Fruchtbarkeit und Macht der Frauen

Um die Einstellung zur Fruchtbarkeit in afrikanischen Gesellschaften zu verstehen, ist es nötig, das Themengebiet aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten.

Demographen, Soziologen und Ethnologen gehen dabei verschiedene Wege. Die Ethnologen stellen bei ihren Untersuchungen die emischen Vorstellungen, also die kulturspezifischen Unterscheidungsmerkmale, über Sexualität und Weiblichkeit sowie über den Zusammenhang von Fruchtbarkeit und religiöse Weltsicht in den Mittelpunkt, während sie soziologische Faktoren wie Bruttosozialprodukt, Bildung, Beruf, Alter und Religion genauso unberücksichtigt lassen, wie die biologisch-medizinischen Variablen, auf die sich die Demographen hauptsächlich beziehen.

Aus diesen verschiedenen Ansätzen ergibt sich ein ziemlich heterogenes Datenmaterial resultiert, aber auch das Problem der Herangehensweise an dieses Themengebiet.

Eine Familie aus Zambia: Ein Fallbeispiel

Einen interessanten Weg geht dabei Frau Ute Luig, Professorin der Ethnologie an der Freien Universität Berlin. In ihrem Sozialanthropologischen Arbeitspapier „Fruchtbarkeit und Macht der Frauen – Ethnographische Anmerkungen zu einem multidisziplinären Diskurs“ aus dem Jahr 1997 entschied sie sich dafür, „zunächst von einem weltweiten statistischen Überblick über Fertilitätsraten“ auszugehen, bezieht dabei aber ethnologische Erklärungsversuche, die sich an volkstümlichen Vorstellungen über Fruchtbarkeit und Macht orientieren, mit ein.

In ihrer Einleitung zeigt die Autorin am Beispiel einer polygynen Familie aus dem Gwembe-Tal im südlichen Zambia, dass afrikanische Frauen ein durchaus differenziertes Verhältnis zu Fruchtbarkeit und Kinderzahl haben, dass es von verschiedenen Faktoren beeinflusst werden kann.

Die jüngste der vier Frauen hatte erst zwei Kinder geboren und machte sich über weitere noch keine Gedanken. Die zweitjüngste ließ sich aufgrund gynäkologischer Probleme gegen den Widerstand ihres Mannes nach der Geburt des fünften Kindes sterilisieren. Die zweitälteste Frau wollte nach ihrem zwölften Kind weitere Schwangerschaften vermeiden, da sie sich nach ihren eigenen Worten „ausgebrannt“ fühlte. Nur die älteste Frau war uneingeschränkt stolz darauf, viele Kinder geboren zu haben.

Bei jeder der Frauen spielten andere Gründe für ihre Einstellung eine Rolle: Dazu zählte neben Bildung und Alter vor allem ihre individuelle Lebens- und Familiensituation. Zu diesen individuellen Gründen kommen jedoch auch noch spezifische kulturelle Vorstellungen über Sexualität und Weiblichkeit. Das Beispiel zeigt jedoch auch deutlich, dass die Entscheidung für eine bestimmte Kinderzahl von den Frauen jeweils eigenständig, auch zum Teil gegen den Willen des Ehemannes, getroffen wurde.

Kinderreichtum und Fruchtbarkeit: Ihre Rolle im afrikanische Alltag

Der Frage, welche Rolle Fruchtbarkeit und Kinderreichtum im Alltag afrikanischer Frauen spielen und auf welche Weise sich hier eventuell eine Veränderung abzeichnet, geht die Autorin in einem abschließenden Kapitel nach.

Zahlen aus Westafrika zeigen, dass 20 – 30% der Todesfälle von Frauen zwischen 15 und 44 Jahren auf Komplikationen bei Schwangerschaft und Geburt zurückgehen. Auch die Kindersterblichkeit ist ungebrochen hoch.

So verwundert es nicht, dass die Sorge um Gesundheit und Fruchtbarkeit im Mittelpunkt vieler Gespräche steht, bei denen jedoch auch deutlich wird, dass sich die positive Haltung gegenüber Kindern auch trotz vieler sozialer Veränderungen nicht abgeschwächt hat. Gründe dafür sind ökonomische und soziale Vorteile und ihre identitätsstiftende Funktion. Aber auch Ansehen, Reichtum und Einfluss von Frauen kann durch Kinder positiv beeinflusst werden. Ökonomische Probleme können inzwischen diese jedoch auch zu einer großen Belastung machen, die auch durch die steigenden Kosten für Nahrung und Bildung bedingt sind.

Doch bei aller Komplexität, die das von Prof. Ute Luig behandelte Themengebiet beinhaltet, macht dieser Artikel deutlich, wie wichtig es ist, sich diesem nicht nur mit Hilfe von Statistiken zu nähern, da diese in keiner Weise zeigen können, wie vielfältig die Gründe sind, die Einfluss auf die Entscheidung über die jeweilige Kinderzahl einer Frau nehmen.

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