Tierversuche und die Wissenschaft – eine Zeitreise

Tiere sind Teil der Forschung. Früher sowie heute. Doch welche Versuche brachten die Menschheit weiter, welche nicht und welche Alternativen gibt es?

Die Neugier des Menschen sorgte schon sehr früh für anatomische Untersuchungen am Tier. Bereits in der Antike gab es erste Experimente mit Lebewesen. Jedoch erst im 18. Jahrhundert etablierte der französischen Physiologe Claude Bernard den Tierversuch als Forschungsinstrument und sorgte so dafür, dass die Medizin, neben der Physik und Chemie, als Wissenschaft wahrgenommen wurde. In seinem Buch „Einführung in das Studium der experimentellen Medizin“ erklärte Bernard, dass das aus Laborexperimenten und Tierversuchen resultierende Wissen dabei helfen könne, die Ursachen von Krankheiten zu verstehen und neue Therapieverfahren zu entwickeln. Einerseits waren seine Entdeckungen für diese Zeit spektakulär. Der Organismus und seine Funktion war den Menschen damals ein Rätsel. Bernard gelang es, durch seine Versuche zu erklären wie „Menschen atmen“ oder die lebenswichtige Funktion der Bauchspeicheldrüse zu entschlüsseln. Andererseits waren seine Versuche grausam. Er nagelte Tiere auf Bretter und schnitt ohne Narkose ihre Organe heraus. Für seine Neugier war ihm kein Lebewesen zu schade. Der Tierversuch schaffte es schließlich in der Wissenschaft vollständig anerkannt zu werden.

Fortschritt oder Tretmühle?

In vielen Fällen führte der Versuch am lebenden Tier wirklich zu einem Fortschritt für die Menschheit. So wurde 1912 von Frederick Banting und Charles Best die Substitutionstherapie mit Insulin entdeckt, die Millionen von Diabetikern das Leben ermöglicht. Sie führten ihre Versuche an Hunden durch. Ebenso sind Fortschritte von Operationstechniken – zum Beispiel in der Gefäßchirurgie und Mikrochirurgie – nur durch vorangegangene Tierversuche möglich geworden. Fast alle modernen Erkenntnisse aus der Genforschung sind auf transgene Tiere zurückzuführen. Transgene Tiere sind speziell gezüchtete Versuchstiere, die genetisch verändert werden. In ihre DNA werden entweder zusätzlich Gene eingeschleust, das nennt sich„Knock-in“ oder durch „funktionsunfähige“ Gen-Varianten ersetzt. Dies nennt man „Knock-out“. Der Organismus behandelt funktionsunfähige Gene so als seien sie nicht vorhanden oder ausgeschaltet. Die Entwicklung der Tiere wird dadurch beeinträchtigt. Anhand der Veränderungen können Rückschlüsse auf die Wirkweise der ausgeschalteten oder eingeschleusten Gene gezogen werden. Meist sind diese transgenen Lebewesen Mäuse. Eine „Genmaus“ bekommt also mit hoher Wahrscheinlichkeit Krebs oder Mukoviszidose. So können Krankheiten erforscht und Behandlungen entwickelt werden. Die steigenden Versuchstierzahlen zeugen jedenfalls vom Tier als unverzichtbares Gut in der Forschung. (Versuchstierzahlen 2009)

Andererseits führten Tierversuche in der Forschung auch oft in eine Sackgasse und versperren den Weg für alternative Versuchstechniken. Der Einsatz des Schlafmittels Thalidomid, besser bekannt unter seinem Markennahmen Contergan, war nach Tierversuchen an Mäusen und Ratten als unbedenklich beurteilt worden. Die Wirkung beim Menschen hat sich auf dramatische Weise erst nach der Zulassung gezeigt. Ebenso gab der Infektionsweg der Kinderlähmung (Poliomyelitis) Forschen lange Zeit Rätsel auf. Auch hier führte die tierexperimentielle Methode mit Rhesusaffen in die Irre. Beim Affen überträgt sich das Virus durch die Nasenschleimhaut und infiziert so Gehirn und Rückenmark. Tatsächlich gelangt der Poliovirus aber über den Mund in den menschlichen Körper, bevor er Nervenzellen und Rückenmark befällt. Erst 1948 konnte der Ansteckungsweg entdeckt und eine Impfung entwickelt werden.

Es geht auch anders

Alternative Wege zeigen jedoch, dass Forschung auch ohne Tierleiden möglich ist. Eine lang anerkannte Methode in der Forschung war der Draize-Augenreiz-Test. . Beim Draize-Test werden die Augen von Kaninchen als Indikator für reizende oder ätzende Substanzen benutzt. Trägt man eine solche Chemikalie auf das empfindliche Auge auf, kann man direkt erkennen, ob das Auge verätzt wird oder ob das Kaninchen sogar erblindet. Inzwischen gibt es eine Alternativmethode, die ohne Augen, dafür mit bebrüteten Eiern auskommt. Die hautreizende Chemikalie wird auf die Chorion-Allantois-Membran, die Aderhaut eines bebrüteten Eies, aufgetragen. An der Reaktion der Membran kann man nun auswerten wie reizend die Substanz ist. In Frankreich ist diese Methode bereits als wirksame Alternative anerkannt und wird auch angewandt. In Deutschland gilt sie zumindest als Vortest – darf aber nur bei stark reizenden Substanzen die Untersuchungen am Kaninchenauge ersetzen.

Genauso könnte auch der sogenannte Pyrogentest überflüssig werden. Statt Impfstoffe und Infusionslösungen an Kaninchen auf Fieber erzeugende Bakterienbestandteile (Pyrogene) zu testen, kann beim Pyrocheck-Test mit menschlichen weißen Blutkörperchen gearbeitet werden. Diese schütten einen Signalstoff aus, wenn sie mit Fieber auslösenden Bakterienbestandteilen in Berührung kommen. (Pyrocheck-Test )

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