Hamam: Orientalische Badekultur zwischen Marmor und Seifenschaum

»Wellness« nach türkischer Tradition: Das Hamam verbindet Dampfbad mit Massagen, Waschungen und Haut-Peeling – für Entspannung und Reinheit.

Wer schon einmal in einem Hinterhof in Izmir von einem haarigen Hünen auf einen Steintisch geklatscht wurde, während im Nebenraum der Barbier den Ohrpelz seiner Kunden per Q-Tipp-Fackel brandrodete, ist auf einiges gefasst, wenn er ein Hamam betritt. Beispielsweise auf erstaunlich entspannende und wohltuende anatolische Handgreiflichkeiten. Denn das gezielte Zusammenspiel von Wasser, Wärme, Wohlfühlatmosphäre und zeremonieller Reinigung ist keine Erfindung der modernen Wellness-Industrie, sondern eine Jahrhunderte gereifte orientalische Tradition. 1583 ließ Afife Nûr-Banû Sultâna, Mutter von Sultan Murat III. des Osmanischen Reiches, in der Nähe der Moschee von Üsküdar in Istanbul eines der ersten Hammams errichten. Diese reich geschmückten Badehäuser entwickelten sich zu einer festen Institution der osmanisch-orientalischen Kultur – nicht zuletzt auch, da es den Bedürfnissen der Osmanen resultierend aus dem strengen Reinlichkeitsgebot des Islam entgegenkam, sich selbst gelegentlich einer Grundreinigung zu unterziehen. Zwar gingen bereits die Menschen in den Hochkulturen der Griechen und Römer prachtvoll und komfortabel baden – doch bis in die heutige Zeit hat sich eben das türkische Hamam in der deutschen Wellness-Landschaft etabliert.

Das Hamam als traditionelle orientalische Wellness-Oase und Arbeitsplatz des Tellaks

Das traditionelle orientalische Hamam verbindet das sanfte Schwitzbad einer Dampfsauna mit Peeling-Körperbehandlungen, Massagen und Waschungen, wobei stets viel Wasser zwischen Haut und beheiztem Marmor zum Einsatz kommt. Kern und Zentrum des Badebetriebs im türkischen Bad ist der Göbektasi oder Nabelstein, ein erwärmtes polygonales Marmorpodest. Meist in der Mitte des ebenfalls mit Marmor ausgekleideten Baderaumes gelegen, dient er als Hitzequelle und Ofenbank für weichzukochende Muskelverspannungen. Entlang der Wände finden sich Wasserbecken namens Kurna, aus denen die Badenden heißes und kaltes Wasser zur Waschung und zur Regulierung des Kreislaufes entnehmen. Oft im gleichen Raum befinden sich die steinernen Werkbänke des Tellaks, wie der Bademeister des Hamams fachgerecht genannt wird. Allerdings darf man hier keine Pool-Aufsicht mit Trillerpfeife und dem Gemüt eines Drill-Sergeants erwarten, denn der türkische Bademeister ist Masseur, Saunameister und Waschprofi in Personalunion. Da in islamischen Kulturen einige gesellschaftliche Bereiche eine strenge Trennung zwischen Männern und Frauen vorsehen, gibt es auch Bademeisterinnen (Natir), die sich ebenso kompetent um das körperliche Wohl der Badenden kümmern.

Der Ablauf eines traditionellen Hamam-Besuchs: Schwitzen wie ein Sultan

Im Hamam gibt es feste Tage für Damen und Herren, zu denen auch jeweils die Bademeister des jeweiligen Geschlechts den Badebetrieb leiten – moderne Häuser bieten darüber hinaus auch gemischte Badetage an, damit sich weder Frau noch Mann alleine nass machen muss. Nur mit einer knappen Badehose und dem traditionellen Pestemal-Fransentuch verhüllt, geht es in den Baderaum, um zunächst einmal gründlich mit dem Wasser aus den Marmorbecken in Kontakt zu kommen, bevor es auf die heiße Platte des Nabelsteins geht. Die Herren brauchen hier meist länger, um ihre Muskeln zu lockern, die Poren zu öffnen und in Schwitzen zu kommen, während die Damen sich schon auf die Bänke in die moderate Wärme zurückziehen. Das Pestemal dient übrigens nicht nur zum Verhüllen der privaten Teile, sondern ebenso als partielle Klimaanlage mit Wärmetauscher. Grundsätzlich ist der großzügige Gebrauch von Wasser zur Wärmeregulierung auf und abseits der Marmorplatte angebracht, wie vom Tellak in schwungvollen Güssen vorgemacht. Sind soweit alle Körper hinreichend vorbehandelt, kommt die eigentliche Kunst des orientalischen Bademeisters zum Einsatz.

»Da kompt ein Badknecht, der umbfahet ihn, renkt ihm den Leib hin und her, als wollt er ihm den Leib ineinanderrichten, desgleichen dehnet er ihm auch die Glieder, Arm, Händ und die Schenkel, als wollt er mit ihm ringen. […] Die Männer haben besondere Bäder und die Weiber auch besondere. Sie bedecken sich im Baden fein züchtig und ehrbarlich und nicht so schimpflich wie die Teutschen […] also daß wir Christen in diesem Fall sollten Zucht und Ehrbarkeit von diesen Barbaris lernen.« So berichtete der deutsche Theologe und erste Koran-Übersetzer Salomon Schweigger (1551-1622) in seinem Reisebericht »Zum Hofe des türkischen Sultans« Brockhaus, Leipzig 1986, S. 118f.

Rubbeln, Waschen, Kneten, Waschen: Die hohe Kunst der Massage von Natir und Tellak

Damit man sich stets in guten Händen fühlt, stellt der Bademeister oder eben die Bademeisterin sich und die anstehenden Arbeitsschritte vor, die den Körper des Badenden erwarten – und zwar deutlich persönlicher und gastfreundlicher, als man es vielleicht von der Autowaschstraße gewohnt sein mag. Einmal auf dem flachen Marmortisch ausgestreckt – auf dem es sich, lediglich mit dem abgelegten Pestemal als Kopfkissen, bei allen folgenden Prozeduren erstaunlich komfortabel liegen lässt – kommt zunächst flächendeckend ein Peeling-Handschuh aus Wildseide oder Ziegenhaar (Kese) zum Einsatz, um die bereits aufgeweichte Hornhaut und sonstigen epidermalem Ballast zu lösen und anschließend abzuwaschen. Dann folgt das voluminöse Einschäumen mit handgemachtem Kernseifenschaum, der schwungvoll mit einem Leinenschlauch über den Körper gestrichen und als Grundlage einer ersten Knetbehandlung verwendet wird. Der geschulte Tellak konzentriert sich bei der folgenden Entspannungsmassage von Beinen, Rücken, Nacken und Armen am Grad der muskulären Verspannung und legt gekonnt Hand an, wobei auch die Natir angesichts der doch recht anstrengenden saunartigen Arbeitsbedingungen erstaunliche Kondition und Gründlichkeit an den Tag legen. Vor dem Verlassen des Marmortisches wird man noch einmal bis hinter die Ohren fachmännisch gewaschen und gespült, um das unnachahmliche Gefühl der Reinheit abzurunden, was solch eine umfassende Hamam-Behandlung mit sich bringt.

Ein Hamam-Besuch als entspannende und tiefenreinigende Wellness-Behandlung

In Bademäntel gehüllt geht es zum Entspannen von der Entspannung in den Ruheraum des Hamams namens Sogokluk, der nur wenig Ähnlichkeit mit den Chlordunst-geschwängerten Plastikliegen-Ansammlungen anderer Wellness-Anstalten hat. Denn in der Regel handelt es sich um einen im orientalischen Geschmack eingerichteten Gastraum mit dicken Teppichen und reichlich Kissen, in dem starker türkischer Tee und manchmal auch weitere orientalische Speisen und Getränke serviert werden. Für den Hamam-Besuch sollte vorab ein Termin vereinbart werden, damit die buchbaren Leistungen rund um die tiefenreinigende Wellness-Behandlung pünktlich vom Fachpersonal des Wahlgeschlechtes durchgeführt werden können.

Hamams gibt es mittlerweile in einigen deutschen Städten und manchmal auch integriert im Wellness-Angebot guter Hotels. Das Angebot des Hamams in Hamburg, Feldstraße 39, in dem eine ansprechende Mischung aus traditioneller Badehauskultur und modernen Wellness-Anwendungen geboten wird, reicht z.B. von einer Basis-Variante inklusive Peeling, Einseifung und Waschung durch den Tellak für 30 Euro bis zu exklusiven Wohlfühl-Varianten samt Schaum-, Öl- und Kopfmassagen über mehrere Stunden. Körperpflege mit Charakter eben – sauberer wird man nirgends.

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