Die Heilpraktikerprüfung zum Wohl der Volksgesundheit

Ist es gerechtfertigt, dass jedes Jahr bei der Heilpraktikerprüfung ca. 70% der Prüflinge durchfallen? Die Prüfung dient dem Wohl der Volksgesundheit.

Jedes Jahr im Frühjahr und im Herbst füllen sich die Landratsämter mit Heilpraktikeranwärtern, die sich zur amtsärztlichen Überprüfung anmelden. Die Durchfallquote liegt bei ca. 70%, eine solide Ausbildung ist lang, kostspielig und schwer und trotzdem interessieren sich immer mehr Menschen für das Berufsbild des Heilpraktikers. Viele, weil sie in einem Heil- oder Pflegeberuf arbeiten und die Zulassung zum Heilpraktiker erhalten möchten, um selbständig die Heilkunde ausüben zu können. Andere, weil sie selber einmal ernsthaft erkrankt waren, sich von der Schulmedizin im Stich gelassen gefühlt und so erste Kontakte mit der Naturheilkunde geknüpft haben. Geheilt und voller Enthusiasmus stürzen sie sich nun in die Ausbildung, um später anderen Menschen mit ihrem Wissen helfen zu können.

Wie man Heilpraktiker wird

Die Ausbildung selbst ist staatlich nicht geregelt. Der Besuch einer Heilpraktikerschule ist nicht vorgeschrieben, dennoch wählen fast alle angehenden Heilpraktiker diese Möglichkeit. Die Schulausbildungen finden abends, vormittags oder an Wochenenden statt, ihre Dauer ist unterschiedlich und variiert von sogenannten Crashkursen bis hin zu kompakten 2-jährigen Ausbildungen, mit anschließender Prüfungsvorbereitung.

Der Unterricht umfasst u.a. Anatomie, Physiologie, Pathologie, Gesetzeskunde, Infektionskrankheiten, aber auch praktische Dinge wie Injektionstechniken und Untersuchungsmethoden und bereitet den Heilpraktikeranwärter auf die amtsärztliche Überprüfung im zuständigen Landratsamt vor.

Die einzelnen Prüfungsabschnitte

Die Prüfung besteht aus 2 Teilen. Der erste Teil umfasst eine Multiple-Choice Prüfung mit 60 Fragen, von denen mindestens 45 richtig zu beantworten sind. Nur wenn der Prüfling die schriftliche Prüfung bestanden hat, wird er zur mündlichen zugelassen.

Während man sich auf die schriftliche anhand vieler Bücher auch autodidaktisch gut vorbereiten kann, scheint es vielen Heilpraktikeranwärtern so, als seien sie bei der mündlichen Überprüfung der Willkür des Prüfungskomitees ausgesetzt.

Das Prüfungskomitee setzt sich aus jeweils drei Prüfern, nämlich einem Amtsarzt und zwei Beisitzern, die selbst Heilpraktiker sind, zusammen. Die wildesten Gerüchte kursieren um diesen Prüfungsabschnitt. Sie reichen von Beisitzern, die keine Konkurrenz dulden und somit möglichst viele Anwärter durchfallen lassen, bis hin zu Amtsärzten, die nur die Schulmedizin für das einzig Wahre halten und den Anteil an Heilpraktikern möglichst gering halten wollen.

Fällt ein Prüfling durch, erzählt er seinen mitleidenden Lernkollegen oft von „unfair gestellten Fragen“, oder „nicht zu bewältigenden praktischen Untersuchungsmethoden“, die er an einer Puppe durchführen sollte.

Eine notwendige Prüfung zum Wohl der Volksgesundheit

Das Berufsbild des Heilpraktikers umfasst die allgemeine Ausübung der Heilkunde. Das heißt er darf, genau wie der Arzt, körperliche und seelische Leiden feststellen und eine eigene Therapie, auch mit körperlichen Behandlungen, durchführen. Vom Arzt unterscheidet ihn, dass seine Befugnisse durch Gesetze und Verordnungen eingeschränkt werden. So ist es ihm z.B. nicht erlaubt, verschreibungspflichtige Medikamente oder Betäubungsmittel zu verordnen, Geburtshilfe (außer im Notfall) zu leisten oder gemäß Infektionsschutzgesetz bestimmte Infektionskrankheiten zu behandeln.

Aufgabe des Prüfungskomitees ist es herausfinden, ob der Heilpraktikeranwärter eine Gefahr für die Volksgesundheit darstellt. Eine Gefahr für die Volksgesundheit stellen beispielsweise Personen dar, die sich nicht gut mit den gängigen Infektionskrankheiten auskennen und somit womöglich zu deren Verbreitung führen. Oder solche, die nicht genug Fachkenntnisse besitzen, um in ihrer Praxis die Grundlagen der Desinfektion und Sterilisation zu beachten, was zur Erkrankung ihrer Patienten führen kann. Nicht zu vergessen diejenigen, die nicht in der Lage sind, einen wirklichen Notfall zu erkennen.

Kein Prüfling wird durchfallen, nur weil er einen bestimmten Fachausdruck aus der Hygiene nicht kennt, oder nicht sagen kann, wohin er die Sporenpäckchen, die zur halbjährlichen Überprüfung eines Sterilisators benötigt werden, schicken muss. Aber wirklich wichtige Dinge, die es in der täglichen Praxis zu beachten gilt, wie die Einwirkzeit eines Desinfektionsmittels, oder wo man eine Liste der zugelassenen Desinfektionsmittel findet, müssen einfach gewusst werden.

Es geht nicht darum, den Prüfling exotische Infektionskrankheiten, wie z.B. die Hasenpest, die einem Heilpraktiker wohl sein Leben lang in seiner Praxis nicht begegnen wird, herunterrasseln zu lassen. Aber ab wann die Windpocken ansteckungsfähig sind, wie lange es dauert, bis eine Person nach Kontakt mit einem an Windpocken erkrankten Kind erkrankt, wie die Hautsymptome aussehen, die zu erwarten sind, welche Komplikationen auftreten können, ist ein unbedingtes Muss.

Was den meisten Prüflingen fehlt, ist die Sicherheit in den praktischen Untersuchungsmethoden. Wie lehrt man beispielsweise jemandem im Rahmen einer Heilpraktikerausbildung das Spritzen? Indem man ihm theoretisch die Technik vermittelt und er sich dann „Opfer“ sucht, an denen er üben kann. Nun kann sich jeder gut vorstellen, dass es eher schmerzhaft ist, sich von einem unerfahrenen HP-Anwärter eine Spritze „in den Po jagen zu lassen“. Dementsprechend gering wird die Zahl der Freiwilligen ausfallen, dementsprechend unerfahren wird der Prüfling bei der Durchführung einer i.m. (intramuskuläre) Injektion in der Prüfung sein. Kommt dann auch noch die Prüfungsangst hinzu, sind grobe Schnitzer kaum noch zu vermeiden.

Berücksichtigt man die Möglichkeiten, die einem zugelassenen Heilpraktiker in seiner Berufsausübung offenstehen, ist es im Sinne der Volksgesundheit sicherlich richtig, dass nur Anwärter mit einem fundierten Wissen die Prüfung bestehen.

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