Europas Satellitenprojekt „Galileo“ lehrt GPS das Fürchten

Europas Unabhängigkeitserklärung von GPS kommt in Gang. Der Systemanbieter OHB erhielt im Januar den Zuschlag und schickt Galileo nun in die Atmosphäre.

Während der amerikanische Navigationsriese „GPS“ unter militärischer Führung weiterhin das Zepter in Europa in der Hand hält, kämpfte sich die EU zuletzt nur mühsam mit ihrer eigenen, zivilen Alternative in die Unabhängigkeit. Das von der EU-Kommission als wichtigstes Infrastrukturprojekt der EU bezeichnete Navigations-Wunderkind, lässt noch auf sich warten. Denn Probleme machte im Vorfeld nicht die amerikanische Großmacht, sondern Europas Uneinigkeit selbst.

EU und ESA vertagen Galileo-Start

Bürokratie und finanzielle Engpässe ließen das Großprojekt „Galileo“ zur Übernahme des Europäischen Luftraums, ursprünglich für 2008 freudig ausgerufen, immer weiter in die Ferne rücken. Doch mittlerweile nimmt das Prestige-Projekt Formen an und geht mit der Auftragsvergabe an das mittelständische deutsche Unternehmen OHB in die heiße Produktionsphase.

High Tech Satellitensystem und Deichlandschaft

OHB aus Bremen, Niedersachsen ist Deutschlands erster börsenorientierter Luft- und Raumfahrtkonzern, der vor 25 Jahren gegründet derzeit 1600 Mitarbeiter beschäftigt. Vor allem im Bau von Kleinsatelliten hat der Technologiekonzern OHB viel Erfahrung sammeln und so allein im vergangenen Jahr über 260 Mio. Euro Umsatz verbuchen können. Zwar wurden in der Vergangenheit bereits Komponenten für die Trägerrakete Ariane 5 geliefert sowie das europäische Forschungsmodul Columbus mitentwickelt, doch mit dem Zuschlag für den Bau der ersten 14 Galileo-Satelliten hat die EU dem Unternehmen wohl den größten Einzelauftrag der Firmengeschichte beschert. 566 Mio. Euro durfte das Unternehmen dafür einstreichen und konnte sich so gegen die Konkurrenz wegen eines rund 100 Mio. Euro preisgünstigeren Angebotes durchsetzen.

Derzeit laufen die Maßnahmen für die Realisierung auf Hochtouren, was im wesentlichen bedeutet, dass die OHB 70% des Gesamtauftrages an Unterauftraggeber abgibt, um spätestens Mitte 2011 mit dem Zusammenbau der ersten Satelliten zu beginnen. Laut OHB läuft die Zusammenarbeit mit der europäischen Konkurrenz reibungslos und das Unternehmen ist sich sicher, ihren Teil des Abkommens erfüllen zu können und wie versprochen alle 14 Satelliten bis Anfang 2014 gebaut, getestet und gestartet zu haben.

erste zivile Navigationstechnik in Europa

So verlässlich wie die deutsche Tugend soll auch das Wunderkind Galileo selbst sein und so im Wettbewerb den Navigationsgiganten aus den USA ausstechen. So musste GPS in der Vergangenheit mehrfach aus militärischen Gründen abgestellt werden, so z.B. im Kosovo-Konflikt, als die USA ihren Ortungsdienst auf eigene Truppen beschränkte und die Deutschen durchaus mehrere Kilometer vom angezeigten Ziel entfernt standen.

Mit dem „zivilen Dienst“ Galileo wird das in der Zukunft nicht mehr passieren. Mehr Sicherheit, mehr Präzision und ein offenes Ohr für die Bedürfnisse der europäische Bevölkerung lautet das Erfolgsrezept. Vor allem der europäische Auto-, Flug- und Schiffsverkehr soll davon profitieren. Und damit noch lange nicht genug: die Möglichkeiten sind vielfältig. Sogar bei sozialen Diensten, wie z.B. im Auftrag für Blinde, Alzheimer-Patienten oder für Kinder soll Galileo zuverlässig Hilfestellung leisten.

Der Vorteil von Galileo liegt dabei nicht nur in seiner aktuellen Technik, sondern in der Fähigkeit, mit GPS gemeinsam genutzt werden zu können. Das heißt, dass Endnutzer künftig auf beide Systeme zugreifen können und somit die doppelte Anzahl an Satelliten zur Verfügung haben. Das macht das System schneller und genauer.

noch Zukunftsmusik: zentimetergenaue Navigation für Jedermann

Mithilfe von bis zu 32 Satelliten soll allein Galileo dann auf den Straßen zentimetergenaue Streckenabschnitte berechnen können und damit eine zuverlässigere Positionsbestimmung ermöglichen und das selbst in den großen Städten, wo die GPS-Signale heute oft durch dichte Häuserfronten blockiert werden. Für Autofahrer gibt es beispielsweise neben der herkömmlichen Navigation auch eine Funktion, die auf Staus oder eine mögliche Kollisionsgefahr hinweisen soll. Das Warten scheint sich also doch zu lohnen, denn immerhin rechnet die EU dazu mit 100.000 neuen Arbeitsplätzen. Und gerade die Deutsche Wirtschaft kann sich die Hände reiben, denn wie die EU verkündete, werden auch die restlichen Satelliten entweder von der OHB oder der Konkurrenz Astrium aus Süddeutschland zugute kommen.

Laut Antonio Tajani belibt ein Unsicherheitsfaktor

Einziger Wehrmutstropfen bleibt die Angst bei dem zukunftsträchtigen Projekt, von der Vergangenheit eingeholt zu werden und sich ein weiteres Mal mit Komplikationen konfrontiert zu sehen. Die können nämlich noch auf der Erde auftreten: EU-Verkehrskommissar Antonio Tajani kann nicht sicher sagen, ob die veranschlagten Kosten von 3,4 Mrd. aus EU-Mitteln eingehalten werden können. Die Trägerraketen seien dabei der größte Unsicherheitsfaktor. Besonders die Treibstoffkosten schlagen zu Buche, wenn die Träger nur mit zwei statt mit vier Satelliten bestückt werden könnten. Dazu müssen noch Fragen beantwortet werden, wer den Betrieb der Satelliten übernimmt und wer Galileo als Servicedienstleistung betreiben wird.

Fest steht, dass sich die EU keine neue Verschiebung des Projektes leisten kann, da auch die Konkurrenz aus China, Russland und auch der Platzhirsch GPS nicht zurück gelehnt das Ganze aus der Ferne anschauen wird. Im Oktober 2012 wissen wir mehr, dann ist der erste Start vorgesehen.

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