Google Suggest: Pro oder Contra?

Google Suggest: Pro oder Contra? Die Funktion „Suggest“ des Suchdienstes Google ruft Kritiker auf den Plan. Sind diese Urteile gerechtfertigt?

Seit dem 1. April 2009 ist in Deutschland beim Suchdienst Google die Funktion „Suggest“ bereitgestellt. Sie bietet dem User während des Tippens eines Suchwortes die zehn populärsten Stichworte an.

Im Magazin der ZEIT-Ausgabe  ist ein sehr interessanter Artikel („Der ist doch schwul“) des Autors Ulf Lipitz zu lesen. Wir erfahren – Google sei Dank – dass viele Leute in Bezug auf männliche Prominente, hier Fußballer, wissen wollen: „Ist der schwul?“. Der Autor tippt die Namen verschiedener Fußballspieler bei Google ein und findet heraus, dass die Namen nicht weniger von ihnen mit dem Attribut schwul gebrandmarkt sind. Diese Funktion kreiert damit eine neue Realität.

Kritik an Google Suggest

Kritische User haben in Blogs diese Funktion ausgiebig diskutiert. Die Hauptkritiken dieser User sind: 1) Google entwickelt sich mit dieser Funktion zu einer rein kommerziellen Anzeigenmaschine. 2) Userströme werden umgeleitet, vielleicht sogar auf falsche Fährten geschickt, weil nur die populärsten Begriffskombinationen angezeigt werden. Daraus folgt 3) Google entmündigt den User, weil er ihn bei seiner Suche beeinflusst.

Ein Test mit allgemeinen Suchbegriffen wie Mann, Frau, Liebe, Politik, Wirtschaft und Medien soll Aufschluss über diese Kritikpunkte bringen. In einem ersten Schritt soll die Frage nach möglichen Treffern beantwortet werden, um dies dann mit der Google-Realität zu überprüfen.

Wie man einen Mann erobert

Es ist zu vermuten, dass dieses Stichwort in erster Linie von Frauen auf der Suche nach einer Gebrauchs- und Verstehensanweisung eingetippt wird. Die Trefferliste zeigt das Gegenteil. Die ersten acht Treffer verweisen in der Tat auf kommerzielle Seiten, auf denen Möbel und Filter unterschiedlicher Art angeboten werden. Auf Platz 9 und 10 erst werden dem User bzw. der Userin Tipps gegeben, wie man einen Mann erobert und verführt.

Mythos Frau

Wie beim Stichwort Mann könnte man auch hier die Vermutung hegen, dass der Mann auf der Suche nach Antworten auf die vielseitigen Fragen zum Mysterium Frau ist. Die Ergebnisliste ist aber noch überraschender und unterliegt weniger einem ökonomischen Zwang. Zwar erweisen sich sechs Treffer als kommerzielle Anbieter (ein frauenpolitisches Magazin, ein Online-Stoffladen, ein weiteres Onlinemagazin, ein Tanzcafé in Hamburg, eine Promizeitschrift sowie eine Info-Illustrierte), aber sehr erstaunlich sind drei Treffer, die dem Ressort Kultur zugeordnet werden können. Dies sind zwei Märchenfiguren sowie ein Roman eines berühmten deutschen Schriftstellers. Um ein althergebrachtes Klischee über Frauen zu bestätigen, landet immerhin auf Platz 10 der Suchbegriff: Frau am Steuer.

Liebe in Zeiten des Internets

Dieser Begriff erweist sich als der vorhersagbarste. Zu erwarten sind Treffer zu den Themen Gedichte, Lieder und Filme. Beachtlich ist hier, dass die Liebesgedichte an erster Stelle stehen, wo doch die deutschsprachige Lyrik der Gegenwart nur noch eine marginale Rolle spielt. Ob die angebotenen Gedichte das Niveau haben, Lyrik genannt zu werden, soll hier lieber nicht geprüft werden. Im Detail sind die Treffer wie folgt: 1) Liebesgedichte, 2) Liebessprüche, 3) Liebestest, 4) Liebesgedicht, 5) Liebes-SMS, 6) Liebesfilme, 7) Liebeskummer, 8) Liebeserklärung, 9) Liebeslieder und 10) Liebesbriefe.

Politisch korrekt?

Es ist anzunehmen, dass bei der desaströsen Vorstellung der momentanen Bundesregierung Politikverdrossenheit auf Platz eins steht, aber die Treffer sind weitaus differenzierter, als man glauben mag. Neben den reinen Begriffen Politik und Politiker interessieren sich die User für aktuelle und globale Politik, politische Inkorrektheit, Politikwissenschaften und erst auf Platz 8 für die Politikverdrossenheit.

Wirtschaftskrise vs. Wirtschaftswunder

Mein persönlicher Favorit der Vorhersage ist der Begriff Wirtschaftskrise, der aber erst auf Platz fünf steht, allerdings vor dem Wunder. Auch hier sind die Treffer bemerkenswert. Wirtschaftswoche und Wirtschaftslexikon stehen auf Platz eins und zwei, der Wunsch, informiert zu sein, spielt also eine wichtige Rolle. Die Teilbereiche Informatik und Psychologie sagen ebenso viel aus wie der Fachbegriff Wirtschaftskreislauf.

Trendthema Medien

Dieser Begriff ist ein schönes Exempel dafür, dass es sich hier um ein Trendthema handelt. Über die Hälfte der Treffer verweist auf ein Interesse, im Medienbereich zu arbeiten (Werkstatt, Gestalter, Informatik, Design, Management, Wissenschaften und Pädagogik). Ein wesentlicher Begriff in unserer medialen Zeit, die Medienkompetenz, rangiert immerhin auf Platz 5 – spricht also für einen mündigen User.

Was wird mit Google gesucht?

Was suchen Personen mit Suchmaschinen wie Google? Tippt man die Buchstaben des Alphabets durch, bekommt man einen schönen Überblick. Unter den Treffern sind in erster Linie kommerzielle Anbieter: Online-Shops und klassische Serviceanbieter wie die Bahn, Fluglinien oder Banken sowie Berühmtheiten von Lena Meyer-Landrut bis Jean-Paul Sartre. Wenn der User sowieso in erster Linie auf der Suche nach kommerziellen Angeboten ist, läuft das Argument, Google Suggest kommerzialisiere das Portal weiterhin, ins Leere – ohnehin hat Google mit einem 100 Millionen US-Dollar schweren Markennamen den Kommerz-Thron längst erklommen.

Dass nur die zehn am häufigsten gesuchten Begriffe angezeigt werden und der User damit auf eine falsche Fährte gelockt wird, scheint ein gutes Argument zu sein. Der mündige und kritische Internetuser wird allerdings nicht auf diesen Suggestionstrick reinfallen, sondern per se schon mit verschiedenen Begriffen hantieren. Dass Google den User entmündigt, weil er ihn beeinflusst, kann mit diesem Test ebenfalls nicht falsifiziert werden. Aber Entmündigung bedeutet, dass jemand bereits mündig war. Der kritische Internetbürger wird sich kaum von Googles Ratschlägen beeinflussen lassen.

Spiegel oder Spiel?

Dies führt zur Frage, ob Google Suggest ein Spiegel der Netzgesellschaft ist. Diese Frage kann nur mit einem Jein beantwortet werden, weil erstens zehn Suchbegriffe nicht die Breite der Anfragen darstellen und zweitens in diesem Fall die zufällig ausgesuchten Suchbegriffe unterschiedliche Interessensschichten repräsentieren. Es soll noch darauf hingewiesen werden, dass die Ergebnisse Veränderungen unterliegen, so wie sich das Interesse der Internetuser ständig ändert. Auf jeden Fall ist Google Suggest ein zweckdienliches Werkzeug, um mehr über die Vorlieben der User zu erfahren – egal ob als kommerzieller Anbieter oder als an Gesellschaft interessierter Laie. Google bleibt sich also treu. Man sollte Google Suggest wie alle anderen im Prinzip für ein glückliches Leben irrelevanten technischen Entwicklungen nehmen – es für sich nutzen oder es einfach ignorieren. Dass diese Funktion aber auch Spaß machen kann, zeigt die Seite 2Spare mit ein paar Beispielen für „Fun with Google Suggest“.

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