Scripophilie – vom Sammeln historischer Wertpapiere

Historische Wertpapiere sind an der Börse keinen Cent mehr wert. Sammler zahlen heute Liebhaberpreise für die dekorativen Finanz-Dokumente.

Scripophilie (von engl. scrip „Einzahlungsbeleg“ und agr. φ?λος phílos „Freund oder Liebhaber“) heißt die Sammelleidenschaft für alte Finanz- und Wirtschaftsdokumente, speziell für historische Wertpapiere. Geprägt wurde dieser Begriff 1978 im Rahmen eines Preisausschreibens, das die Londoner Times veranstaltete.

1602 entstand die erste Aktiengesellschaft

Mit der „Erfindung“ der privaten Kapitalgesellschaften wurde 1602 eine neue Epoche der Wirtschafts- und Finanzgeschichte eingeläutet. Die Niederländische Vereinigte Ostindische Gesellschaft beteiligte in diesem Jahr erstmals auch private Kapitalgeber an ihren Geschäften, indem sie Aktien herausgab. Die älteste erhaltene Aktie der Welt stammt aus dem Jahr 1606, ist ebenfalls von der Vereinigten Ostindischen Companie (VOC) und befindet sich in Privatbesitz.

Gesammelt werden alte Aktien, Anleihen, Kuxe, Schecks und Wechsel

Ein Scripophilist sammelt alte Aktien, Anleihen, Optionsscheine, Kuxe, Schecks oder Wechsel (sogenannte Nonvaleurs). Ein Randgebiet sind finanzhistorisch interessante Belege wie zum Beispiel Frachtbriefe, Börsenkursblätter oder Firmenstatuten.

Lange Zeit lagen viele der wertlos gewordenen Aktien Pleite gegangener Firmen vergessen in Kisten auf Dachböden oder ganz unten in Schubladen längst nicht mehr genutzter Schreibtische. Erste Sammler entdeckten ab Angang der 1970er Jahre den Reiz dieser teilweise sehr kunstvoll gestalteten Papiere und bereits 1975 fanden in Deutschland die ersten Sammlerauktionen statt. Veranstaltet wurden sie in Asperg von der Firma Haas und in Frankfurt a.M. von der Firma Leck. Beide Firmen sind heute nicht mehr im Markt für historische Wertpapiere tätig.

Das erste Wertpapier-Museum der Welt steht in Kürnbach

Ein Jahr später öffnete das „1. Deutsche Historic-Actien-Museum“ in Kürnbach seine Pforten. Es wird heute vom EDHAM (Erster Deutscher Historic-Actien-Museum) e.V. betrieben und ist von April bis November jeden ersten Sonntag des Monats von 14.00-17.00 Uhr geöffnet.

Weitere Auktionen folgten und auch die ersten Fachhändler etablierten sich. Die 1980er Jahre waren die absolute Hochzeit für dieses Sammelgebiet – zahlreiche Hobbyhändler versuchten, das schnelle Geld zu machen. Aber genauso schnell wie sie auf dem Markt auftauchten, verschwanden sie auch wieder. Heute gibt es eine solide Basis von Auktionshäusern und Händlern, die häufig einen Großteil ihres Umsatzes über das Internet machen.

Der Einstieg in dieses faszinierende Sammelgebiet erfolgt häufig über einen unverhofften Flohmarktfund. Plötzlich hält man eine alte Aktie in der Hand und ist fasziniert von der Gestaltung oder vom bekannten Namen des herausgebenden Unternehmens. Und wo erst einmal eine Aktie ist, folgen oft schnell weitere.

Und obwohl die Stückzahlen historischer Wertpapiere meist stark begrenzt sind, gibt es doch zahllose verschiedene Exemplare, die man sammeln kann. Spezialisierung auf ein Sammelgebiet erleichtert die Übersicht und die Chance auf eine vollständige Kollektion. Bei der Auswahl des Gebietes sollten Sie sich an Ihren Vorlieben orientieren.

Eine Auswahl beliebter Sammelgebiete

  • Aktien
  • Pfandbriefe
  • Kuxe (Anteilscheine an Bergwerksgesellschaften)
  • Eisenbahnaktien
  • Goldminenpapiere
  • Automobilbauaktien
  • Bankaktien
  • Kolonialgesellschaften
  • Maschinenbauwertpapiere
  • Aktien aus einem bestimmten Land (beliebt sind die USA, Deutschland, Afrika)
  • Regionale Papiere (zum Beispiel aus dem Münsterland oder dem Ruhrgebiet)
  • DM-Papiere
  • Papiere, die von einem bestimmten Künstler gestaltet wurden
  • Jux-Aktien (keine „echten“ Papiere, meist für wohltätige Zwecke herausgegeben)

Autographen – ein ganz besonderes Sammelgebiet

Besonders begehrt und daher auch entsprechend teuer sind historische Wertpapiere, die Original-Unterschriften berühmter Personen tragen. So gibt es Kuxe des Ilmenauer Kupfer- und Silberbergwerks, die von Johann Wolfgang von Goethe unterschrieben sind. Goethe war als Minister des Herzogtums Sachsen-Weimar für die Sanierung der Ilmenauer Finanzen zuständig.

Auch Aktien mit den Unterschriften berühmter amerikanischer Wirtschaftsgrößen wie John D. Rockefeller (Öl), Cornelius Vanderbilt (Eisenbahnen) und Henry Ford zählen immer zu den Höhepunkten einer Auktion. Da sie sehr selten sind und sich zahlreiche Stücke bereits fest in Museums- und Sammlerhänden befinden, erreichen diese Papiere oft Preise von über 1.000 Euro.

Informationsquellen für Scripophilisten

Wenn Sie sich für ein Sammelgebiet entschieden haben, dann sollten Sie sich unbedingt ausführlich informieren. Es gibt einige Kataloge für Sammler (Suppes, Get, Schabmayr), die Sie kennen sollten. Besuchen Sie Auktionen, Tauschbörsen und Sammlermärkte. Die Auktionskataloge der Wertpapier-Auktionshäuser sind ebenfalls wichtige Informationsquellen. Und vergessen Sie das Internet nicht. Hier bietet sich als Startpunkt die Seite Kingpapers.de an.

All dies ersetzt nicht den persönlichen Kontakt zu anderen Sammlern. Der EDHAC e.V. (Erster Deutscher Historic-Actien-Club) ist der größte deutsche Sammlerverein. In einigen Städten gibt es Sammler-Treffen, bei denen Neulinge herzlich willkommen sind. Und auf Antiquariatsmärkten trifft man häufig Gleichgesinnte, da zahlreiche Antiquariate historische Wertpapiere in ihrem Angebot haben.

Was macht den Wert eines Nonvaleurs aus?

Das Alter eines Wertpapiers ist zwar mit zu berücksichtigen, doch bestimmt es nicht allein den Sammlerwert. Wichtiger ist die Verfügbarkeit. Zahlreiche Papiere wurden schon ursprünglich in kleinen Auflagen gedruckt. Und im Laufe der Jahre gingen viele verloren, wurden vernichtet oder befinden sich in festen Händen. Je seltener ein Stück auf dem Sammlermarkt auftaucht, desto teurer ist es.

Weitere Kriterien sind der Erhaltungszustand, die grafische Gestaltung, der ausführende Künstler, das dargestellte Motiv und die ausgebende Gesellschaft. Papiere heute noch existierender Unternehmen werden häufig höher bewertet. Oder auch Papiere, die mit Finanzskandalen in Verbindung stehen.

Es gibt aber auch heute noch dekorative und interessante Papiere, die weniger als 3 Euro kosten. Gerade für den Anfang sollte man sich ruhig einmal bei den Internet-Auktionshäusern nach preiswerten Konvoluten umsehen. So steigt man zu überschaubaren Kosten in dieses faszinierende Sammelgebiet ein und erwirbt erste Erfahrungen.

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