Warum man Töne sehen kann

Wenn wir Musik hören, sprechen die Wissenschaftler von einem Vorgang „auditiver Wahrnehmung“. Wir teilen unsere Welt unbewusst in unterschiedliche Bereiche ein, je nachdem, mit welchem Wahrnehmungsorgan wir ihre Erscheinungen erleben. Farben gehören für uns zur visuellen Welt, Töne zur auditiven. Tatsächlich aber handelt es sich dabei lediglich um Schwingungen, die wir mit unterschiedlichen Organen wahrnehmen, weil wir uns evolutionsgeschichtlich in dieser Form entwickelt haben. Unsere Wahrnehmungsorgane sind auf Frequenzbereiche und Wellenformen spezialisiert, was den Vorteil hat, dass uns bei Verlust eines Wahrnehmungsorgans immer noch die anderen zur Verfügung stehen. Koordiniert werden die unterschiedlichen Wahrnehmungen durch unser Gehirn, welches im Laufe des Lebens gelernt hat, diese zu kategorisieren und bedeutungsmäßig zu verarbeiten, um uns überhaupt eine Orientierung in der Welt zu ermöglichen.

Welt und Wahrnehmung

Hörbare Frequenzen liegen je nach Alter etwa zwischen 16 Hz und 16.000 Hz (=16 kHz); die wahrnehmbaren Frequenzen im visuellen Bereich liegen beim Menschen zwischen ca. 390 und 740 nm (Nanometer), das entspricht einer Wellenlänge von 400–790 THz (Terahertz).

Natürlich gibt es sowohl größere und kleinere Frequenzen bei den Schallwellen wie auch beim Licht. Nur sind Ohren und Augen auf die genannten Bereiche begrenzt. Es gibt also Welten „über“ und „unter“ der Welt, die wir wahrnehmen, von denen wir buchstäblich nichts mitbekommen – es sei denn durch entsprechende Messgeräte.

Wie wir festgestellt haben, erfasst das Auge einen wesentlich höheren Frequenzbereich, als das Ohr. Wie würde sich wohl eine Welt anfühlen, deren Erscheinungsformen wir alle mit einem einzigen Organ wahrnehmen können?

Das Geheimnis der Oktave

Der Sprung unserer Wahrnehmungsmöglichkeiten von einem Frequenzbereich zum nächsten zeigt uns bereits, dass unsere Wahrnehmung uns letzten Endes nur das Erleben eines Teilbereiches der Wirklichkeit ermöglicht.

Jeder Musiker weiß, dass sich nach einer bestimmten Anzahl von Tönen – acht, auf der tonalen Skala der westlichen Musik – jeder Ton qualitativ wiederholt. Man nennt dies eine Oktave (von lat. „octava“ = die achte). Der Begriff bezeichnet das Intervall, welches aus acht Tonstufen bzw. zwölf Halbtönen besteht. Ihr Schwingungsverhältnis beträgt 1:2 .

Was bedeutet das? Nehmen wir eine Violinsaite mit dem Ton A. Dieser Ton hätte (in der klassischen Stimmung) eine Frequenz von 440 Hz. Wenn man diese Violinsaite exakt halbiert, erhält man zwei Hälften mit jeweils 880 Hz. Diese Töne würde man A‘ nennen. Sie klingen genau wie das ursprüngliche A – nur höher. Zwei Töne im Abstand einer Oktave erscheinen fast gleichtönig.

Das Phänomen der Oktave ist eine natürliche Erscheinung, welches gemeinhin als das „Urwunder der Musik“ bezeichnet wird. Seine Verwendung ist fast allen musikalischen Systemen gemein und beruht auf der natürlichen Harmonie der Töne.

Natürlich kann man jeden Ton oktavieren. Nehmen wir unser Beispiel-A nehmen und lassen es immer höher werden: 880 Hz – 1760 Hz – 3520 Hz – 7040 Hz… usw.

Es ist nun klar, dass wir dieselbe Tonqualität theoretisch bis ins Unendliche hervorrufen können – aber wir hatten ja festgestellt, dass man nur in einem bestimmten Frequenzbereich von Tönen sprechen kann, da darüber hinaus keine auditive Wahrnehmung mehr stattfinden kann. Nach der sechsten Oktave ist es aus: die siebente Oktave landet bei 28.160 Hz und ist damit für das menschliche Ohr nicht mehr wahrnehmbar. Tiere, je nach Art, können viel höhere Frequenzen hören, ihre Welt hört sich also grundsätzlich anders an. Doch auch sie müssen ab einer bestimmten Frequenz passen.

Die Idee der Sonifikation

Gehen wir weiter mit unserer Oktave, dann landen wir schließlich im Terahertzbereich. Die Qualität unserer Frequenz ist aber immer noch dieselbe! Nur, dass wir uns jetzt nicht mehr in dem Bereich befinden, wo wir hören, sondern in einem Frequenzbereich, den wir nur noch mit den Augen erfassen können.

Dass wir einen Ton dennoch nie sehen würden, liegt daran, dass sich Schallwellen und elektromagnetische Wellen unterschiedlich verhalten: im Gegensatz zu Schallwellen, die sich longitudinal fortpflanzen, haben wir es bei Licht mit Wellen zu tun, die transversal, also senkrecht zur Ausbreitungsrichtung, schwingen. Unsere Augen und Ohren sind also nicht nur frequenzspezifisch; sie haben sich auch auf das Verhalten von Wellen spezialisiert.

Für die Idee, die hinter der Oktavierung steht, ist die Frage nach der Fortpflanzungsart der Welle jedoch von geringer Bedeutung. Studien der letzten dreißig Jahre haben bewiesen, dass Frequenzen auf lebende Wesen einen Einfluss haben. Dies gilt auch für die menschliche Psyche. Daraus entstand der Gedanke, dass jedem Ton durch Oktavierung (Sonifikation) eine entsprechende Farbe zugeordnet werden kann. Es gibt sogar Ansätze, die soweit gehen, die Bewegungen der Planeten als Frequenz auszudrücken und ihnen über das Prinzip der Sonifikation Töne und Farben zuzuordnen. Ideen solcher Art kommen vor allem im Bereich der alternativen Medizin und speziellen Arten der Psychotherapie zum Einsatz.

Der Sonifikation liegt die Theorie einer zahlenorientierten, kosmischen Harmonie und Ordnung zu Grunde.

Die Suche nach einer universellen Ordnung

Der Ansatz ist gar nicht so neu: bereits im alten Griechenland gab es den Gedanken dieser kosmischen, allem innewohnenden Harmonie, die auf Zahlen beruht und sich in den Bewegungen der Planeten und deren Entsprechungen in Tönen und Farben widerspiegelt. Aussagen hierüber findet man man vor allem bei Aristoteles, Pythagoras und Platon. Ihre Werke sowie die moderne Technik der Sonifikation entspringen dem Wunsch, dem Universum sein tiefstes Geheimnis zu entreißen und die Grundlagen seiner inneren Ordnung zu entdecken.

Fest steht: unsere Welt ist überhaupt nicht so, wie wir sie wahrnehmen. Wir kennen nur einen kleinen Teil von ihr, und deshalb auch nur einen Teil der Wirklichkeit. Den größeren Zusammenhang der Erscheinungen in der uns umgebenden Realität können wir auf natürliche Weise überhaupt nicht erkennen.

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