Menschenwürde und menschenwürdiges Sterben

Die Frage nach dem eigenen Tod und nach einem menschenwürdigen Sterben bewegt viele. Doch was genau bedeutet Menschenwürde?

Der Begriff der Menschenwürde, wie er die neuzeitlichen Verfassungen bestimmt und wie er in juristischen, ethischen Texten sowie in der Alltagsdiskussion gebraucht wird, dürfte kaum präzise zu bestimmen sein. Er ist zwar praktisch abgrenzbar, entzieht sich aber einer eindeutigen philosophischen und ethischen Definition. Auch der theologische Verweis auf den klassischen Text des Genesisbuches, der Mensch sei nach dem Bilde und Gleichnis Gottes geschaffen, vermag nur die allerdings äußerst nachdrückliche Überzeugung von der Würde und dem hohen Rang des Menschen in der Schöpfung zu bekunden. Eine Definition indes liefert die Theologie nicht.

Die Menschenwürde in der Euthanasie-Debatte

In der Euthanasie-Debatte wird des Öfteren vom „menschenwürdigen Tod“ gesprochen; in dieser wird immer wieder die Würde des Menschen hervorgehoben. Doch was heißt denn nun eigentlich Menschenwürde? Vor allem zwei Auffassungen von Würde begegnen in diesem Zusammenhang immer wieder: Einerseits versteht man unter Würde, dass der Mensch sich im Sterben müht, seinen eigenen Tod zu sterben. Andererseits sagt man, Würde sei dem Menschen als Menschen eigen; auch wenn er zum Beispiel in einem Wachkoma läge, besäße er diese Würde.

Einerseits also gilt Würde als etwas, was der Mensch erst erringt und erringen sollte, andererseits als etwas, was er als Mensch immer schon besitzt. Die Ganzheit der Person ist in beiden Fällen mit der Würde gemeint. Diese beiden Charaktere von Würde sind schwer zu vereinen. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland hat in Artikel I Abs. 1 Achtung und Schutz der Menschenwürde an die erste Stelle gestellt. Es ist aber auch hier nicht eindeutig, was genau mit Würde gemeint ist. Da aber liegt die Schwierigkeit: Was ist denn nun eigentlich diese Menschenwürde?

Die moderne Diskussion, aber auch das Grundgesetz sind durch die Auffassung Kants von der Würde des Menschen bestimmt, der sie damit in Verbindung bringt, dass der Mensch ein autonomes Wesen sei. Der Grund seiner Würde ist also die Autonomie. Darin hat der Mensch seinen unbedingten, unvergleichlichen Wert, dass er sittlich autonom ist; und aus dieser Gegebenheit leitet Kant auch die Idee der Würde eines vernünftigen Wesens ab. In der „Grundlegung der Metaphysik der Sitten“ sagt er: „Im Reich der Zwecke hat alles entweder seinen Preis oder eine Würde. Was einen Preis hat, an dessen Stelle kann auch etwas anderes, als Äquivalent, gesetzt werden; Was dagegen über allen Preis erhaben ist, mithin kein Äquivalent verstattet, das hat eine Würde.“ Bei Kant steht also hinter der Würde „die Selbstzwecklichkeit des Menschen“, das bedeutet, dass der Mensch sein eigener Gesetzgeber ist. Darin folglich liegt seine Würde wie seine sittliche Autonomie. Dem Menschen ist aber diese angebliche sittliche Autonomie des Menschen inzwischen äußerst zweifelhaft geworden, und es ist eine offene Frage, ob sie unter den Voraussetzungen, unter denen die Menschen heute leben, überhaupt noch möglich ist. Soviel die angeführten Erhebungen in der Literatur auch diskutiert werden – in der Frage eines menschenwürdigen Sterbens bringt sie einen kaum weiter.

Menschenwürdig sterben

Menschenwürdig sterben meint ja zunächst einmal etwas ganz anderes. So geht es doch in erster Linie um pflegerische Dienste, die an einem Sterbenden geschehen können und müssen, durch die der Moribunde seine eigene Selbstgewissheit erst wiedergewinnt. So besteht ein Recht eines Menschen, von Menschen angemessen und kontinuierlich umsorgt zu werden. Wenn er menschenunwürdig, d.h. also überhaupt nicht gepflegt und völlig verkommen daliegt und dahinsiecht, führt dies zu einem Bruch seines Selbstbewusstseins und seiner Selbstgewissheit. Um diesen ganz schlichten Sachverhalt geht es zunächst, wenn man von menschenwürdigen Sterben spricht. Würde hat der Mensch offenbar nicht, sie kommt ihm vielmehr von seiner Umgebung zu; zumal als Sterbender empfängt er sie vom Pflege-personal. Darauf ist er angewiesen. Eine Begleitung in der Geborgenheit einer vertrauten Umgebung (sei es zu Hause, im Hospiz oder in anderen Pflegeeinrichtungen) mit Schweigen und Sprechen, Lindern und Pflegen ist die letzte Möglichkeit, die jemandem gegenüber gewährt werden kann, um menschenwürdig dahin Abschied zu nehmen, woher er gekommen ist.

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