Wahrsager, Hellseher und mediale Lebensberater

Reichtum und Glück frei Haus – die übersinnlichen Abzocker. Was einem in Massenbriefen von „Medien“, Wahrsagern und selbsternannten Astrologen so alles prophezeit wird.

Hin und wieder erhält man Briefe von Hellsehern, Medien und Astrologen, die einem das Blaue vom Himmel herunter versprechen.

Briefe wie die der Hellseherin TARA, eines düster dreinblickenden, kreidebleichen Mediums mit dicken Balken unter den Augen, aus Genf. „Ein Schatten schwebt über Ihnen,“ schreibt sie, „solange dieser Schatten über Ihnen ist, werden Sie kein Glück in finanziellen Bereichen haben.“ Da hat man’s! Allein dieser Schatten, der über einem schwebt ist Schuld daran, dass nichts so funktioniert, wie man es gerne möchte. „TARA kann Ihnen helfen“, schreibt sie weiter. „Für den speziellen Preis von nur 50 Euro sind Sie bald alle Sorgen los und Glück und Reichtum halten Einzug.“ Und sollte dies nicht geschehen, würde TARA einem die 50 Euro zurückerstatten. Das klingt verlockend, deshalb antwortet man.

„TARAs große Weissagung“ liegt zwei Wochen später im Briefkasten. Diese entpuppt sich mehr oder weniger als ein Jahreshoroskop, das nichts Spektakuläres offenbart, und schon gar keinen Hinweis auf nahenden Reichtum. Dafür befindet sich jedoch am Ende des Horoskopes Werbung für TARAs magisches Kästchen. Dieses Kästchen, so schreibt sie, würde alles beinhalten, was man für eine magische Handlung, um ewigen Reichtum herbeizuführen, braucht. Zum Sonderpreis von nur 60 Euro würde man es bekommen. Hatte sie einem den Einzug von Reichtum und Glück nicht schon mit der ersten Bestellung versprochen?

Meister Messidor: Medium und Hellseher

Ein paar Tage später findet man einen Brief von Meister Messidor aus Malta im Briefkasten. Ein dicker Magier, dessen restlich verbliebene Haarsträhnen mit Pomade aus der Stirn gekämmt sind, lacht einem in breitgestreiftem Jackett entgegen und verspricht, dass er an einem bestimmten Datum um Mitternacht eine kosmische Handlung für einen vollführen würde. Dazu solle man an genanntem Tag zu besagter Stunde die beigefügte, mit Messidor’s Fluidum überzogene Münze (luftdicht verpackt mit Verpackungsaufdruck Made in Hongkong … wo ist da sein Fluidum?) fest in der Hand halten und dabei an Messidor und den nahenden Reichtum denken. Leider erhält man den Brief erst einige Tage nach dem genannten Datum, somit ist die kosmische Handlung hinfällig.

Aber Messidor, ein Meister seines Faches, war vorausschauend genug, um einem zwei Zeilen weiter mitzuteilen, dass, sollte man das genannte Datum aus welchen Gründen auch immer verstreichen lassen, er eine neue kosmische Handlung für einen durchführen würde. Dazu müsse man lediglich den beigefügten Bestellschein ausfüllen und einen Scheck in Höhe von 60 Euro beifügen, was man natürlich nicht tut, was Messidor dazu veranlasst, einem zwei Wochen später brieflich mitzuteilen, dass er sehr besorgt sei, weil man das Datum hat verstreichen lassen. Wiederum zwei Wochen später schreibt er erneut, um seiner Besorgnis über den Verzicht, mit seiner Hilfe Reichtum zu erlangen, Ausdruck zu geben. Für nur 29,90 Euro bietet er einem nun seine kosmische Handlung an. Der Brief kommt dieses Mal nicht aus Malta, sondern aus Ach in Österreich. Ach, Messidor!

Der Hellseher Maitre Jean

Kurz darauf teilt einem ein gewisser Maitre Jean aus der Schweiz mit, dass der Himmel einem durch seine Person helfen wolle, endlich ein glücklicher Mensch zu werden. Jawohl, er hat eine Vision gehabt, als er mit den Kräften des Himmels in Kontakt getreten war, um für in Not geratene Menschen um Hilfe zu bitten. Plötzlich, so der Maitre, stand der Name des Empfänger dieses Briefes in flammenden Buchstaben am Himmel geschrieben, darunter die Summe von 72.000 Euro, und eine Stimme sprach zu ihm „vollführe das große Ritual des aktiven Gedankens, so dass der Himmel sein Füllhorn über den Empfänger dieses Briefes ergieße!“ Und dies wolle der Maitre nun für einen tun, nämlich dann, wenn Venus in eine Dreieckskonstellation zum zweiten Haus und Jupiter tritt. Genau dann würde er ein magisches Gebet sprechen und dabei den magisch aktiven Gedanken in die astrale Welt schicken, der in der Welt der Sterne seine Wirkung entfalten und einem den bereits genannten Geldsegen bescheren würde. Und das alles nur für 29,90 Euro. Nichts, schrieb er, wenn man bedenkt, wie viele Stunden die Vorbereitung sowie der Vollzug des Rituals erfordern!

Marie-France, Wahrsagerin

Dagegen verlangt Maitre Jean’s Kollegin, Marie-France, die, soweit auf dem Foto auf dem Briefkopf erkennbar, bestimmt schon 80 Jahre auf dem Buckel hat, schon etwas mehr dafür, dass sie angeblich telepathischen Kontakt mit einem aufgenommen hat, und zwar so, dass man selbst es nicht merkte. Dabei sei ihr aufgefallen, dass nichts im Leben des Empfängers dieses Briefes in Lot sei. Dem könne sie jedoch mit Hilfe des „Geheimnisses der 12 heiligen Mantras“ Abhilfe schaffen, das sie auf sechs Seiten erläutert. Mehr noch, mit den 12 Mantras würde einem ein Königsweg eröffnet, der einem innerhalb von zwei Wochen 100.000 Euro beschert! Sie, Marie-France höchstpersönlich, würde für einen die große astrale Aktion der 12 heiligen Mantras durchführen, um die kosmische Energie freizusetzen. Und das alles für 50 Euro, mit Geld zurück Garantie, sollte sich der Geldsegen innerhalb von zwei Wochen nicht über einen ergießen.

Depesche aus dem Jenseits

Diese kommt von der Hellseherin Marie-Rose Valmont aus der Schweiz, die in einem knappen Schreiben mitteilt, dass sie, wenn man diesen Brief liest, nicht mehr unter den Lebenden weilt, da ihre Zeit nun, nach 92 Jahren irdischen Daseins, gekommen ist. In der Anlage ist ihr Testament beigefügt – ihr ganzes Hab und Gut, immerhin mehrere 100.000 Euro, will sie einem vermachen. Was genau man tun muss, um das Erbe anzutreten, würden einem ihre geschätzten Kollegen nach dem Tod von Marie-Rose gegen eine Dankeschön-Gebühr von 45 Euro mitteilen.

Man fragt sich, ob es wirklich Empfänger dieser Briefe gibt, die daran glauben, dass diese selbsternannten Wunderboten ihr Schicksal in andere Bahnen lenken und auch den Sternen ein Schnippchen schlagen könnten, wo es doch allgemein bekannt ist, dass man sich seine Umstände selbst erschafft und ergo auch beeinflussen kann. Oder, wie das alte Sprichwort sagt: Jeder ist seines Glückes Schmied, n’est pas?

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