder bestimmte Merkmale hervor, die sich als nützlich erweisen und sich deshalb durchsetzen. Übereinstimmende Merkmale, die hierbei ohne direkte Verwandtschaft – in dem konkreten Beispiel die Flügel – entstehen, werden als Homoplasie bezeichnet.

Die Konvergente Evolution: Die Finne

Bis vor rund einhundert Millionen Jahren lebte die Ichtyosaurier in den Weltmeeren. Sie waren jedoch keine Fische, sondern Reptilien, die sich vollständig an ihr Umfeld angepasst hatten. Sie entwickelten eine Finne, eine spezielle Rückenflosse, die ihnen einen Vorteil bei der Jagd gab, weil sie ihre Manövrierfähigkeit und Stabilisierung verbesserte. Diese Finne lässt sich heute zum Beispiel bei Walen finden. Diese sind jedoch aquatische Landwirbeltiere und viel enger mit Paarhufern verwandt, als mit den Reptilien. Außerdem liegen rund 50 Millionen Jahre zwischen dem Aussterben der Ichtyosaurier und dem Aufkommen der ersten Wale. Der Zweck der Finne blieb derselbe. Die Evolution ließ also unabhängig voneinander bei beiden Gruppen die auffällige Form der Rückenflosse entstehen.

Die Konvergente Evolution: Der lange Hals

Ein weiteres Beispiel für die konvergente Evolution ist ein extrem langer Hals zum Zweck der Nahrungsaufnahme und der Weitsicht. Die Sauropoden, riesige vierbeinige, pflanzenfressende Dinosaurier, besaßen extrem lange Hälse. So erschlossen sie eine exklusive Nahrungsquelle in den höchsten Wipfeln, ohne die Nahrung am Boden aufgeben zu müssen. Sie lebten 100 Millionen Jahre lang und starben erst während des Kreide-Tertiär-Überganges vor 65 Millionen Jahren aus. Dieser Kardinalpunkt definiert das Aussterben der Dinosaurier durch eines der größten Artensterbeereignisse der Erdgeschichte. Es scheint offensichtlich, dass der Lange Hals sehr nützlich gewesen sein muss. Eine gleiche Strategie verfolgt die Natur bei der Giraffe. Dieser Paarhufer beweidet mit Vorliebe hohe Baumkronen, ein Ort, an den nur wenige Konkurrenten herankommen.

Das Paradebeispiel der konvergenten Evolution: Der Beutelwolf

Eine der beliebtesten Beispiele für diese spezielle Form der Evolution ist die Ähnlichkeit zwischen dem Wolf und dem tasmanischen Beutelwolf. Der Wolf (Canis lupus) ist ein Säuger aus der Gruppe der Hunde. Der Beutelwolf (Thylacinus cynocephalus) ist ein Raubbeutler aus der Gruppe der Beuteltiere. Eine Verwandtschaft ist kaum vorhanden. Die Vorfahren beider Tiere trennten sich in der frühen Kreidezeit voneinander, also vor mindestens 100 Millionen Jahren. Trotzdem entwickelten sich zwei Raubtiere mit verblüffender Ähnlichkeit in Proportion und Ausbildung. Die Schädelformen beider weichen nur minimal voneinander ab, selbst Fachleute müssen diese genau untersuchen.

Die Evolution scheint also ähnliche, bewährte Strategien zu wiederholen, selbst wenn dazwischen Millionen von Jahre vergehen. Doch zeigt sich, dass die konvergente Evolution auch zeitgleich entstehen kann, wie am einführenden Beispiel der Flügel zu erkennen ist oder auch der Finne: Besitzen doch nicht nur Wale die Finne, sondern auch Haie. Beide Arten entwickelten diese Form der Rückenflosse auf Grund ähnlicher Lebensbedingungen. In diesem Fall spricht die Biologie von einer Analogie.

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