Luftschadstoffe treiben Korallenriffe in den Tod

Rasante globale Klimaerwärmung zerstört einzigartige Polypenkolonien. In tropischen Meeren löscht die Klimaerwärmung blühendes Leben aus: Die als Artenheimat und Kohlenstoffspeicher unersetzbaren Atolle, Saum- oder Barrier-Riffe sterben ab.

Obwohl Korallenriffe nur ein Prozent der Erdoberfläche bedecken, sind sie für den Ökohaushalt unseres Planeten unverzichtbar. Sie speichern aus der Atmosphäre riesige Kohlendioxidmengen, die im Meerwasser gelöst durch Algen langfristig in die mächtigen Riffkörper eingebaut werden. Um das Tempo der einsetzenden Klimaerwärmung zu drosseln, zählt inzwischen jede Tonne Kohlenstoff, die die Atmosphäre verliert. Zumal ökologisch verträgliche Alternativen zur Verbrennung fossiler Energieträger flächendeckend noch fehlen. Neben Meeren, Ozeanen und Wäldern gehören als eines der ältesten Ökosysteme auch Korallenriffe zur Elite der Kohlenstoffspeicher. Außerdem bieten sie Flora und Fauna ideale Lebensräume, die auch zum Tauchen einladen.

Heerscharen von Meerestieren und -pflanzen finden zwischen Kalkgraten und Nischen im dichten Bewuchs weitverzweigter Korallenstöcke reich gedeckte Tische vor. 25 Prozent aller weltweit lebenden Fischarten tummeln sich dort. Doch heute löscht überhitztes Ozeanwasser die einzigartigen farbprächtigen Lebensräume mehr und mehr aus. Dann bleiben am Meeresgrund nur noch bleiche Skelette aus Kalk zurück.

Ob Karibik, Pazifik oder Indischer Ozean: Überall sterben Korallenriffe

Obwohl die Korallenbleiche das wissenschaftliche Interesse bereits 1979 weckte und alle Korallenriffe seit 2007 auf der „Roten Liste“ gefährdeter Arten stehen, leben sie bis heute in akuter Gefahr. Während sich die Bleiche zum Beispiel 1987 nur auf einzelne Riffe in der Karibik (Bahamas, Jamaica, Puerto Rico), im Pazifik (Great Barrier Reef, Fidschi Inseln, Hawaii) und im Indischen Ozean (Malediven) beschränkte, erfasste sie 1998 schon alle Riffe tropischer Gewässer. Dass das Jahr 2008 als internationales Jahr der Korallenriffe ausgerufen wurde, zeigt erfahrungsgemäß den wahren Ernst der Lage. Denn im Herbst 2009 erwarten amerikanische Ozeanologen im atlantischen und pazifischen Raum eine weitere starke Zunahme an Korallenbleichen.

Kohlendioxid aus fossilen Energieträgern heizt Erdatmosphäre und Ozeane auf

Laut UNO-Umweltprogramm sind schon jetzt 30 Prozent aller Korallenriffe geschädigt. Dass der globale Klimawandel ihr Siechtum verursacht, bezweifelt inzwischen niemand mehr. Auch viele erfahrene Fachleute, wie zum Beispiel der Meeresbiologe Jörg Ott von der Universität Wien oder Andrew Brierley von der St. Andrews University in Schottland, machen den überhöhten Kohlendioxidausstoß dafür verantwortlich. Das Gas entweicht bekanntlich bei der Verbrennung fossiler Energieträger in die Atmosphäre. Nach Angaben des Klimafolgenforschers Hans Joachim Schellnhuber erreichte es im Jahr 2005 die weltweit höchste Konzentration seit 700.000 Jahren. Mit jährlich mehr als 27 Milliarden Tonnen trägt es so maßgeblich zur Aufheizung unseres Planeten bei. Um nur einen Kilometer zu fahren, pumpt zum Beispiel ein benzingetriebener Mittelklassewagen im Durchschnitt 176 Gramm des Treibhausgases in die Luft. Hochmotorisierte Fahrzeuge erreichen Werte von 250 oder mehr Gramm. Die Zahl aller auf dem Erdball betriebenen Fahrzeuge beläuft sich derzeit auf 500 Millionen.

Im Hitzestress kämpfen Polypen und Algen ums Überleben

Im Schiffsverkehr erhobene Messungen der letzten hundert Jahre belegen, dass die Temperatur ihres Oberflächenwassers bisher um 0,8 Grad Celsius gestiegen ist. Obwohl dieser Wert gering erscheint, leiden Korallenriffe seit über dreißig Jahren unter den Folgen. Denn sie überleben nur in tropischen Gewässern bei einer Wassertemperatur zwischen achtzehn und höchstens dreißig Grad Celsius, die sie dort in Tiefen bis zu 45 Metern vorfinden. Während sie im Jahreslauf Temperaturerhöhungen bis zu ein Grad Celsius gerade noch verkraften, kämpfen sie im Sommer um ihr nacktes Überleben: Die Polypen geraten unter Hitzestress. Dabei lösen sie ihre Lebensgemeinschaft mit Algen in kurzer Zeit auf und stoßen sie ab. Da sie aber Sauerstoff und ernährungswichtige Kohlehydrate aus der Fotosynthese der Einzeller beziehen, nehmen sie damit ihren Selbstmord in Kauf. Auch die wärmeempfindlichen Algen sterben ab. Ihnen fehlt nun das für ihre Fotosynthese lebenswichtige Kohlendioxid, das sie sonst von den Polypen aufnahmen.

Fischfang mit Dynamit oder Schleppnetz belastet Korallenriffe zusätzlich

Wie wissenschaftliche Untersuchungen geschädigter Riffe zeigen, werden Tempo, Verlauf und Ausmaß der Bleichen aber nicht nur durch die Wärmemenge und Einwirkungsdauer diktiert. Auch Zustand, Größe oder regionale Lage der Korallenriffe spielen verantwortliche Rollen. Denn jedes Riffsystem unterliegt ganz individuellen Belastungen, die es für Hitzestress mehr oder weniger anfällig machen. Dazu zählen zum Beispiel das Fischen mit Dynamit oder Schleppnetz, das zwar in den artenreichen Korallengewässern reiche Fänge verspricht, aber oft auch die Riffbänke verletzt. Entspannter gehen Polypen allerdings mit der Hitze um, wenn sie im Schutz eines Atolls leben, denn in dieser stressarmen Umgebung passen sie sich widrigen Einflüssen leichter an. Obwohl deshalb dort kaum Schäden auftreten, leiden Flora und Fauna darunter oft wochenlang.

Korallenbleichen löschen Arten aus und zerstören Kohlenstoffspeicher

Da ein abgestorbenes Korallenriff nur noch aus nackten Kalkgerippen besteht, kann es nicht mehr wiederhergestellt werden. In kurzer Zeit siedeln dort andere Organismen, die den Kalk abbauen. Damit fällt das Riff als leistungsfähiger Kohlenstoffspeicher aus, und zahllose Meerespflanzen und -tiere werden heimatlos. Im zerstörten Lebensraum lassen sich nun auch deutlich weniger Pflanzen- und Tierarten nieder. Bereits heute sind 76 Prozent der Korallenarten vom Aussterben bedroht. Meeresforscher und Klimaexperten befürchten das Schlimmste, wenn der globale Kohlendioxidausstoß nicht sinkt: ab 2020 erwarten sie jedes Jahr Korallenbleichen, so dass alle Riffe im Indischen Ozean bis 2030 und 70 Prozent aller Riffe weltweit bis 2050 sterben.

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