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Gesundheitsmuffel Mann

Männer sind oft so lange gesund, bis sie tot umfallen.

Die Sorge um die eigene Gesundheit spielt beim männlichen Geschlecht immer noch eine untergeordnete Rolle. Langsam findet allerdings ein Umdenken statt

Er ist arm dran – der Mann, zumindest was seine Gesundheit betrifft. 50 Prozent mehr Männer als Frauen sterben an einem plötzlichen Herztod. Die koronare Herzerkrankung trifft Männer im Durchschnitt zehn bis 15 Jahre früher als Frauen. 15 Prozent der österreichischen Männer erkranken an einer KHK. 11 Prozent der Männer sterben an einem akuten Myokardinfarkt, 13 Prozent an einer Hirngefäßerkrankung wie dem Schlaganfall. Auch an Krebs sterben Männer öfter als Frauen. Die häufigsten Krebserkrankungen der Männer sind Lungen-, Darm- und Prostatakrebs.

Insgesamt ist die Lebenserwartung des Mannes in Österreich rund sieben Jahre geringer als jene der Frauen. Dazu kommen Probleme wie Alkoholkrankheit und Nikotinsucht, die Männer immer noch wesentlich öfter betreffen als Frauen. Bis zum 35. Lebensjahr sterben Männer – wegen der größeren Risikobereitschaft – übrigens am häufigsten an Unfällen. „Männer leben noch viel zu oft nach dem Motto „leb schnell – stirb jung!“ kritisiert der Präsident der International Society for Men`s Health & Gender, Prof. Dr. Sigfried Meryn.

Reparatur statt Vorsorge

Männer betrachten ihren Körper vielfach immer noch als Maschine, die zu funktionieren hat. Erst wenn, wie beim Auto, etwas kaputt geht, wird der Arzt aufgesucht. Reparieren ist aber immer die schlechtere Wahl – Prävention wäre in vielen Fällen möglich, damit gesundheitliche Probleme erst gar nicht auftreten. Die Medizin versucht seit einigen Jahren, eine Bewusstseinsänderung zu bewirken, um Männern etwa die Vorsorgeuntersuchung schmackhaft zu machen und ein anderes Gesundheitsbewusstsein zu wecken. Bis dato allerdings mit eher begrenztem Erfolg: Im Jahr 2003 (so die aktuellsten Zahlen) nahmen in Österreich 350.000 Männer die Gesundenuntersuchung in Anspruch – aber 500.000 Frauen. Etwas besser ist die Situation in Wien: 2006 nahmen hier 73.677 Frauen und immerhin 55.273 Männer die Vorsorgeuntersuchung Neu in Anspruch.

Regelmäßig zum „Pickerl“

Auch die Österreichische Krebshilfe versucht seit mehreren Jahren, Männer verstärkt zur Vorsorge zu motivieren. Anfang Juni 2007 wurde das Vorsorgepickerl für den Mann vorgestellt. Analog einem § 57a-Kleber, der bei Autos die Fahrtüchtigkeit bestätigt, dient das Pickerl als Hingucker, denn „Männer sollten wenigstens so regelmäßig zur Vorsorgeuntersuchung gehen, wie sie ihr Auto zum Pickerl bringen“, hielt der Präsident der Österreichischen Krebshilfe, Prof. Dr. Paul Sevelda fest.

PSA ja oder nein?

Auch die Prostatauntersuchung gehört zum Vorsorgeprogramm des Mannes über 40. Neben der digitalen Untersuchung der Vorsteherdrüse über das Rektum wird auch eine Bestimmung des Prostataspezifischen Antigens durchgeführt, die allerdings seit Jahren heftig diskutiert wird. Zum einen wird die Aussagekraft des PSA immer wieder angezweifelt, zum anderen ist unklar, ob jedes entdeckte Prostatakarzinom auch wirklich lebensbedrohlich wird. Der Urologe Doz. Dr. Eugen Plas, leitender Oberarzt der Urologischen Abteilung des Krankenhaus Hietzing dazu: „Der PSA-Wert ist ein nützlicher Marker, wenn er sinnvoll eingesetzt wird. Das bedeutet: Jährlicher PSA-Test und digitale Prostatauntersuchung bei Männern mit familiärer Vorbelastung ab dem 40. Lebensjahr, liegt keine Prostatakrebserkrankung in der Familie vor, sollte die Vorsorge mit dem 45. Lebensjahr beginnen.“

Kein Herz fürs Herz

Erektile Dysfunktion ist nicht nur für das Liebesleben störend. Vielmehr deutet sie in vielen Fällen auf Probleme mit dem Herz-Kreislauf-System hin. „Probleme, eine Erektion zu bekommen und zu halten, können auf Gefäßveränderungen wie Atherosklerose hindeuten“, sagt die Leiterin der Sexualambulanz am Wiener Wilhelminenspital und Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Sexualmedizin, Dr. Elia Bragagna. „Die Blutgefäße im Penis sind winzig klein – wenn es also zu Gefäßablagerungen aufgrund von Übergewicht, Rauchen und Bewegungsmangel kommt, reagieren diese Gefäße zuerst, lange vor den Herzgefäßen.“

Aggressiv statt traurig

Krank sein, nicht funktionieren zu können, sich in die Hände von Ärztinnen und Ärzten zu begeben, das alles ist für Männer immer noch ungleich schwieriger als für Frauen, widerspricht es doch dem vielfach gepriesenen Bild des Mannes als „Macher“.

Noch schlimmer als bei somatischen Erkrankungen ist dies, wenn Mann an der Seele erkrankt. Mann und Depression? Das geht für viele Männer nicht zusammen. Dabei ist heute klar, dass Männer etwa genauso häufig unter Depressionen leiden wie Frauen. Allerdings äußert sich die Erkrankung vielfach bei Männern ganz anders als bei Frauen. „Wenn etwa ein Mann, der bislang als eher ruhig beschrieben wurde, plötzlich wegen jeder Kleinigkeit extrem wütend wird, so kann dies – in der Zusammenschau mit anderen Symptomen wie Müdigkeit, Konzentrationsschwäche und Lustlosigkeit, durchaus auf eine Depression hindeuten“, erläutert Prim. Prof. Dr. Christian Simhandl, Vorstand der Abteilung für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin am Krankenhaus Neunkirchen.

Rechtzeitig Hilfe suchen

Neben aggressiven Tendenzen äußern Männer aber vor allem somatische Probleme, wie Kopf- und Rückenschmerzen oder extreme Ermüdbarkeit, wenn sie unter einer Depression leiden. Nicht selten gesellt sich auch eine Alkoholproblematik zur Depression: „Alkohol wird von den Männern gerne als „Therapeutikum“ eingesetzt, um beispielsweise die Getriebenheit und die Aggressivität zu dämpfen“, erläutert Simhandl. Auch die Libido leidet bei einer Depression: „Deswegen sollte behutsam auch die Frage nach dem Liebesleben gestellt werden, wenn die Diagnose Depression im Raum steht, so Simhandl. Die Erkrankung kann – mit einer Kombination aus Medikamenten und Psychotherapie sehr gut behandelt werden. Unbehandelt nimmt die Erkrankung allerdings nicht selten einen letalen Verlauf: 90 Prozent aller Suizide in Österreich werden von depressiven Menschen begangen. Im Vorjahr haben sich rund 1.500 Menschen in Österreich suizidiert – 60 Prozent davon waren Männer.