Elfen wollen magersüchtig sein

Anhängerinnen von Pro Ana feiern ihre Krankheit als Ideal. Krank und Stolz darauf: Im Internet kursieren Seiten, auf denen sich Essgestörte Tipps geben, wie sie magersüchtig bleiben. Für Angehörige ist die Situation schwer.

„Mein Körper ist mein Hobby – mehr noch: mein Lebensinhalt.“ Wenn Sandy (Name geändert) über ihr Gewicht spricht, zeigt sie verschiedene Phasen: Stolz, Trotz aber auch Unsicherheit, die sie allerdings zu verstecken versucht. Die 24 Jahre alte Studentin ist magersüchtig. Sie weiß es, gibt es im Chat offen zu. Doch eine Therapie besucht sie nicht. Hilfe sucht Sandy nicht bei einem Arzt, sondern in Internetforen wie Pro-ANA-World. Dort geht es weniger darum, zu einem gesunden Gewicht zurück zu finden, sondern vielmehr ihren Zustand zu pflegen.

Sandy nennt sich selbst eine Elfe – ein Zauberwesen aus der amerikanischen Märchenwelt. Der Name, die Idee steht für einen fleischarmen Körper. Im Internet finden sich viele Frauen, die sich als Elfen bezeichnen. Sie gehören zur Pro-Ana-Bewegung. Der Name leitet sich von der lateinischen Bezeichnung für Magersucht ab: Anorexia Nervosa. Ungezählte Foren gibt es im Internet. Sie ermöglichen den Austausch der Betroffenen; bieten Tipps, das Gewicht unten zu halten oder stellen einen Marktplatz für Fotos und Tagebücher der Teilnehmerinnen.

Ein Frauenproblem

Teilnehmerinnen – denn das Problem ist unter Frauen deutlich stärker verbreitet. 29 Prozent aller Frauen zeigen Anzeichen von Ess-Störungen, hat das Jenaer Institut für Medizinische Psychologie festgestellt. Unter Schülerinnen sind es danach sogar 35 Prozent. Bei Männern liegen diese Werte im einstelligen Bereich. Magersucht ist eine ernste, therapiebedürftige Krankheit, jede zehnte Patientin stirbt daran.

Entsprechend kritikwürdig sind die Foren, die Magersucht als Schönheitsideal feiern. Das scheinen die Betreiber zu wissen oder mindestens zu ahnen. Denn so zahlreich die Angebot sind, so geheimnisumwittert geben sie sich: Ständig werden bestehende Adressen ab- oder umgemeldet, der Zugang ist nur über Passwort-Vergabe möglich. Einige Betreiber verlangen vor der Vergabe des Codes Daten des neuen Mitglieds. Es muss regelrecht beweisen, dass es wirklich unter Magersucht leidet. Auch Pro-ANA-World ist mittlerweile vom Netz. Die Betreiberin schreibt, sie habe jetzt im Christentum eine Antwort gefunden und suche diese daher nicht mehr online.

Gruselige Seiten

Was in den Foren wie Pro-ANA propagiert wird, liest sich gruselig: Mit Sprüchen wie „Der Kopf formt den Körper“ oder „Ich hungere mich nicht aus, ich perfektioniere meine Leere“ werden die Teilnehmerinnen auf Kurs getrimmt. Tipps sollen beim Halten des Untergewichts helfen. Gemeinsam haben die Ratschläge, Ekel vor Essen zu schaffen. Erschreckend sind vor allem die Bilder der Elfen – mit vorstehenden Knochen und Falten in den Oberschenkeln.

Die Angehörigen stellt die zum Ideal ernannte Magersucht vor ein schier unlösbares Problem. Eine Therapie ist schon schwer für Frauen, die ihre Krankheit eingesehen haben und sie bekämpfen wollen. Häufig kommt es bei ihnen zu Abbruch von Therapien, weil sich eine Feindschaft gegen den Therapeuten aufbaut, berichten Experten der Krankenkassen wie etwa der DAK. Frauen und Mädchen zu ärztlicher Behandlung zu bewegen, wenn sie ihre Krankheit als Glück empfinden – an dieser Aufgabe können Familien zerbrechen.

Im Internet gibt es Ansprechpartner für Angehörige, die Tipps zum Thema Magersucht geben und Ansprechpartner nennen. Im Buchhandel haben Marga Hornbacher mit „Alice im Hungerland“ oder Edda und Horst-Alfred Klessmann mit „Heiliges Fleisch, heilloses Fressen“ Ratgeber geschrieben.

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