Was wir von Wühlmäusen über Treue lernen können

Forscher haben einen chemischen Mechanismus entdeckt, der die Treue bei Wühlmäusen erklärt. Lassen sich die Ergebnisse auch auf den Menschen übertragen?

Nur drei Prozent aller Säugetiere – den Menschen eingerechnet – sind monogam und gehen eine lebenslange Beziehung ein. Die Präriewühlmäuse gehören dazu, ihre engen Verwandten, die Gebirgswühlmäuse hingegen nicht. Grund genug für Forscher zu fragen, was genau den Unterschied ausmacht, immerhin unterscheiden sich die beiden Arten in lediglich einem Prozent ihrer Gene, und was man daraus für das menschliche Paarverhalten lernen kann.

Die chemische Basis für „Liebe auf den ersten Blick“

Präriewühlmäusen binden sich bereits „nach der ersten Nacht“ für ein Leben lang. Die kann allerdings bis zu 24 Stunden andauern und besteht aus wildem, heftigen Sex. Danach halten sich die Wühlmäuse die Treue. Forscher haben nun herausgefunden, dass zwei Hormone, die auch beim Menschen vorkommen, für diese lebenslange Beziehung verantwortlich sind: Oxytocin und das verwandte Vasopressin. Oxytocin ist auch als Mutterschaftshormon bekannt. Es leitet beim Geburtsvorgang die Wehen ein und sorgt hinterher für den Milcheinschuss. Vasopressin ist ein sogenanntes antidiuretisches Hormon, das heißt es verengt die Blutgefäße und spielt eine wesentliche Rolle in der Regulierung des Wasserhaushalts. Beide Hormone wirken auch als Botenstoffe im Gehirn.

Wenn man die Ausschüttung dieser beiden Stoffe verhindert, verhalten sich die braven Präriewühlmäuse plötzlich wie ihre flatterhaften Verwandten, die Gebirgswühlmäuse, die nach dem Sex schnell das Weite suchen. Umgekehrt gilt, hält man die Präriemäuse davon ab, Sex zu haben, verabreicht ihnen aber den Hormoncocktail, gehen die Tiere dennoch eine langfristige Partnerschaft ein. Allerdings funktioniert dieser Trick bei den Gebirgswühlmäusen nicht: sie bleiben sprunghaft, Hormone hin oder her. Das die Forscher auf die entscheidende Spur gebracht: Den Gebirgswühlmäusen fehlen im Gehirn die Rezeptoren für die beiden Botenstoffe Oxytocin und Vasopressin. Die Tiere können sich also gar nicht verlieben.

Ist die Treue beim Menschen auch nur eine Frage der Hormone?

Nun sind Wühlmäuse etwas anderes als Menschen. Sie erkennen zum Beispiel ihren Partner über den Geruch, beim Menschen läuft das in der Regel über das Aussehen. Auch wird unser Sozialverhalten wird stärker von kulturellen Einflüssen geprägt, als das der Nager. Wie sieht es also mit der Treue bei uns aus? Sind wir dafür überhaupt genetisch ausgerüstet? Unbestritten ist, dass beim Sex zwischen zwei Menschen ebenfalls Oxytocin und Vasopressin freigesetzt werden. Auch die entsprechenden Rezeptoren lassen sich im menschlichen Gehirn nachweisen, allerdings mit recht großen Unterschieden in der Verteilung von einem Individuum zum anderen.

Kann man die Liebe also überhaupt in unserem Kopf lokalisieren? Um das herauszufinden haben Andreas Bartels und Semir Zeki vom University College London frisch und nach eigenen Angaben heftig verliebte Studenten in einen Kernspintomographen gesteckt. Sie wollten wissen, welche Gehirnareale bei den Verliebten besonders aktiv waren. Das Ergebnis überraschte sie. Nicht etwas die Bereiche, die für starke Gefühle wie Angst und Wut zuständig sind, feuerten in den Köpfen der Probanden besonders heftig, sondern Areale, die auch bei Süchtigen aktiv sind. In anderen Worten: Liebe hat Suchtcharakter. Es gibt also vieles, was für die prinzipielle Fähigkeit des Menschen zu monogamem Verhalten spricht. Allerdings gibt es keine Automatismen wie bei den Präriewühlmäusen. Ein bisschen anstrengen müssen wir uns also schon.

Und wenn es dennoch zur Trennung kommt?

Auch dafür bieten uns die Wühlmäuse einen Anhaltspunkt. Forscher haben Pärchen von Präriewühlmäusen voneinander getrennt und anschließend ihr Verhalten studiert. Die monogamen Mäuse verfielen in Lethargie und zeigten alle Anzeichen depressiven Verhaltens. Auch hierfür war ein bestimmtes Hormon (das Corticotropin ausschüttende Hormon) verantwortlich. Blockierten die Wissenschaftler das Andocken dieses Hormons im Hirn der Nager, verflogen die Symptome. Wird es also in Zukunft eine Pille gegen Trennungsschmerz geben? Eine Entzugsklinik für Verliebte? Hoffen wir für die Romantiker unter uns, dass das noch eine Weile dauert.

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