Atommüll schneller entsorgen?

Ein Hoffnungsschimmer der Entsorgung von Atommüll wurde widerlegt. Atommüll in Metalle einbringen, in die Nähe des absoluten Nullpunktes abkühlen und schon zerfällt das Material ganz schnell. Das war die These. Sie wurde widerlegt.

Mitte des Jahres 2006 sorgte eine Nachricht für Aufsehen. Danach sollte die Halbwertszeit von Atommüll drastisch reduzierbar sein. Mann müsse ihn nur in Metall einbetten und stark kühlen.

Ein umstrittener Effekt sollte dafür sorgen, dass die Reaktionsfreudigkeit des radioaktiven Atomkerns erhöht und damit der Zerfall beschleunigt wird. Ergebnisse aus Experimenten von Forschern aus Dresden und Vancouver zeigen nun, dass der radioaktive Zerfall durch Kühlung nicht beeinflussbar ist.

Die These des Einflusses der Temperatur auf die Halbwertszeit

Radioaktive Atomkerne sind nicht stabil. Sie zerfallen mit einer für den jeweiligen Kern bestimmten Rate. Der Gold-Atomkern mit der Massenzahl 196 hat eine Halbwertszeit von rund drei Tagen, Gold-198 eine von rund sechs Tagen. In dieser Zeit zerfällt jeweils die Hälfte der Atomkerne in andere Kerne. Nach etwa zehn Halbwertszeiten ist die Radioaktivität des Materials auf etwa ein Tausendstel des ursprünglichen Werts abgeklungen.

Kernphysiker aus dem Forschungszentrums Dresden-Rossendorf (FZD) und aus dem kanadischen Vancouver untersuchten den Zerfallsprozess der radioaktiven Metallen Gold-196, Gold-198 und Natrium-22 bei Raumtemperatur und bei tiefen Temperaturen. Sie wollten die 2006 formulierte These, dass in Metall eingebettete radioaktive Kerne bei tiefen Temperaturen schneller zerfallen, überprüfen.

Nach diesen Arbeiten sind für die Veränderung des radioaktiven Zerfalls bei tiefen Temperaturen die Leitungselektronen des Metalls verantwortlich. Denn der positiv geladene Atomkern stößt positiv geladene Teilchen ab. Ein positiv geladenes Teilchen muss eine Barriere überwinden, um in den Kern eindringen zu können. Es gilt als gesichert, dass die Elektronenwolke um den Kern diese Barriere leicht herabsetzt. Dies ist der Elektronen-Screening-Effekt. Er scheint mit sinkender Temperatur stärker zu werden.

Die umstrittene These postulierte, dass in Metall eingebettete radioaktive Alpha- und Beta-plus-Strahler bei niedrigen Temperaturen schneller zerfallen. Dagegen ist für Beta-minus-Strahler und Kerne, die durch Elektroneneinfang zerfallen, eine Verlängerung der Halbwertszeit zu erwarten. Erste Experimente schienen eine Veränderung der Halbwertszeit durch Kühlung zu belegen. Allerdings wurde bereits 2007 und 2008 für Gold-198 der behauptete Effekt widerlegt.

Bei den nun durchgeführten Experimenten wurde erstmals in Metall eingebettetes Natrium-22, ein Beta-plus-Strahler, und Gold-196, das durch Elektroneneinfang zerfällt, untersucht. Bei dem dritten untersuchten Metall, dem Beta-minus-Strahler Gold-198 konnten die Forscher aus Dresden und Vancouver den Wert der Halbwertszeit präzisieren. In der Karlsruher Isotopentabelle muss er von 2,6952 Tagen auf den neuen Wert von 2,6937 Tagen korrigiert werden.

Die Gold-Proben wurden im Forschungszentrum Dresden-Rossendorf präpariert und bei Raumtemperatur untersucht. Die Natrium-Messungen und die Experimente bei -263 °C fanden in Vancouver statt.

Das Ergebnis und die Folgen

Alle Messungen bestätigten die umstrittene These nicht. Das Resultat aus Dresden und Vancouver lautete: Radioaktives Metall zerfällt bei tiefen Temperaturen genauso schnell wie bei Raumtemperatur. Somit ist die vor zwei Jahren aufgestellte These haltlos.

„Damit ist bewiesen, dass die Halbwertszeit eine physikalische Größe ist, die mit so einfachen Mitteln wie Kühlung kaum beeinflusst werden kann. Dem Atommüll ist nur mit aufwändigeren Prozessen wie beispielsweise der Transmutation beizukommen. Dafür steht uns hier am Elektronenbeschleuniger ELBE ein eigenes Labor zur Verfügung, wo wir mit Neutronenbeschuss radioaktive Atomkerne in harmlose umwandeln wollen. An ELBE haben wir auch die Aktivierung der Gold-Proben und die Messungen bei Raumtemperatur durchgeführt.“, erläuterte Dr. Daniel Bemmerer vom Institut für Strahlenphysik des Forschungszentrums Dresden-Rossendorf.

Zerschlagen hat sich damit eine Hoffnung der Befürworter der Nutzung der Kernkraft. Die erhoffte relativ einfache Reduzierung der Atommüllberge durch beschleunigten Zerfall bei tiefen Temperaturen muss in das Endlager gebracht werden. Und das wird ja noch immer gesucht.

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