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Tinnitus – Eine Vielzahl von Ursachen und Diagnosen

Tinnitus gilt nicht als eigenständige Krankheit, wohl aber als Symptom, das in jedem Fall auf eine tiefer liegende Störung hinweist. Ursachen und Anamnese.

Die Ursache von Tinnitus kann organischer Natur sein, ist aber in den meisten Fällen „nur“ psychosomatisch-funktionell.

Um die tiefer liegenden Ursachen abzuklären, verfügt der Arzt über mehrere Diagnosemöglichkeiten. Am Anfang steht eine ausführliche Anamnese (Befragung). Lärm am Arbeitsplatz, Unfälle mit Kopfverletzungen, Erkrankungen des Ohres oder neurologische Störungen können einen Tinnitus auslösen oder aufrecht erhalten. Weitere diagnostische Maßnahmen sind Blutdruckmessung, Hörprüfung mit Stimmgabel oder Audiogramm (Messung des wahrnehmbaren Frequenzbereiches), Ohrmikroskopie, Reflexprüfung, Gleichgewichtsprüfung mit der Frenzel-Brille, Laboruntersuchungen zur Feststellung einer möglicherweise vorhandenen Infektion, Magnetresonanztomografie zum Ausschluss eines Tumors des Hörnervs sowie orthopädische Untersuchungen der Halswirbelsäule.

Organische Gründe für Tinnitus

Auch die organischen Ursachen für das Entstehen eines Tinnitus sind vielfältig. Zu ihnen zählen ein feststeckender Pfropf aus Ohrenschmalz, Gehörgangsmissbildungen, Mittelohrentzündung, Trommelfellrisse, Funktionsstörungen der Eustachischen Röhre zwischen Nase und Mittelohr, Knalltrauma, Hörsturz, Hirnhautentzündungen, zu hoher oder zu niedriger Blutdruck, Multiple Sklerose oder Eisenmangelanämie. Auch Medikamente können einen Tinnitus auslösen – ein Blick auf den Beipackzettel ist oftmals sehr aufschlussreich. Weitere organische Ursachen sind Autoimmunerkrankungen des Innenohrs, toxische Innenohrschädigungen oder Tauchunfälle (Dekompressionskrankheit, Barotrauma).

Zudem ist Tinnitus ein Musterbeispiel für die engen funktionellen Zusammenhänge von Organen, wie sie in der schulmedizinischen Ausbildung jedoch meist nicht gelehrt werden: Krankheiten des Ohrs (beispielsweise eingerissene Ohrläppchen, Otitis externa/Gehörgangsentzündung, Ekzem im/am oder hinter dem Ohr, Durchblutungsstörungen und eben auch Tinnitus) haben alternativmedizinischen Ansätzen zu Folge – neben anderen Faktoren – häufig eine wesentliche Ursache in der Störung der Nierenfunktion. Problematisch dabei erweist sich, dass sich diese selten sofort oder immer bei Urin-, Blut-, Ultraschall- oder anderen Untersuchungen feststellen lässt. So wird auch bei der Diagnostik und Therapie des Tinnitus die Bedeutung der Nierenproblematik meist weder erkannt noch berücksichtigt. Auch Stress geht im wahrsten Sinne des Wortes an die Nieren, löst im Hypothalamus die Produktion des Corticotropin-releasing-Hormons aus, in der Hypophyse des adreno-corticothropen Hormons. Dies führt nicht nur zur Bildung von Cortisol in der Nebennierenrinde, sondern gemeinschaftlich zu körperlichen Reaktionen.

Zu guter Letzt sollte ebenso das menschliche Gebiss hinsichtlich des Tinnitus seine Beachtung erfahren: Fehlstellung der Zähne, der Kiefergelenke und des Skeletalsystems verursachen Muskelverspannungen und biochemische Fehlschaltungen, die Auswirkungen auf das Ohr haben können. Genauso kommen chronische Entzündungen, Fremdkörper und Toxine in Frage, einen vorherrschenden Tinnitus negativ zu beeinflussen.

Eine interdisziplinäre Diagnostik und Therapie sind somit gerade beim Tinnitus von großer Bedeutung.

Der Facettenreichtum einer Klangorgel

Tinnitus ist nicht gleich Tinnitus: Die Beschwerden sind so individuell wie die Menschen, die davon betroffen sind – und die Bandbreite der Geräusche ist groß. Manche Patienten klagen über ein Dauerpfeifen, andere eher über ein Klingeln, Zischen, Rauschen, Brummen oder Sägen. Töne können kontinuierlich oder intermittierend auftreten, an- und abschwellen, gleich bleibend intensiv, rhythmisch pulsierend sein und sogar in der Frequenz wechseln. Oftmals besteht gleichzeitig eine Hörminderung, manchmal auch Schwindel, Übelkeit und Erbrechen, Ohrschmerzen oder Druckgefühl. Als Folge der Belastung durch einen Tinnitus kann es gar zu Depressionen und Angstzuständen kommen.

Als chronisch-kompensiert gilt der Tinnitus, wenn der Patient das Ohrgeräusch registriert, keine zusätzlichen Symptome hat und der Leidensdruck gering ist. Chronisch-dekompensiert gilt ein Tinnitus, wenn er Sekundärsymptome mit Angstzuständen, Schlaf- und Konzentrationsstörungen, Depression und hohem Leidensdruck aufweist.

Mindestens ebenso belastend wie die eigentlichen Tinnitus-Symptome sind die Folgeerscheinungen: Dazu zählt neben dem bereits genannten Übel auch die Panikattacke, depressive Verstimmung bis hin zur Suizidgefährdung sowie Arbeitsunfähigkeit. Erstaunlicherweise lernen jedoch die meisten Tinnitus-Patienten im Laufe der Zeit mit ihren Ohrgeräuschen gut umzugehen, können die chronische Lärmbelastung aus dem eigenen Ohr gut kompensieren und so wird wird die Lebensqualität kaum oder nur sehr gering beeinträchtigt. Dies gilt vor allem für Menschen, die den Tinnitus im Laufe der Zeit als ihren „Freund“ schätzen lernen, denn die Beschwerden verschlimmern sich meist dann, wenn der Stresspegel steigt. Tinnitus kann daher ein wertvoller Indikator für körperliche und seelische Überlastungssituationen werden. Wer das erkennt, den Tinnitus als Frühwarnsymptom für Überlastung nutzt und rechtzeitig für Entspannung sorgt, kann in seinen Ohrgeräuschen einen wertvollen Helfer für einen ökonomischeren Umgang mit den eigenen Energiereserven finden.