Die Zähne zusammenbeißen

Bruxismus heißt das Phänomen, wenn Menschen nachts die Kiefer aufeinander pressen und mit den Zähnen knirschen. Das schädigt auf Dauer jedoch das Gebiss.

Manche Menschen haben Biss: Wenn sie ihre Zähne zusammenbeißen, sind unter Umständen Kräfte von mehreren hundert Kilo am Werk – zehnmal soviel wie beim normalen Kauen. Damit haben sie eine beinahe so große Beißleistung wie ein ausgewachsener Löwe. Allerdings wissen die Betroffenen oft nichts davon: Sie Knirschen im Schlaf mit den Zähnen, ohne es zu ahnen.

Die Auswirkungen dieses Kraftaktes bekommen die Betroffenen jedoch am Morgen danach um so deutlicher zu spüren: Sie erwachen meist müde und abgeschlagen. Menschen, die an Bruxismus – so lautet der medizinische Fachbegriff für das Phänomen – leiden, klagen zudem über Symptome wie Kopfschmerzen, Nackenverspannungen, Sehstörungen, Schwindel, sogar über unerklärliche Übelkeit oder andere Störungen des Magen- und Darmtrakts. Auch Ohrenschmerzen und Tinnitus, Rückenbeschwerden oder ein Beckenschiefstand können ihre eigentliche Ursache im angestrengten Malmen haben.

Die Zähne leiden unter dem nächtlichen Knirschen

Selbstverständlich leiden auch die Zähne unter dem Geknirsche: Der Zahnschmelz, eigentlich die härteste Substanz des menschlichen Körpers, wird durch die Mahlbewegungen immer stärker abgerieben. Karies und Parodontitis haben dadurch leichteres Spiel. Und weil extreme Kräfte wirken, können sogar Risse in den Zähnen entstehen. Sie brechen schlimmstenfalls der Länge nach durch – und sind verloren. Durch die große Belastung verspannt zudem die Kiefermuskulatur und auch das Kiefergelenk kann auf Dauer schweren Schaden nehmen.

Medizinisch betrachtet gehört der Bruxismus zu den Craniomandibulären Dysfunktionen (CMD). Dieser zahnmedizinische Zungenbrecher bezeichnet Fehlfunktionen an Kopf (Cranio) und Kiefer (Mandibula). Inzwischen gibt es bundesweit spezielle Fachpraxen und Spezialkliniken, die sich auf die Behandlung der CMD spezialisiert haben, zum Beispiel die Severin Klinik in Hamburg oder das CMD-Kompetenzzentrum in Hannover. Zahnärzte und Kieferorthopäden, die sich ebenfalls mit dem zerstörerischen Zähneknirschen befassen, finden sich zudem inzwischen in vielen deutschen Städten. Besonders starke Knirscher tun gut daran, sich an solche Fachpraxen und -kliniken, aber auch an spezialisierte niedergelassene Zahnärzte und Kieferorthopäden zu wenden.

Bruxismus kann körperliche und seelische Ursachen haben

Viele Kinder knirschen nachts mit den Zähnen. In jungen Jahren ist das nichts Ungewöhnliches und kein Grund zur Besorgnis – im Gegenteil: Für sie ist das Knirschen während des Zahnwechsels wichtig. Sie sorgen auf diese Weise für ein gutes Zusammenspiel von oberer und unterer Zahnreihe, also für den passenden Biss. Setzt sich das Mahlen und Malmen aber im Erwachsenenalter fort, sollte es behandelt werden. Doch warum knirschen Männer und Frauen mit den Zähnen?

Fehlstellungen von Gebiss und Kiefer können ein Grund für die nächtlichen Beißattacken sein, von denen etwa jeder Dritte, Frauen jedoch häufiger als Männer, betroffen ist. In anderen Fällen geben zu hoch stehende Füllungen die für das Malmen auslösenden Reize. „Unser Zahnsystem ist so sensibel, das selbst kleinste Fehler schon empfindlich stören. Minimale Veränderungen von einem zehntel Millimeter fallen bereits enorm auf“, erklärt Dr. Michael Frank, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer und niedergelassener Zahnarzt und Oralchirurg.

Zahnmediziner erforschen die Ursachen für das Zähneknirschen

Durch das Knirschen versuche der Bruxist, das Aufeinandertreffen der Zähne in Ober- und Unterkiefer – der Zahnmediziner bezeichnet das als Okklusion – zu optimieren. Häufiger als körperliche Gründe hat der Bruxismus seine Ursache allerdings in psychischen Faktoren wie Stress und großer innerer Anspannung. Die Folge dieses Drucks: Der problemgeplagte Patient beißt sich während der Nachtruhe regelrecht durch.

Zwischen den Zähnen und der Seele besteht also ein enger Zusammenhang. Nicht zuletzt deshalb hat sich zum Beispiel in Münster und Wien inzwischen der Forschungszweig „Psychosomatik in der Zahnheilkunde“ etabliert. Doch auch im Bereich „Zahnerhalt“ ist die Bruxismus-Forschung an bundesdeutschen Unikliniken angesiedelt. Dort sucht man nach erfolgversprechenden Behandlungsmethoden und führt – wie derzeit in Düsseldorf – Knirscherstudien durch.

Die Aufbissschiene ist eine von vielen Behandlungsmethoden

Die Behandlung des Bruxismus richtet sich nach den Ursachen: Kommt das Kauen zur Unzeit von einer craniomandibulären Dysfunktion, stimmt also das Zusammenspiel von Kopf und Kiefer nicht, müssen Zahnarzt oder Kieferorthopäde das anatomische Problem beheben, damit nachts Ruhe einkehren kann. Kann der Knirscher jedoch aufgrund psychischer Probleme nicht lockerlassen, muss auf seelischer Ebene angesetzt werden: Das Erlernen von Stressbewältigungs- und Entspannungsmethoden oder auch der Gang zum Psychotherapeuten können sinnvoll sein. Gegen die Verspannungen in Gesicht, Nacken und Rücken hilft spezielle Krankengymnastik, die der Zahnarzt verschreiben kann und die von einem speziell ausgebildeten Physiotherapeuten durchgeführt werden muss.

Um die Zähne vor weiterem Schaden zu bewahren, empfiehlt der Zahnarzt darüber hinaus in der Regel eine Aufbissschiene. Sie dient jedoch, darüber sollten sich die Patienten im Klaren sein, lediglich dem Schutz ihres Gebisses, weil sie den Druck, der durch das Knirschen auf Zähnen und Kiefer lastet, abfedert. Auf das Zähneknirschen selbst hat die Schiene keinen Einfluss, sollte also nicht das einzige Mittel der Wahl sein – zumal manche Bruxisten sie regelrecht zerbeißen.

Doch zunächst muss das Zähneknirschen erkannt werden. Wer also unter unklaren Symptomen an Kopf und Kiefer leidet oder morgens wie erschlagen aufwacht, sollte sich ruhig einmal auf den Zahn fühlen lassen.

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