Was in der Pubertät tatsächlich passiert

Hormone schießen, Türen knallen, Nerven liegen blank, Fetzen fliegen. Die Pubertät beginnt immer früher, dauert aber nicht kürzer. Grund sind die unterschiedlichen Entwicklungen in physischer, psychischer und sozialer Hinsicht.

Wenn die Pubertät einsetzt, leiden nicht nur Jugendliche, sondern auch deren Altersgenossen, Eltern und viele, viele andere. Der moderne Mensch entwickelt sich früher vom Kind zum Erwachsenen, der Übergangsprozess scheint aber dennoch nicht schneller vonstatten zu gehen. Wenn 13jährige Mädchen, weil körperlich ausgereift und geschminkt, als 18jährige durchgehen und sich 13jährige Burschen im Internet über sexuelle Praktiken informieren, merken wir, dass die eigene Jugend lange her ist. Der homo sapiens hat im dritten Jahrtausend eine kürzere Kindheit als noch vor 200 Jahren. Damals setzte die Pubertät mit etwa 17 Jahren ein, heute haben Mädchen ihre erste Monatsblutung mit ca. 12 Jahren. Burschen liegen zeitlich versetzt zwei Jahre dahinter.

Gesicherte Nahrungsversorgung unterstützt die frühe körperliche Reife

Wenn man die Entwicklung der Menschheit betrachtet, fällt auf, dass die ausreichende Versorgung mit Nahrung erst seit einigen Generationen gesichert ist und sich das Kalorienangebot zunehmend erhöht. Gynäkologen wissen, dass der weibliche Körper für die bevorstehende Nachkommenschaft ein Fettdepot im Körper anlegt. Wenn dieses Depot ein Mindestmaß erreicht hat, beginnt der Organismus mit der Entwicklung zur Geschlechtsreife und die erste Monatsblutung setzt ein. Aufgrund der früheren Entwicklung der Mädchen geraten die Burschen sozusagen unter Zugzwang und unterhalten und interessieren sich früher für das andere Geschlecht als vor einigen Jahren. Die Medien und deren Angebot an Informationsquellen und sexuellen Reizen tragen ebenso wesentlich dazu bei, dass der Organismus von Burschen stimuliert wird.

Die Neuorientierung im sozialen Netzwerk beschert der Umgebung Konflikte

Das soziale Umfeld wird für den Heranwachsenden in der Pubertät zum Schlachtfeld. Wachstumsschübe und eine Flut an Hormonen geben den meisten Jugendlichen ein irritiertes Gefühl zu ihrem eigenen Körper. Arme und Beine wachsen unterschiedlich schnell, das Gesicht voller Akne und sprießende Körperhaare, lassen den Körper unschön, ungepflegt und fremd erscheinen. Unsicherheiten, Aggressionen und Überreaktionen sind an der Tagesordnung. Zudem muss sich der junge Mensch in der Familie und im Freundeskreis neu positionieren. Diese Veränderung findet stets über Konflikte statt, manchmal absichtlich herbeigeführt, um die eigenen Grenzen abzustecken. Die Krise mit den Kindern führt zu Streit, Mobbing, Raufhandel und Provokationen. Zu Alkohol und Zigaretten gegriffen wird oft nicht nur deshalb, weil es die Altersgruppe tut, sondern weil es die Erziehungsberechtigten verbieten wollen. In dieser Phase ist es ratsam, sich an die eigene Pubertät zu erinnern und dem Jugendlichen ein neutrales Gesprächsfeld anzubieten. Immerhin will der junge Mensch ernst genommen und nicht mehr als kleines Kind behandelt werden, braucht jedoch noch die Unterstützung des Elternhauses. In diesem Dilemma fördern Gespräche über Themen, bei denen sich der Sohn oder die Tochter besser auskennt als die Eltern das Gefühl, dass sich der Jugendliche angenommen fühlt. Menschen haben es insgesamt gerne, wenn man ihnen Fragen stellt. Junge Menschen sind hier nicht anders und Eltern haben so die Möglichkeit, ihren Kindern auf einer neuen Ebene als Gesprächspartner zur Verfügung zu stehen und bei Themen wie Kunst oder der PC vom Image des Besserwissers wegzukommen.

Die Reifung des Gehirns beginnt nicht früher

Bei all den früher einsetzenden Entwicklungsschritten bleibt das Gehirn allerdings – salopp formuliert – auf der Strecke. Von der Nahrungskette völlig unbeeindruckt entwickelt sich das Gehirn nicht schneller als in früheren Generationen. Zumindest sind einige Regionen in neuro-physiologischer Sicht erst mit 20 bis 22 Jahren ausgereift. Eine dieser Hirngegenden ist der präfrontale Kortex, in dem ausgerechnet das strategische Denken bzw. die vorausschauende Planung untergebracht ist. Das Abschätzen von Konsequenzen, für den dieser Hirnbereich zuständig ist, fällt vielen Pubertierenden tatsächlich schwer. Vielleicht begründet das so manchen Unfall, der von einem Jugendlichen verursacht wurde, weil er angetrunken trotzdem noch ins Auto stieg, entschuldigen kann er ihn allerdings nicht.

Deutlich wird nur, dass die Pubertät zwar früher einsetzt, aber nicht schneller vorbei ist und es allen Beteiligten nach wie vor viel Energie abverlangt, bis der junge Mensch erwachsen ist.

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