Bewerbungsprozess: häufige Probleme für Frauen

Die Neigung, das eigene Licht unter den Scheffel zu stellen. Viele Frauen haben innerhalb des Bewerbungsprozesses spezifische Probleme, die häufig aus zu großer Bescheidenheit resultieren.

Die Autorin Uta Glaubitz stellt in ihrem Buch „Wege zur Berufsfindung“ fest, dass Frauen vielfach dazu neigen, ihr Können als etwas Selbstverständliches abzutun, Lob oder Komplimente nicht anzunehmen oder sich grundsätzlich viel weniger zuzutrauen als manch männlicher Mitbewerber.

Die Beurteilung von Stellenangeboten

Grundsätzlich wird bei Stellenausschreibungen zwischen Muss- und Kann-Kriterien unterschieden. Beispiele für Muss-Kriterien sind beispielsweise „Mindestens drei Jahre Führungserfahrung zwingend erforderlich“ oder „Gute Englischkenntnisse in Wort und Schrift sind unabdingbar“. Häufige Formulierungen für Kann-Kriterien sind beispielsweise „SAP-Kenntnisse wünschenswert, aber nicht Bedingung“ oder „… gerne mit Kenntnissen in einer zweiten Fremdsprache“.

In der Arbeit von Outplacement-Beratungen und Transfergesellschaften fällt auf, dass Frauen sich häufig fragen, ob sie sich überhaupt auf eine interessante Position bewerben sollen, weil sie lediglich ein Kann-Kriterium nicht oder nur teilweise erfüllen. Oft stellen sie dann bereits ihre Eignung für die Stelle in Frage, obwohl die übrigen geforderten Kenntnisse und Fähigkeiten gut bis sehr gut zu ihnen passen. Eine hundertprozentige Übereinstimmung mit einer Stellenanzeige ist tatsächlich eher selten, ideal und häufig zutreffend ist etwa eine Quote von 80 bis 90 Prozent.

Männer hingegen stellen sich solche Fragen eher selten, manchmal bewerben sie sich sogar auf Angebote, für die sie zu wenig qualifiziert sind, weil sie zu wenig Berufserfahrung haben und weitere Soll-Kriterien nicht erfüllen.

Bescheidenheit: der Umgang mit Lob und Komplimenten

Uta Glaubitz stellt in ihrem Buch anschaulich dar, wie Frauen auf Komplimente reagieren. Sagt eine Bekannte beispielsweise, dass ihr das Kleid, das sie trägt, sehr gut steht, kommt häufig die Antwort: „Danke, aber eigentlich ist das Kleid schon älter.“ Sagt eine gute Freundin: „Das ist aber ein schönes Foto von dir“, folgt häufig der Satz: „Ach, eigentlich war ich an dem Tag total übermüdet.“ Anstatt sich über das sicherlich ehrlich gemeinte Kompliment zu freuen und es so anzunehmen, suchen Frauen oft eher nach einer Abschwächung, als ob sie Lob und Komplimente gar nicht verdient hätten.

Ähnlich verhält es sich auch im Berufsleben. Stellt der Personalchef beispielweise im Vorstellungsgespräch fest, dass die Bewerberin schon einiges in ihrem Leben auf die Beine gestellt habe (langjährige, fundierte Berufserfahrung, nebenberufliche und erfolgreiche Weiterbildung, Familienmanagement und ehrenamtliches Engagement), folgen häufig Antworten wie: „Ach, das war eigentlich alles nur Glück.“ Damit vergeben Frauen oft ihre Chance auf einen Arbeitsplatz, denn kaum ein Personalchef wird jemanden für seine ausgeprägte Bescheidenheit einstellen und noch weniger dafür, dass ihre Erfolge und ihr beruflicher Hintergrund nicht auf Können, sondern ausschließlich auf eine Verkettung von glücklichen Umständen (zum Beispiel freiwerdende Planstellen im Zusammenhang mit „Vitamin B“) zurückzuführen sind.

Richtiger wäre es, ein Kompliment oder Lob als solches anzunehmen und ohne Arroganz zu betonen, was der Bewerberin dabei geholfen hat, Beruf, Familie, Weiterbildung und ehrenamtliches Engagement unter einen Hut zu bringen (gutes Zeitmanagement, schnelle Auffassungsgabe und gute Selbstorganisation).

Die Gehaltsfrage

Wenn das Gehalt nicht von vorneherein an einen bestimmten Tarif gebunden und somit praktisch frei verhandelbar ist, sind Frauen auch hier häufig zu bescheiden. Während Männer ihren Marktwert meist sehr genau kennen und versuchen, möglichst hoch über Tarif zu pokern, geben sich Frauen oft schon mit viel weniger zufrieden, als ihnen eigentlich angesichts der Kriterien wie Lebensalter, Berufserfahrung, Qualifikation zustehen würde. Sie lassen sich vielfach vermeintliche Brüche im Lebenslauf wie etwa ein nach zwei Semestern abgebrochenes Studium oder ein mittelmäßiges Berufsschulabschlusszeugnis als scheinbar plausible Gründe dafür einreden, ein untertarifliches Gehalt zu bekommen.

Auch Argumente wie „Wir würden Ihnen ja mehr zahlen, aber unser Kunde zahlt nicht mehr …“ fallen leider bei vielen Bewerberinnen auf fruchtbaren Boden. Häufig akzeptieren Frauen eher, dass sie kaum ohne sonstige Beihilfen von ihrem Gehalt leben können, nur um nicht den Eindruck zu erwecken, dass sie unbescheiden sind oder die finanzielle und wirtschaftliche Lage der Unternehmen nicht akzeptieren.

Richtiger wäre es jedoch in Fällen, in denen einer Chefsekretärin mit 20-jähriger Berufserfahrung und umfangreichem Erfahrungsschatz ein Stundenlohn von 8 € mit der oben angeführten Begründung geboten wird, aufzustehen und zu gehen, wenn weitere Verhandlungen nichts bringen. Damit hätte sie unter anderem auch erreicht, sich nicht unter Wert zu verkaufen und der vielfach verbreiteten Politik des Lohndumpings Einhalt zu gebieten.

Die Selbstverständlichkeit des eigenen Könnens

Viele Frauen sehen das, was sie beruflich können, als selbstverständlich an. „Es ist doch nichts Besonderes, wenn ich alleine einen Druckertoner wechseln kann …“, wehren viele Arbeitnehmerinnen dementsprechendes Lob ab. In solchen Fällen hilft es, sich zu fragen, welche Kolleginnen vielleicht nicht oder zumindest nicht ohne Hilfe einen Toner wechseln können (oder auch wollen). Damit sollen die Kolleginnen nicht abgewertet werden, die betreffende Dame soll sich in diesem Fall lediglich vor Augen führen, dass nicht alles ihres Könnens selbstverständlich ist.

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