Hippie-Mode damals und heute: Flower Power bleibt im Trend

Die 68er wollten alles andere als Mode kreieren, ihre Kleidung war Protest. Der fantasievolle, unkonventionelle Stil inspiriert aber bis heute die Designer.

Eigentlich sollte es gerade keine Mode werden, was die ersten revoltierenden Studenten in San Francisco als Zeichen ihres Protests um den Körper schlabbern ließen. Die frühen Hippies wollten bloß anders aussehen und dabei bequem angezogen sein, außerdem waren sie chronisch pleite, das Motto „High sein, frei sein“ ließ in der ohnehin knappen Studentenkasse kaum Geld für Klamotten übrig. Also reparierten und flickten sie alles, was noch tragbar war. Aus der Not wurde der wohl fantasievollste und farbenprächtigste Modestil des 20. Jahrhunderts geboren, der die gesamten 70er Jahre prägte und heute wieder die internationalen Laufstege erobert.

Hippiemode der 60er Jahre: Jeans, Patchwork und Blumenmuster

Jeans, in den USA seit den 30er Jahren auch als Freizeitkleidung geschätzt, wurden in der Hippiemode zum wichtigen Ausdrucksmittel für Individualität und Kreativität: jeder nähte Stoffstücke in anderen Farben und Applikationen auf löcherige Stellen oder gab mit Stickereien und Verzierungen seiner Hose einen einzigartigen Look. In Deutschland galten Jeansträger in jener Zeit generell noch als „Gammler“, in den USA konnte, wer provozieren wollte, zumindest mit kaputten oder schrill geflickten Denim-Hosenauffallen. Mit dem Gammler-Look kam auch Patchwork in Mode, bei Männern sah man die Flickentechnik oft an farbenfrohen Jacken oder Westen.

Frauen konnten sich ebenfalls für bequeme Jeans entscheiden oder von Kopf bis Fuß aus dem Fundus verschiedener Folklore-Vorlagen aus allen möglichen Ländern schöpfen. Blumen beherrschten als Symbol des „Love & Peace“-Statements die meisten Kleidungsstücke, aber auch indisch inspirierte und orientalische Muster wurden früh tonangebend. Vor allem seit dem optischen Wandel der Beatles nach ihrem Ashram-Aufenthalt und Ravi Shankars Auftritt 1969 in Woodstock wallte mit der musikalischen auch die modische Begeisterung für Indien auf.

Siegeszug der Hippie Mode: Batikmuster und Schlaghosen

Obwohl sich die Ausdrücke Hippie und Mode per se widersprechen, da Hippies sowohl Kommerzialisierung als auch jegliche Kleidervorschrift ablehnten, griffen seit den späten 60ern zahlreiche Designer die Trends auf und vermarkteten die Szenekleidung sehr erfolgreich. In den 70er Jahren trug endlich auch die letzte Frau im modischen deutschen Hinterland Schlaghosen – Blusen in Batikmustern und bunte Flatterkleider mit Trompetenärmeln prägten flächendeckend das europäische Bild.

In den 80er Jahren verschwand der fantasievolle Optimisten-Stil der 70er Jahre ebenso schnell und kompromisslos wie er sich durchgesetzt hatte, und bis zur Jahrtausendwende traute sich kaum jemand in wallender Farbenpracht in die Öffentlichkeit.

Ibiza, die Enklave der Blumenkinder, und die aktuelle Haute Hippie Mode

Nur auf Ibiza hielt sich Hippie Mode über die Jahrzehnte, nach Vorlage traditioneller Trachten der Pitiusas-Inseln kreierten die ansässigen Designer schon Anfang der 70er Jahre kunstvolle Blusen und Hippiekleider, die ihre Anhänger unter den gestrandeten Aussteigern fanden. Auch wenn die Hippies heute auf Ibiza nicht mehr ganz so zahlreich vertreten sind, ist der von ihnen weitergepflegte Modestil geblieben und gelangte in den letzten Jahren auf die internationalen Laufstege. „ADLIB“ Mode für „ad libitum“ aus Ibiza ist inzwischen weltweit ein Begriff.

Seit spätestens 2017 ist ein neuer Hippielook unaufhaltsam auf dem Vormarsch, einige Star Designer, wie Miuccia Prada, hatten ihn nie ganz vergessen, aber im Zuge der Umsetzung entstand immer viel Couture und wenig Hippie. Junge wilde Modeschöpfer, wie zum Beispiel die New Yorker Designerkommune Haute Hippie, gingen bisher auch nicht wesentlich weiter, die stylischen Teile mit einer Menge Oversize und Glitzer strahlen zwar einen einmalig verträumten und freiheitsliebenden Charme aus, aber sind keinesfalls mit der Originalkluft eines Blumenkindes zu verwechseln.

Lagerfeld goes Hippie: Flower Power für den Sommer

Nun ist Karl Lagerfeld auf den Zug aufgesprungen und präsentierte in St. Tropez für die Chanel Cruise Collection weiße Schlaghosen, bunte Tuniken und lange Stufenröcke in schillernder Farbenvielfalt. Authentisch im Stil ihrer Vorgängerinnen marschierten die Models sogar barfuß über den Laufsteg.

Im richtigen Leben bleibt der aktuelle Hippie-Look zunächst so gemäßigt wie im Angebot der deutschen Modegeschäfte. Schlaghosen sind schon wieder hier und da zu sehen, auch bunte Oberteile mit Fransen und Rüschen, Chiffonblusen und Batikkleider haben ihren Weg von den Strandbars in die Städte angetreten.

Wer allerdings echte Hippie Mode haben möchte, sollte auf den Flohmarkt gehen oder noch besser im Geiste seiner Vorgänger der Kreativität freien Lauf lassen. Ein paar alte Jeans, die aufgepeppt werden möchten, oder langweilige weiße Shirts und Blusen, aus denen ein gebatiktes Kunstwerk entstehen könnte, hat wohl jeder im Schrank.

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