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Schmerzen ausgetrickst

Virtuelle Realität überlistet Phantomschmerzen

Phantomschmerzen, die in einem fehlenden Bein oder Arm vorkommen, sind für Außenstehende schwer zu begreifen. Ebenso sonderbar scheint die virtuelle Kur für die Phantome.

Sigmund Freud nannte es Verleugnung, Oliver Sacks Phantomschmerzen und Vilayanur Ramachandran erfand eine Spiegelbox, um das Gehirn bei diesen „unmöglichen“ Schmerzen auszutricksen. Phantomschmerzen kommen von einem Körperteil, das nicht mehr existiert. Der Amputations-Patient spürt Schmerzen in dem fehlenden Glied, ganz so als ob es noch vorhanden wäre. Bei fast 75 Prozent aller Amputationen klagen die Patienten anschließend über Phantomschmerzen in ihrem fehlenden Bein oder Arm. Forscher an der Universität in Manchester versuchen jetzt mit Hilfe einer virtuellen Realität Betroffene zu kurieren.

Wer glaubt schon an Schmerzen in einem fehlenden Bein?

In ihrer Umgebung stoßen Patienten mit Phantomschmerzen oft auf Unverständnis, da Außenstehende sich nicht vorstellen können, dass Gliedmaßen schmerzen, die nicht mehr vorhanden sind. Häufig verheimlichen die Betroffenen deswegen ihre Schmerzen. Die Phantomschmerzen oder Phantomsensationen führen auch dazu, dass mehr als ein Drittel aller Amputationspatienten seine Prothesen nicht nutzen. Dieser Verzicht lässt die Patienten weniger mobil werden, alltägliche Aktivitäten wie Freunde besuchen, körperliche Hygiene oder Hausarbeit leiden – die Betroffenen werden dann oftmals depressiv.

Psychologen, konfrontiert mit diesen Patienten, sprachen von Verdrängung der Amputation oder, wie Freud, von Verleugnung. Phantomsensationen treten häufig nach Bein- oder Armamputationen auf, können aber auch in anderen Körperregionen empfunden werden, und auch nach dem Ziehen von Zähnen auftreten.

Schmerzgedächtnis im Gehirn

Wie diese Schmerzen entstehen ist noch nicht ganz geklärt. Es sieht so aus, als ob das Gehirn noch immer Signale aus den Nerven empfängt, die früher für diesen Körperteil zuständig waren. Der amputierte Körperteil ist auch nach der Operation noch im Gehirn abgebildet. Schmerzen, die auch schon vor der Amputation bestanden, wie Schmerzen von Durchblutungsstörungen oder Entzündungen scheinen in einem sog. Schmerzgedächtnis in bestimmten Gehirnregionen abgespeichert zu sein. Der berühmte Neurologe Vilayanur Ramachandran erfand eine Spiegelbox, die dem Gehirn vorgaukelte, dass das fehlende Glied noch existiere und konnte so die Phantomschmerzen seiner Patienten kurieren. Allerdings führte er nie eine kontrollierte Studie durch – seine Ergebnisse blieben anekdotisch.

Virtuelle Realität ersetzt das fehlende Glied

Wissenschafter an der Universität von Manchester hoffen jetzt mit Hilfe einer virtuellen Realität ähnlich der Spiegelbox das fehlende Glied zu ersetzen und die Schmerzen zu kurieren. Die Forscher um den Psychologen Craig Murray und den Computerspezialisten Steve Pettifer wollen auf den Ergebnissen von Ramachandrans Spiegelbox aufbauen. In der von ihnen geschaffenen virtuellen Realität sehen die Amputationspatienten ihren ganzen Körper, das Phantomglied eingeschlossen. In dieser computergeschaffenen Welt müssen die Betroffenen komplexe Bewegungen ausführen, die eine große Konzentration und Koordination verlangen. Die Versuchspersonen müssen mit Stecktafeln umgehen, Tennis spielen und verschiedene Ballspiele durchführen. Die Forscher hoffen, dass so die Phantomschmerzen schwinden und die Patienten ihre Prothesen benutzen. In einer ersten Testserie berichteten alle Versuchspersonen von verminderten Schmerzen. Professor Murray warnt aber, dass dieses positive Ergebnis vielleicht nur darauf zurückzuführen ist, dass die Versuchspersonen sich stark konzentrieren mussten und deswegen ihre Schmerzen vergaßen. Es werden also noch einige Testserien nötig sein, um den Phantomschmerzen endgültig das Phantom auszutreiben.